Dans le port d’Amsterdam / Ich möcht‘ in deinem Wald der Oberförster sein.

Oktapolare Fotografie: Pellworm, Hafen © Kai von Kröcher, 2021

 

Would they drop the bomb on us while we made love on the beach. +++ Da hatte ich jetzt also einmal nachfühlen können, wie es gewesen ist, damals ein Beatle zu sein. Und nicht nur so auszusehen: „Siehst aus wie ein Beatle!“ +++ Okay. +++ Was wollte ich sagen: Eine Galeristin in Treptow neulich hatte das Gespräch auf einen Nebenschauplatz gelenkt und meinte, wie interessant sie die Oktapolaren Fotografien doch fände. Das überraschte mich sehr, normalerweise geht niemand auf diese Bilder ein. Es wirkt immer ein wenig, als wolle man ein unangenehmes Thema partout bloß nicht anschneiden müssen, dabei sind die Bilder nicht schlecht. +++ Mick Jagger hatte mal erzählt – also, er hat es nicht mir erzählt, ich hatte das nur vor hunderten Jahren gelesen. Mick Jagger erzählte, er habe sich mal einen Smaragd in einen der halbseitlichen Schneidezähne implantieren lassen, in einen der Eckzähne. Er fand das eine Spitzenidee, doch dann sprachen ihn immerzu Leute an, Frauen vermutlich, mit denen er essen war oder so. Die hätten dann unangenehm berührt so was gesagt, wie: „Äh, Mick – du hast da irgendwie noch einen Rest Spinat zwischen den Zähnen hängen.“ Da hat er sich, glaube ich, an der Stelle einen Diamanten einsetzen  lassen. +++ Jedenfalls liege ich gerade leicht angeschlagen mit ich weiß nicht im Bett, und da habe ich heute in Rekordzeit ein neues oktapolares Bild zusammengezimmert. „Oktapolare Fotografie“ – hatte ich mal erzählt, woher dieser Begriff kam? Der Plan war ursprünglich gewesen, ein Bild aus acht einzelnen Fotos zu konstruieren, das ist alles. +++ Weil ich gerade ein wenig Muße habe, hatte ich mal ein paar ältere Festplatten durchforstet und war auf die Aufnahmen da vom Hafen gestoßen (oben). Jeder anscheinend weiß, dass Jacques Brel kein Franzose ist, sondern Belgier, aber kennen Sie zufällig noch das Lied von Tony Marshall: Ich möcht‘ in deinem Wald der Oberförster sein? Und wenn ja, was mag er sich wohl dabei gedacht haben? +++ Die Schuhe, die ich da auf dem Bild trage, das sind Leinenschuhe der Marke Veja: so welche hatte ich immer schon mal haben wollen, die Nordsee aber tat ihnen nicht gut.

 

Überschrift inspired by: Amsterdam © Jacques Brel, 1964

Überschrift also inspired by: Ach laß mich doch in deinem Wald der Oberförster sein © Tony Marshall, 1983

Lyrics: Born in the 50’s © The Police, 1978

Tony Marshall (* 3. Februar 1938 als Herbert Anton Bloeth in Baden-Baden; † 16. Febraur 2023 in Baden-Baden), dt. Schlagersänger und Ehrenbürger von Bora Bora

Every Breath You Take / Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war.

Oktapolare Fotografie: A Ecke O, zwei Tage vor Weihnachten © Kai von Kröcher, 2022 (Screenshot)

 

