Schultze und Schulze / Im Lande der Sowjets.

Fiktives Vinyl: Bordelais – Menschen mit Hobby © Kai von Kröcher, 2014/2022

 

I have a picture pinned to my wall. +++ Aus der Rubrik „Was den Leser nicht interessiert“: Nach Cum-Ex und Hafendeal will Bürgermeister Schulz nun auch unbedeutendere Teile des Urbankrankenhauses veräußern – die Chirurgie beispielsweise und vor allem den Namen: Grand Hotel Orbán soll die Chose jetzt heißen – der Zuschlag geht diesmal an Ungarn. +++ Von diesen Geschäften ausgenommen bleibt der Schacht Konrad im Lande Salzgitter, Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Der Parkplatz jenes stillgelegten Eisenerz-Bergwerkes hatte es aktuell ja gerade auf das Cover des neuen Albums der Bordelais-Schwestern (Menschen mit Hobby/Anm.d.Red.) geschafft. +++ Muss man mehr sagen? +++ Kurzes Geschwafel noch kurz: Wenn ich mit Männergrippe im heimischen Lazarett aufgebahrt liege, reicht meine Aufmerksamskeitsspanne meistens nur noch für Tim und Struppi – vielleicht so ein Wohlfühl-/Kindheits-/Tröstungs-Effekt. Ganz vergessen hatte ich, dass ich mir irgendwann sogar einmal den Band Tim im Lande der Sowjets gekauft haben muss: echt ziemlicher Schrott – Hergé sah das später genauso. +++ Die Älteren unter uns werden sich dunkel noch an den 83er UK-Single-Charts-Hit Hold Me Now erinnern – es hat Zeiten gegeben, da hätte man „es fiel mir wie Schuppen aus den Haaren“ gesagt, das war immer sehr lustig. Zufällig bin ich da jedenfalls auch erst vor ein, zwei Jahren vielleicht drauf gestoßen – Schlaumeier-Frage des Tages also: Was hat Hold Me Now mit Tim & Struppi zu tun? +++ Müsste ja eh bald mal wieder eine Weihnachtsverlosung geben! Vielleicht gar keine schlechte Idee: Wie wäre es mit einem Plattencover Ihrer Wahl – ich muss mir da was überlegen. Diesmal einen Gang runtergeschaltet vermutlich – hatte mein öffentliches Gesuch um eine Anstellung bislang doch leider nichts außer einem bescheidenen Aufsichtsratsposten bei der Firma Tönnies ergeben. +++ Puh, geht ja ganz schön systemkritisch heute hier ab! Beruhigt mich übrigens sehr: der deutsche Kraftfahrer entdeckt nun endlich seine Liebe zum Maler Monet!

 

Überschrift inspired by: Dupont et Dupond (Comicfiguren, erstmaliges Auftreten in Die Zigarren des Pharaos) © Hergé, 1932 

Überschrift also inspired by: Tim im Lande der Sowjets (erste Comic-Folgen mit Tintin & Milou) © Hergé, 1928

Lyrics: Hold Me Now © Thompson Twins, 1983

Olaf Schulz (* 14. Juni 1958 in Osnabrück), dt. Politiker

Viktor Orbán (ungarisch Orbán Viktor; * 31. Mai 1963 in Székesfehérvár), ung. Politiker

Schacht Konrad: stillgelegtes Eisenerz-Bergwerk im Stadtgebiet Salzgitter, etwa acht Kilometer von Braunschweig entfernt bei der Ortschaft Sauingen gelegen

Claude Monet (* 14. November 1840 in Paris; † 5. Dezember 1926 in Giverny), frz. Maler

Stiebel John Elton / All the Young Girls Love Alice.

Fiktives Vinyl: Walter Boarding – Schmetterling in Aspik © Kai von Kröcher, 2021/2022

 

God, it looks like Daniel – must be the clouds in my eyes. +++ Virenbedingt werde ich heute Abend wohl passen müssen. Was die Szenegaststätte der Bürgerinnen und Bürger angeht – das gebe ich offen zu. +++ Wenn man Elon Musk ein „i“ hinzufügt, heißt er auf einmal Elon Musik. Kauft man dann noch ein „t“: Elton Musik! +++ Wussten Sie das? +++ Heute Nacht oder am Morgen, wenn man seit Tagen entkräftet im Bett liegt: Grenzen verschwimmen. Da war der Blog kurz wieder noch einmal weg, dann war er auf einmal wieder da. Statt meine Seite anzuzeigen, wurde kurzzeitig für Sanitärsachen und so was geworben. Dieses leidige Thema hatte allerdings auch einen positiven Nebeneffekt: In zahlreichen Telefonaten „mit meinem Anbieter“ nämlich sind wir auch meine ganzen Verträge einmal etwas genauer durchgegangen. Und darauf gekommen, zwei Drittel davon kann man einfach mal kündigen. +++ Apropos: Hatten auch Sie Bolsonaros Geheimdienst hinter dem Hackerangriff auf meinen Blog hier vermutet? Direkt vor der Wahl – der Verdacht drängt sich auf! +++ Ob dieser Lula oder Luna – ob der da jetzt allerdings einen Cut zieht, was die Abholzungen angeht? Ob der korrupt ist oder nicht, das ist mir am Ende völlig egal – Hauptsache, er bringt den Scheiß da unten wieder in Ordnung. +++ Apropos: das Plattencover (oben) könnte Ihnen heute ein bisschen bekannt vorkommen, es handelt sich um die gründerzeitliche Rückansicht des Grand Hotel Urban. Dort wurde mein Sohn geboren, dort wurd‘ ich am Herzen operiert – Nieren, Schlaganfall, pipapo. Ich mag den Laden. Meinen simplen Virus-Effekt allerdings trage ich stoisch zu Hause aus. +++ Infekt, kleiner Scherz. +++ Die Platte von Walter Boarding übrigens ist gar nicht mal schlecht: Wenn ich irgendwas ja nun echt mal nicht ausstehen kann, dann ist das definitiv Minimal Techno – oder das jedenfalls, was ich dafür zu halten glaube. Walter Boarding jedoch okkupiert diesen Sound, lässt ihn in seinen düster-narrativen Visionen den Pulsschlag simulieren, verrührt ihn mit endzeitlichen Rückkopplungsorgien. +++ Als das Kind Kind war: Als ich ein Kind war, und so wird es gewesen sein. Als ich ein Kind war, hatten wir einen Badeofen von Stiebel Eltron, einen riesigen Durchlauferhitzer. Möchte man gar nicht mehr wissen, wie hoch der Energieverbrauch damals war. Ich aber habe, wenn ich als Kind in der Badewanne saß. Den recht spezifischen Geruch des blaufarbenen Badedas hab‘ ich noch heute vor Augen. Wenn man krank ist, kommt die Erinnerung hoch. Ich musste dann immer an Elton John denken – Elton John war damals sehr gut, als ich noch Kind war. Irgendwie aber auch rätselhaft: Hätte es besser nicht John Elton gehießen?

 

Überschrift inspired by: Stiebel Eltron – Unternehmen aus dem Bereich der Elektroindustrie mit Firmensitz in Holzminden

Überschrift also inspired by: All the Girls Love Alice © Elton John, 1973

Überschrift also inspired by: Alice Weidel (* 6. Februar 1979 in Gütersloh), dt. Politikerin

Lyrics: Daniel © Elton John, 1973

Bernie Taupin (* 22. Mai 1950 in Ruskington, East Kesteven Rural District ), englischer Lyriker, Liedtexter und Maler

club49 | Ohlauer Straße 31 | Berlin-Kreuzberg | Jubiläumsparty | heute ab 19:00 Uhr

Elon Musk (* 28. Juni 1971 in Pretoria , Südafrika ), kanadisch-südafrikanischer Unternehmer

Lula da Silva (* 27. Oktober 1945 in Caetés, Pernambuco als Luiz Inácio da Silva), brasilianischer Präsident

Peter Poelzig (* 6. August 1906 in Breslau; 26. Januar 1981 in Duisburg), dt. Architekt

Winterunruhen / L’Affaire Tournesol.