Standin‘ on the corner, suitcase in my hand. Jack is in his corset, Jane is in her vest – and me, I’m in a rock ’n‘ roll band. +++ Manch einer weiß es, andere wissen es nicht: In einem längst verklungenen Leben bin ich mal Popstar gewesen. Selbst das Internet erinnert sich nicht, doch das macht es noch lange nicht unwahr – im Gegenteil! In den Achtzigerjahren war ich leibhaftig Sänger der damals wohl populärsten New-Wave-Band der mittleren Großstadt BS, ganz ohne Quatsch. Besonders doll singen konnte ich technisch betrachtet jetzt vielleicht nicht, irgendwie aber passte in dieser Band doch so überdurchschnittlich viel zusammen, dass der nationale bis internationale Durchbruch dort für den mittleren Großstädter längst beschlossene Sache schien. +++ Vorletzte Nacht schlief ich bei sperrangelweit geöffnetem Fenster. Im Herbst ist das oftmals ein regelrechter Zwang, wenn draußen die Luft nach Agenten schmeckt – die Decke muss warm sein, da schlafen Sie wie ein Stein. Um sieben am Morgen wurde ich von Geschrei geweckt. Ich hörte meinen Nachbarn zwei Stockwerke über mir brüllen: „Nimm deinen Scheiß und verzieh dich, sonst komm ich dir runter!“ Verstohlen trat ich ans Fenster. Auf dem Bürgersteig stampfte eine Art wütendes Wesen wie aufgezogen herum, einen Seesack vor unserer Tür abgestellt. Gerade als mir ein Licht aufging, schrie sie (die Frau, als die sie sich entpuppte/Anm.d.Red.) mit tiefer, unheimlicher Stimme einen Namen, den ich irgendwo schon gehört hatte: „Kai von Kr***er, Braunschweig!“ Den Nachnamen spie sie irgendwie falsch aus, dafür rannte sie unbeirrt auf unsere Haustür zu und im selben Moment schellte bei mir oben die Klingel. +++ Okay, ich klär‘ das mal auf: Vor etwa zehn Jahren schickte mir in den sozialen Netzwerken eine Frau, die ich nicht kannte, eine Nachricht. Sie outete sich als ein Fan von damals aus Braunschweig. Ich fühlte mich amüsiert bis geschmeichelt, antwortete freundlich. Habe die Sache dann wieder vergessen. Bis meine Barkeeperlegenden im ruhmreichen club49 seinerzeit von einer offensichtlich nicht ganz richtig im Kopf seienden Frau berichteten. Die sei in die Kneipe gekommen war und habe sich als Fan von mir von früher aus Braunschweig gebrüstet. War sämtlichen Gästen schwer auf die Nerven gegangen. Ich selber bin ihr zu der Zeit nie begegnet, habe dann später durch Zufall aber erfahren, dass sie wohl regelmäßig im Grand Hotel Viktor Urbán residiert, psychiatrische Abteilung, Station 3 oder 4. +++ Letztens bin ich morgens mit meinem Sohn auf den Rasen vorm Urban kicken gegangen, Torwarttraining und so – rechts, links, unten und oben. Da brüllte jemand vor dem Urban mit einer tiefen, irgendwie geistesgestörten Stimme meinen Namen. Otto und ich haben das Weite gesucht. +++ Das erinnert mich gerade dunkel an Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war, diesen Roman von Joachim Meyerhoff. Ich weiß nicht, ob das Buch autobiografische Züge trägt, sein Vater ist darin Chef einer psychiatrischen Klinik und sie wohnen auch dort auf dem Gelände zwischen all den Patienten, was sich charmant und sehr witzig liest. Für Ortsunkundige sollte ich erklären, dass sich das Grand Hotel Viktor Urbán mit seiner psychiatrischen Abteilung vis-à-vis unserer Wohnung in den Himmel kratzt und seine Insassen gerne davor und am Kanal flanieren, während sie rauchen. +++ Das wird aber wieder eine lange Geschichte. +++ Meinem Sohn hatte ich vor ein paar Wochen mal einen Song vorgespielt, ich dachte, es sei jetzt mal an der Zeit: „Rate mal, wer das ist!“ Das hatte ihn ehrlich erstaunt: „Weiß Mama, dass du in einer Band warst?!“ Eher wohl nicht, ich bin mir da gar nicht so sicher – man darf die Vergangenheit gern auch mal ruhen lassen! +++ Mein Nachbar von oben jedenfalls dürfte gestern wohl direkt aus dem Bett gekommen sein, die Frau aus dem Urban beschimpfte ihn lauthals als Nazi-Opa, ich konnte ihn ja nicht sehen: „Nackt auf dem Balkon, du Schwein – ich bin eine Frau!“ Dann lief sie aufgeregt über die Straße, krakelte maskulin derb wie ein albanischer Kettenraucher immerzu „Mörder!“ und „Helfe!“ (sicherlich meinte sie „Hilfe“, schrie aber „Helfe“). +++ Und damit, wie ich abends immer zu meinem Sohn sage, ist die Geschichte zu Ende. Nur eine Sache noch kurz: Im letzten Jahr hatte sie tatsächlich einmal direkt vor meiner Wohnungstür gestanden. Unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand hatte sie geklingelt bei mir geklingelt: „Kai von Kr***er – ich wollte nur fragen, ob die Oma von Dieter* hier noch im Haus wohnt!“