Fiktives Vinyl: DJ 13. Monatsgehalt – Du bist so (fucking) abstrakt © Kai von Kröcher, 2022

 

Well, I am lying in bed just like Brian Wilson did. +++ Im Schatten von Winterunruhen und The Return of der Wendler ein wenig untergegangen: der (oder das) Blog hier war gut eine Woche verschwunden. Ein Tarnkappenbomber im Netz sozusagen, nirgendwo ausfindig zu machen. Ein kleiner Pups für die Menschheit vielleicht – ich aber gefühlt stand vor den Ruinen meines Lebenswerks, rein so vom Feeling her. +++ Okay, ich habe mich dann einfach um andere Sachen gekümmert, bin krank geworden zum Beispiel. +++ Ohlauer Straße: die Szenegaststätte Ihres Vertrauens feiert ihr Fünfjähriges morgen nach ihrem Relaunch: ein Line-up wie aus Sahne gezimmert – aus allererster Sahne! +++ Unfassbar ekelerregend: DJ 13. Monatsgehalts Cover (oben)! An einem trüb hereinbrechenden Januarabend im Berliner Ortsteil Buckow damals plump in das Esszimmer eines Einfamilienhauses hineinfotografiert – das Artwork fügte dem Ganzen noch ekelerregende Farben bei.

 

Überschrift inspired by: Winterunruhen 2022

Überschrift also inspired by: L’Affaire Tournesol (Der Fall Bienlein, Comicband) © Hergé, 1956

Lyrics: Brian Wilson © Barenaked Ladies, 1992

5 Jahre club49 | Ohlauer Straße 31 | Berlin-Kreuzberg | Freitag, 4. November | ab 19:00 Uhr 

Partielle Finsternis / Smash.

Fiktives Vinyl: Gerrit Kadyrow – Ihr immer mit eurem Sex © Kai von Kröcher, 2008/2022

 

Standing in the door of the Pink Flamingo, crying in the rain. +++ Das war ja schon irgendwie komisch: Den „alten“ Gesundbrunnen, wenn man das überhaupt so sagen darf. Der alte Gesundbrunnen, so wie ich ihn gekannt und geliebt habe – das waren ja auch nur Behelfsbauten der Nachkriegszeit. Eine chemische Reinigung hat es gegeben, wenn ich mich recht erinnere. Ich glaube, auch einen „Chinesen“ – und die Musik-Kneipe White Wedding natürlich! Vor Augen habe ich auch einen Schrauber, der mit dutzenden alten DS handelte – der Göttin! +++ Der noch einmal ältere Gesundbrunnen, wie Otto Nagel ihn vielleicht noch gezeichnet hat, der noch verschwundenere Gesundbrunnen – alles längst gar nicht mehr wahr. +++ Die partielle Sonnenfinsternis gestern empfand ich als Eingriff in meine Persönlichkeitsrechte, ich habe nicht daran teilgenommen. +++ Und erst der Bahnhof Gesundbrunnen selbst – ein verwunschener Traum! Der hatte ja zwei oder drei uralte Bahnsteige, von denen wurde nur noch der eine genutzt, wegen der Mauer. Alles andere überwuchert, dazu die alte S-Bahn. +++ An dieser Stelle möchte ich an meine beiden Petitionen erinnern: „Baureihe 483/484 FUCK OFF!“ – und nicht zu vergessen die Petition, eine Tötung Bolsonaros als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. +++ Okay – der neue Bahnhof Gesundbrunnen ein beschissener Klotz, das Gesundbrunnen-Center eine architektonische Ohrfeige. Über die Leute da mag man nichts sagen, als erstes streunte einer mit Ramsan-Kadyrow-Bart umher, im Vergleich zu dem tschetschenischen Original aber weitaus weniger freundlich-gemütlich. Und dann stand mir halt tatsächlich der Anton Hofreiter gegenüber. Vom Typ her meinem Lieblingsdeutschlehrer in seinen Cordhosen damals verblüffend ähnlich – und ich dachte, der Hofreiter wird das kaum sein, eher ein Doppelgänger. Deshalb habe ich den nicht angeschaut, weil den das natürlich nervt. +++ Das Jugendwort des Jahres übrigens, Sie haben es gestern gehört: das Jugendwort ist in diesem Jahr „Smash“ – eine Nachrichtensprecherin im Radio erklärte das in etwa mit „Sexhaben“.

 

Überschrift inspired by: Partielle Sonnenfinsternis – gestern Mittag über der BRD

Überschrift also inspired by: Smash – Jugendwort des Jahres 2022

Lyrics: Say Hello, Wave Goodbye © Soft Cell, 1981

Otto Nagel (* 27. September 1894 in Berlin-Wedding; † 12. Juli 1967 in Berlin-Biesdorf), deutscher Maler – seit 1970 postum Ehrenbürger von Berlin

White Wedding © Billy Idol, 1982

Citroën DS: Modellreihe der frz. Automobilmarke Citroën, gebaut vom 4. Oktober 1955 bis zum 24. April 1975

Anton Gerhard „Toni“ Hofreiter (* 2. Februar 1970 in München), deutscher Politiker und Biologe

Ramsan Achmatowitsch Kadyrow (* 5. Oktober 1976 in Zentoroi, Tschetscheno-Inguschische ASSR), russischer Politiker und Präsident der Teilrepublik Tschetschenien

Wishing Well / Dawn of the Court Rider.

Fiktives Vinyl: Kolkmeyer – Hit und Ruinen © Kai von Kröcher, 2019/2022

 

It’s just a photograph of someone that I knew. +++ Eine Hommage (oben) heute an meinen Lieblingsdeutschlehrer, sehr guter Mann. +++ Das Haus auf dem Bild kennt man in Braunschweig als „Affenfelsen“, Studentenwohnheim der TU. Wenn man sich auf der Linksabbiegerspur einordnet und an der folgenden Ampel dann rechts – wenn die Erinnerung da nicht trügt, man müsste auf diesem Wege direkt zum Eintracht-Stadion kommen. +++ Sonntagnachmittag stieg ich ganz ohne Not Bahnhof Gesundbrunnen aus, einfach nur so – Berlin-Gesundbrunnen, auch eine Art alte Heimat. Vielleicht haben Sie beim Affenfelsen (oben) schon gedacht, wer hat denn diesen Scheiß da zusammengezimmert. Dann waren Sie in Ihrem Leben vermutlich nie am Gesundbrunnen-Center, das tut jedes Mal weh. +++ Ein junges Paar kam mir entgegen, schob einen Buggy vor sich her. Ich sah dem Mann kurz ins Gesicht, innerlich schrie ich mich an: „Nicht hinstarren!“ +++ Heute Mittag soll’s ja eine partielle Sonnenfinsternis geben, zumindest hier in Berlin – davon will ich nichts wissen. +++ Wie ging es denn nun eigentlich weiter mit dem Pärchen mit Buggy? Der Mann hatte die gleichen Cordhosen an wie damals mein Deutschlehrer (oben), groben grau-grünen Cord – deshalb komm‘ ich da drauf. Was mich komplett allerdings aus der Bahn warf: der Mann war Anton Hofreiter. +++ Stimmt nicht.