 

Überschrift inspired by: Every Breath You Take © The Police, 1983

Überschrift also inspired by: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (Roman) © Joachim Meyerhoff, 2013

Bildunterschrift inspired by: A Ecke O © Winson, 2004

Lyrics: Sweet Jane © The Velvet Underground, 1970

La Petite Mort (* 1982 in Braunschweig; † 1989 ebenda), New-Wave-Band

Klinikum Am Urban | Dieffenbachstraße 1 | 10967 Berlin

The Lunatics (Have Taken Over The Asylum) © The Fun Boy Three, 1981

* oder von Jens, von Klaus, von Bernd oder von wem auch immer

 

 

Up the Hill Backwards / The Greenhouse Effect.

Oktapolare Fotografie: Baad, Vorarlberg* – Porträt eines Berliner Jungen in den Bergen  © Kai von Kröcher, 2024

 

Die See ist schwer gereizt an diesem Winternachmittag, der Himmel wie mit altem Holz vernagelt. +++ Wie Sie wissen, hielt ich mich Mitte Juni bei meiner Nichte im österreichischen Teil des Allgäus auf. Dieses Alpenpanorama oben zum Beispiel, bestehend aus 110 Einzelaufnahmen, ist bei einer Auflösung von 300 dpi zwei Meter siebzig breit und achtzig Zentimeter hoch. Das interessiert, denke ich, den Leser allenfalls peripher, doch meinen in die Jahre gekommenen „Rechner“ zwang es nahezu in die Knie. +++ Ja, der oder das Laptop rechnete sich oftmals den sprichwörtlichen Wolf und brauchte etwa acht Stunden für das fervackte Bild, allein immer zum Zwischenspeichern. Man sollte das Foto aufblasen zu einem gigantischen Wandfries – über der Suhler Jagdhütte vielleicht, Fassade am Haus der Statistik. Während des zähneknirschenden Wartens irgendwann schoss mir aus vollkommen heiterem Himmel eine Geschichte von früher in den Sinn. Tauchte einfach so auf vor dem geistlichen Auge. +++ Da werde ich um die fünfzehn gewesen sein, mit meiner Band Regenmantel mit Manzur, Knille und Charles plus unserem Manager Todd Koslowski hatten wir uns nach einer Probe im leerstehenden Hühnerstall gegen Sonnabendspätnachmittag in den Linienbus 29 gesetzt und waren vom Dorf in die heimliche Großstadt BS – in der Bambule ein Punk-Konzert zu besuchen, genauer gesagt von den Bombed Bodies. Bis der Punk endlich abging, mäanderten wir kurz nach nebenan auf eine Coca-Cola in die Anarcho-Spelunke namens Treibhaus. Als Fünfzehnjährigem fehlt einem glücklicherweise jegliche Selbstreflexion, im Stimmbruch mit den halbpubertären Kumpels in einem Punkschuppen der heimlichen Großstadt zu sitzen und Cola zu trinken. Unbeirrt hingen wir an unserem Tisch und nippelten an den Gläsern. Da geschah etwas Unerwartetes, das bleibenden Eindruck hinterlassen und in unseren aktiven Wortschatz eingehen sollte. Vier versprengte, sogenannte Alternative in so Spätsiebziger-Alternativenklamotten betraten den Laden wie einen Saloon. Wie einen Saloon vielleicht eher nicht, aber egal. Setzten sich an den Nachbartisch, bestellten vier Bier. Und saßen da rum. Achtung, und jetzt kommt’s! Also, erstmal kam das Bier, das stand jetzt vor ihnen am Tisch. Und dann geschah erst einmal immer noch nichts. Plötzlich dann aber doch, da nämlich steht ein gestandener Punk unaufgeregt auf, schlurft zu den Alternativen, baut sich vor ihrem Tisch auf – und sagt schmucklos, doch beeindruckend nachdrücklich, diese neun Worte: „Wanzenpack, fünf Minuten für das Bier – und dann raus!“ +++ Ein Satz wie ein Keulenschlag, in Fels geritzt für die Ewigkeit.