 

Überschrift inspired by: Wishing Well © Free, 1972

Überschrift also inspired by: Dawn of the Dead © George A. Romero (Drehbuch, Regie), USA/I 1978

Lyrics: New York Mining Disaster 1941 © The Bee Gees, 1967

Affenfelsen: Hochhaus mit maximal 14 Stockwerken und 672 Wohneinheiten, bestehend aus 1- bis 3-Zimmer- und einigen WG-Wohnungen – 1975 im Stile des Brutalismus erbaut

Damien / New York Mining Disaster 1941.

 

Fiktives Vinyl: Damien – Auf die Gier folgt die Panik © Kai von Kröcher, 2013/2022

 

You’re all that’s left to hold on to, I’m still waiting. +++ Die Jüngeren unter uns werden sich nicht mehr erinnern, aber heute vor exakt neunundfünfzig Jahren fand etwas statt – und „stattfinden“ ist dabei der denkbar falscheste Ausdruck. Ein halbes Jahr ziemlich genau vor meiner Geburt, und beinahe vom Feeling her fühlt es sich an, als hätte ich die Bilder von damals noch immer in mir. +++ Das Cover (oben) hatten wir irgendwann hier schon einmal, doch drückt es die Stimmung von damals aus wie kein zweites. Unsere Gegend war ja nun eher ein Land, das von der Landwirtschaft lebt: Ackerbau, Automobilbau, das waren die Säulen. Sägewerke zum Beispiel gab es im Umkreis auch, obwohl man „wald“ bei uns nicht einmal groß schrieb. Wenige Kilometer südlich, wenn man hier außerhalb des Bildes scharf links an der Schmiede vorbei in den Engelnstedter Weg einbiegt, da gab es die Reichswerke Hermann Göring, die wurden tatsächlich immer noch so genannt. Im Rücken des Fotografen liegt nächtlich-verlassen der Sportplatz, hier habe ich tausende von Nachmittagsstunden akribisch verkickt. Und wenn man nicht abbiegt, der Straße stattdessen nach links weiter folgt, die Ortschaft nach Westen verlässt – in ungefähr fünf Minuten mit dem Auto ist man in Lengede. +++ Sogar in Berlin gibt es – das muss da in Reinickendorf irgendwo sein, oberhalb vom Kurt-Schumacher-Platz. Da gibt es eine Lengeder Straße, das hatte im Zufall mich einmal erstaunt: Lengede hat ja nun gerade einmal vielleicht 5.000 Einwohner und liegt 250 Kilometer westlich von Reinickendorf im flachesten Niedersachsen. +++ Lengede war Bergbau, früher jedenfalls, obwohl es bei uns keine Berge gab – und heute vor 59 Jahren stürzte der Schacht Mathilde ein. Es gab viele Tote, es gab aber auch eine dramatische Rettungsaktion, die sich über Tage hinzog und weltweit verfolgt worden ist – ein paar wenige Bergleute hatten sich in einer Luftblase vor einflutenden Wassermassen gerettet, die haben darin überlebt. Wurden unterirdisch geortet. Und schließlich gerettet. +++ Verfilmt worden ist Das Wunder von Lengede später mit Heike Makatsch und Nadia Uhl. Heino Ferch – und ich glaube auch Jan Josef Liefers. Katharina Wackernagel und dem mürrisch dreinblickenden Georg-Maria Halmer (?) als mürrischem Grubenchef oder so. Insgesamt super besetzt. Ich erinnere mich, auch die Requisite muss ganz tolle Arbeit geleistet haben – im Film trinken da alle das originale Wolters Pilsener in den originalen Flaschen von damals, man kann die Zeit förmlich schmecken. +++ An genau diesem Tag, als der Schacht Mathilde einstürzte und einen ganzen Landstrich in die Verzweifelung riss. Genau an diesem Tag nämlich, einige tausend Kilometer weiter östlich im fernen Kirgisien (Kirgisistan/Anm.d.Red.) – im finsteren Reich der Finsternis – erblickte mein Kumpel der Russe das Licht der Welt. Auch wenn er diese Zeilen hier wahrscheinlich eher nicht lesen wird, möchte ich ihm auf diesem etwas verschlungenen Wege doch alles Gute wünschen. Weil wir uns so selten nur sehen – und wenn wir uns sehen, weil wir dann immer denken, ach schade, dass wir uns so selten nur sehen. +++ Und Red Hill Mining Town dürfte durchaus mein heimlicher Lieblingssong von U2 sein, das darf man ja heute schon gar nicht mehr sagen…

 

Überschrift inspired by: Auf die Gier folgt die Panik © Damien, 2022

Überschrift also inspired by: New York Mining Disaster 1941 © The Bee Gees, 1967

Lyrics: Red Hill Mining Town © U2, 1987

Das Wunder von Lengede (2-teiliger Fernsehfilm mit u.a. Sylvester Groth, Armin Rohde, Axel Prahl und Martin Brambach als Otto) © Sat.1/Kaspar Heidelbach (Regie), D 2003

Web of Wicked Ways / Wenn’s gut werden muss.

Fiktives Vinyl: Andy Morricone – Im Kiefernwald fanden sie Holzkreuze © Kai von Kröcher, 2017/2022

 

It’s so hard to tell the truth so today I lie. +++ Aus der Abteilung Schnellmerker des Monats: Was bedeutet eigentlich „No Woman, No Cry“? Summte es beim Frühkaffeekochen eben vor mich hin und Fragen stellten sich ein. +++ Ohne Fragen keine Antwort, sage ich immer. +++ Neulich habe ich mich lange mit Andy unterhalten (Morricone/Anm.d.Red.), ich meinte, ob er das eine gute Idee findet. Den Albumtitel, meine ich: „Die Stadt, die niemals schläft“ zum Beispiel hätte ich besser gefunden – aus der Politik sollte ein Künstler sich raushalten. +++ Apropos, da fällt mir eine Sache noch ein. Auf dem Parkplatz der Neuen Welt neulich, ich kam gerade bei Bauhaus raus. Was hatte ich denn gekauft, 180er Schleifpapier und einen billigen Pinsel, das interessiert Sie ja nicht. Da rief mich von weitem ein Künstler, den ich hiermit schön grüße – er wollte gerade zu Bauhaus rein, kleine Nägel besorgen. Ich glaube, „Nägel“ sagt man gar nicht mehr, wie man auch „Schraubenzieher“ und „Zollstock“ nicht mehr sagt. Ich musste da gleich an diesen Bruce-Springsteen-Song denken, weil ich ja schon drin gewesen war, und er wollte erst noch rein: Glory Days, glaube ich, vom 84er Album Born in the USA, das wird ja auch immer von Dummköpfen missverstanden: He was walking in, I was walking out, oder umgekehrt. Jedenfalls, meinte er, meine fiktiven Cover, die seien ja alle schon ganz schön Moll. Ich habe da später noch lange drüber nachdenken müssen: Das stimmt natürlich, aber vielleicht bin ich auch einfach eher The Sound als, sagen wir mal, Swing Out Sister – einen alten Zausel verpflanzt man nicht mehr, wie man so sagt. +++ Und Moll ist das neue Dur…

 

Überschrift inspired by: Web Of Wicked Ways © The Sound, 1987

Überschrift also inspired by: Wenn’s gut werden muss (Werbeslogan) © Bauhaus, ca. 2016

Lyrics: I Lie © Konni Kass, 2016

No Woman, No Cry © Bob Marley and the Wailers, 1974

Glory Days © Bruce Springsteen, 1984

You On My Mind © Swing Out Sister, 1989

Boum / Die Straßen von San Francisco.