 

Überschrift inspired by: Up the Hill Backwards © David Bowie, 1980

Überschrift also inspired by: The Greenhouse Effect © Plan B, 1989

Textauszug aus: Zur See (Roman, angeblich) © Dörte Hansen, 2022

Suhler Jagdhütte | Haus der Statistik | Hans-Beimler-Str. 70 | 1020 Berlin/Hauptstadt der DDR

Freizeitpunk © Regenmantel, 1979

Bombed Bodies: Braunschweiger Punkbank um Pedder Teumer mit Kat und Pelle (Vorgängerband von Daily Terror)

Bambule | Kastanienallee | Braunschweig

Da geht der Punk ab © Yasmin Gate, 2014

Treibhaus | Kastanienallee | Braunschweig

*) it’s so bad, it’s spelled with two A

The Wedding / Six Times A Lady.

Oktapolaris: Autobahnauffahrt, Dreieck Funkturm/ICC (feat. Greta Kurita) © Kai von Kröcher, 2021

 

„Begabung ist ein Versprechen, das selten eingelöst wird. Begabung ist nicht mehr als die erste Stufe auf dem Weg. Es gibt genügend Leute, die Talent haben – aber trotzdem nichts zustande bringen. (…) Die Leute scheitern, weil sie Haupt- nicht von Nebensachen unterscheiden können. Die Leute scheitern, weil es ihnen an Durchhaltevermögen fehlt: Sie brechen ab, kapitulieren, werfen die Flinte ins Korn – die armen Schweine!“ +++ Leider vermag ich meine eigene Wertigkeit nicht zweifelsfrei einzuschätzen, aber das Bild heute (oben) sollte sich hinter dem bekannten Künstler Picasso zum Beispiel erst einmal nicht verstecken müssen. +++ Auf dem zu Recht oder zu Unrecht vermutlich wenig beachteten Album White Tie, White Noise findet sich ein Song namens The Wedding, den mochte ich immer sehr gern – umwerfend sentimentales Saxophon-/Bass-Zusammenspiel. +++ Der Post heute trägt ebenfalls sentimentale Züge, das hat speziell mit der Oktapolaren Fotografie oben zu tun. Nicht genug, dass meine Ziehtochter der grobgefasst mittleren Neunzigerjahre aus der Mauerstadt letztens nach Hamburg gezogen ist: Neulich bekam ich eine Einladung zu ihrer Hochzeit in jener Freien und Hansestadt dort am heutigen Donnerstag. Noch gar nicht so lange her, da habe ich Radfahrenlernen geübt mit ihr oben am Prenzlauer Berg. +++ Ein Schuft, der an dieser Stelle weder an Herman van Veen denken muss, noch eine Träne verdrückt. +++ Wo wir übrigens schon beim Thema sind, ist Herman van Veens Kleiner Fratz eine Coverversion, und davon hatte ich bis eben nicht die Spur eines Schimmers: Im englischen Original heißt das Stück Girl On A Bicycle und stammt von Ralph McTell, der hatte ja später dann auch das großartige Streets of London gesungen, wobei ich bei der holländisch-deutschen Version von Girl On A Bicycle immer einen definitiv dickeren Kloß im Hals habe als beim Original – gar keine Frage!

 

Überschrift inspired by: The Wedding © David Bowie, 1993

Überschrift also inspired by: Three Times A Lady © Commodores, 1978

Textauszug: Georg Roth, 51, promovierter Wirtschaftsanwalt, in Ein Sommer in Niendorf (Hörbuch, gelesen vom Autor himself) © Heinz Strunk, 2022

Pablo Picasso (* 25. Oktober 1881 in Málaga, Spanien; † 8. April 1973 in Mougins, Frankreich), span. Künstler 

White Tie, White Noise © David Bowie, 1993

Kleiner Fratz © Herman van Veen, 1973 (Cover)

Girl On A Bicycle © Ralph McTell, 1969

Streets of London © Ralph McTell, 1974

Sex & Drugs & Rock ’n‘ Roll / Mein schönstes Ferienerlebnis.