Fiktives Vinyl: Florence Przybylski – Der Tod ist immer auch ein Abschied © Kai von Kröcher, 2015/2022

 

Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück. +++ Vermutlich werde ich Ihnen jetzt noch eine ganze Weile auf den Geist gehen mit meinem desperativen Windmühlenkampf gegen die Baureihe 483/484, und zu Recht werden Sie fragen: Was hat er bloß immer mit seiner Baureihe 483/484?! +++ „Die Kabarettistin Lisa Eckhart hat einen wilden Paris-Roman geschrieben, der beim besten Willen nicht zu verstehen ist“, schreibt die Wochenzeitung Die Zeit. Wild ist doch schon mal gut, und verstehen tun sowieso meistens die Leute eh nur die Hälfte. Nein, ohne Quatsch – immer mal wieder wird man gefragt: „DJ Kröch, meinst du das ernst mit der Lisa Eckhart, dass du die scharf findest? Oder ist das ironisch gemeint?“ Um jetzt ganz ehrlich zu sein, ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten – aber gebunden oder als Hörbuch: den Roman dürfen Sie mir gerne zu Weihnachten schenken. +++ Als erstes Medium überhaupt hier die Platte Der Tod ist immer auch ein Abschied öffentlich präsentieren zu dürfen, da muss ich schon sagen! Florence Przybylski zählt insgeheim eh zu meinen Lieblingen in der Sparte deutscher Candy-Dance-Pop. Allein schon der Titel in seiner modernen Schreibweise ohne Vokale. Dr Td st mmr ch n bschd – ein bisschen wie bei Loriot der Sketsch mit dem Hund: Ihr Hund kann gar nicht sprechen. Die berechtigte Frage hier natürlich, hätte konsequenterweise die Interpretin nicht ebenfalls auf ihre Kosmonauten beschränkt werden müssen? Ich sage Ihnen jetzt etwas ganz im Vertrauen: Ich mag es nicht, wenn Menschen auf eine einzige Sache reduziert werden, das lenkt vom Eigentlichen ab! Florence Przybylski zum Beispiel ist das, was wir alten weißen Männer früher „eine Granate“ genannt hätten – stattdessen zeigt sie auf ihrem Cover einen überfahrenen Fuchs. +++ Okay, was ich zu „meiner“ Baureihe 483/484 noch sagen wollte, da bin ich echt penetrant. Erinnern Sie sich, wie Til Schweiger damals dem Tatort im Ersten ein neues Outfit verpassen wollte? Nach dreihundert Millionen von Jahren den Vorspann abändern, eine ganz neue Titelmelodie. Obwohl, wie wir (fast alle) wissen, Udo Lindenberg damals da Schlagzeug gespielt hat. Das wollte außer Til Schweiger natürlich kein Mensch, und so ist es bei der alten Musike geblieben. Oder stellen Sie sich vor, irgendein Depp sagt, geil, die amerikanischen Polizeiautosirenen sind doch viel cooler als unsere hausbackenen deutschen – die kennt man sogar aus dem Fernsehen! +++ Baureihe 483/484 (Abfahrtsignal) – FUCK OFF!

 

Überschrift inspired by: Boum (Roman) © Lisa Eckhard, 2022 (Hanser)

Überschrift also inspired by: Die Straßen von San Francisco (The Streets of San Francisco, Fernsehserie mit Karl Malden, Michael Douglas) © ABC, USA 1972 – 1977 

Lyrics: Irgendwo auf der Welt © Comedian Harmonists, 1932 (M: Werner Richard Heymann, T: Robert Gilbert)

Makakenschredder / Nachtzug D 106.

Fiktives Vinyl: Cadillac Frank – Makakenschredder © Kai von Kröcher, 2017/2022

 

I like Campari soda, I’d can can if I could. +++ Erinnern Sie sich an Cadillac Frank? Ich selber war nie dabei – alles längst kaum mehr wahr, die Neunzigerjahre. +++ Wo ich Franziska Giffey vielleicht aber doch Recht geben muss: Die Baureihe Dingenskirchen fährt schon auffallend weich, beinahe schwebt sie. Im krassen Gegensatz dazu dieses kreissägende Abfahrtssignal – als flankierende Maßnahme würde ich Stroboskopblitze empfehlen. Und wer es dann noch immer nicht mitbekommen hat: kurz vor der Abfahrt die Türen unter Strom setzen. +++ Sie kennen mich: Ich hole mir meine Inspiration auf/von der Straße. Als ich die Karl-Marx-Straße gestern entlang mäanderte, meinen Blick schließlich dem Himmel zuwandt. Eine einmotorige Propellermaschine zog über den Dächern Neuköllns ihre Runden – und ein Transparent hinter sich her. Werbung fürs iPhone 37, dachte ich so im Scherz. In fetten Lettern stand da stattdessen aber zu lesen: „VIRUS LÜGE“. +++ Ist ja lustig: das Coverfoto heute von Cadillac Franks Makakenschredder (oben), das war damals auch an der Karl-Marx-Straße entstanden – im Parkhaus unter dem Klunkerkranich. Was ihn beim Album-Titel aber geritten hat, erschließt sich mir nicht komplett. +++ Vielleicht hole ich mir auch so ein Kleinstflugzeug – der Einfachheit halber eine Cessna oder ’ne Piper, ich habe da echt keine Ahnung. Was fliegt denn der Merz? So ’n Teil ungefähr werde ich mir für den Nachmittag kurz einmal ausleihen, eine Iljuschin Il-103 – und auf dem Transparent hinten dran: „BAUREIHE 483/484 – FUCK OFF!“

 

Überschrift inspired by: Makakenschredder © Cadillac Frank, 2022

Überschrift also inspired by: Nachtzug D 106 (Fernsehfilm mit Klaus Schwarzkopf) © Helmut Ashley (Regie)/ZDF, D

Lyrics: U Can Dance © DJ Hell feat. Bryan Ferry, 2009

Backstabber / Pest Reject Pro.

Fiktives Vinyl: DJ Doppelmoral – Weil er Whisky/Cola trank © Kai von Kröcher, 2011/2022

 

Cybertruck, am besten von Tesla – we can talk about everything. +++ Mein Plattencover heute schielt auf den Mainstream, so was verkauft sich rein über die Optik. Den Titel hatte ich irgendwo mal beim Markendiscount aufgeschnappt: Da sagte ein offensichtlich eher Gestrandeter zu einem anderen offensichtlich eher Gestrandeten. Sie unterhielten sich über einen abwesenden Dritten. Und der eine meinte zu dem anderen – irgendwie anerkennend sagte er das. Er meinte, der Dritte, über den sie da sprachen, der trinke wohl Whisky/Cola – eine Art Signature Move. +++ Das Coverfoto entstand – vermutlich haben Sie es am Straßenpflaster schon erkannt: Im Sommer 2011 gelang mir dieser Schuss während einer Stadtführung in Dresden. +++ Ein wenig unangenehm ist mir das schon, wer will schon Wutbürger sein. Und gibt es ein spießigeres Thema als die Berliner S-Bahn? Aufregen über Zugverspätung und -ausfälle? Aber ist Ihnen in den ganz neuen Zügen das Abfahrtsignal einmal aufgefallen? Es kann Ihnen gar nicht nicht aufgefallen sein: Frequenz-Terror par exellence – der verantwortliche Sound-Designer muss aus der Schädlingsbekämpfung kommen. Franziska Giffey beschreibt die Baureihe als „hervorragende Werbung für den Umstieg vom Individualverkehr“ – selten hat jemand größeren Unsinn erzählt. +++ Eine Petition werde ich starten – mein altes Daaa-Düüü-Daaa will ich zurück!

 

Überschrift inspired by: Backstabber © The Dresden Dolls, 2006

Überschrift also inspired by: Pest Reject Pro – Schädlingsvernichter (Elektromagnet- und Ultraschalltechnologie, ohne Chemie), 24,90 € bei Bauhaus

Lyrics: Nahuel Huapi © Bilderbuch, 2021

S-Bahn Berlin: Baureihe 483/484