Stadion An der Alten Försterei: In ist, wer drin ist © Kai von Kröcher, 2024 (Handyfoto)

Olympiastadion Berlin: DFB-Pokal-Finale Bayer 04 Leverkusen gegen den 1. FC Kaiserslautern © Kai von Kröcher, 2024 (Handyfoto)

 

Keep your silly ways or throw them out the window. +++ Hier direkt eine Spoilerwarnung, wie man neu-deutsch so sagt: Auch der heutige Post wird keine (oder zumindest nur geringe) Spuren von Sex, Drugs oder Rock ’n‘ Roll enthalten – einmal mehr dreht sich alles um Fußball und Kinder. +++ Und Rudi Dutschke. +++ Kurz erzählt, hatten mein Sohn Otto und ich uns zum letzten Spieltag der Bundesliga aufgemacht in die Wuhlheide. Für Union ging es um die Wurst, der Abstieg war zum Greifen nah. Natürlich hatten wir keine Karten, das Stadion war ausverkauft wie immer, die Karten werden unter den Mitgliedern verlost. Vorm Stadion futterten wir eine Stadionwurst, setzten uns auf einen Baumstamm im Wald und lauschten den Gesängen von drinnen. Aufs Handy schaute ich nicht, wir zogen die Nummer Old School mäßig durch. Meinen Sohn nahm ich auf die Schultern, achtzehn Kilo, gefühlt fünfzig, und wir stellten uns an den Zaun an der Stelle, wo man, wenn man bei irgendwem auf den Schultern sitzt, zumindest einen Blick auf ein winziges Stückchen Rasen erheischen kann. Otto kommentierte für mich: „Jetzt laufen sie da hinten.“ Wir bekamen mit, dass Union einen Elfer verschoss – wie es auf den anderen Plätzen aussah, wussten wir nicht. +++ Um die Geschichte auf Sportschau-Länge zusammenzuschneiden, springen wir zur Mitte der zweiten Halbzeit: Es dürfte die sechzigste Minute gewesen sein, da trat von innen ein älterer Herr im Anzug zu uns an den Zaun. Nicht zu einem der anderen dreißig oder vierzig Fans da draußen – nein, zu uns: „Wollt ihr reinkommen?“ Er habe noch eine Karte übrig, die brauche er nicht – wir müssten nur rüber zum Einlass kommen, er ließe uns rein. Ich zauderte: „Aber wir sind doch zwei?!“ Er meinte, egal, Otto käme schon so rein. +++ Das war die Geschichte, unglaublich – wir waren tatsächlich drin! Gerade als wir Richtung Tribünen gingen, konnte ich über den Köpfen der Leute den oberen Winkel des Tores sehen, Latte und Pfosten, und genau in dieser Sekunde schlug der Ball in den Maschen ein – 1:0 für Union! Ich sprang dem Mann um den Hals, ob er ein Bier möge. Wir stießen an. Wo wir her seien, wollte er wissen, er komme aus Luckenwalde: „Da, wo Rudi Dutschke geboren ist.“ Dann zeigte er nach oben zum VIP-Bereich über der Haupttribüne: „Ich muss mal zurück zu meinen Freunden!“ +++ Kurz vor Schluss glich Freiburg noch aus. Union musste jetzt in die Relegation, bekam in der Nachspielzeit aber noch einen zweiten Elfmeter. Viel konnte ich nicht sehen, nur, dass den irgendeiner wieder verschoss – Schockstarre, das konnte nicht wahr sein! Sekunden später ein Schrei aus zwanzigtausend Kehlen: der Nachschuss war drin, Union war gerettet. +++ Der Post heute geht etwas länger, gegen Ende tritt dann sogar Rudi Völler auf. +++ Am Tag nach dem Spiel fuhren wir spontan zum Endspiel der Frauen um den Berliner Pokal – 1. FC Union gegen Viktoria 1889, Volksparkstadion Mariendorf. Wir standen gerade am Bierstand an, da traf Christian Arbeit im Stadion ein und gesellte sich zu zwei Frauen direkt hinter uns in der Schlange. Er erzählte von seinem Abend nach dem Freiburg-Krimi: „Beim Aufwachen hatte ich eine Taxiquittung auf meinem Handy – ich kann mich weder erinnern, dass ich eines bestellt habe, noch dass ich in einem gefahren bin.“ +++ (Christian Arbeit ist der Pressesprecher von Union, bekannt u.a. aus dem tollen Kinofilm Die besten aller Tage.) +++ Gestern Nachmittag stieg ich irgendwo in die U-Bahn ein. Alles war voll mit Fans des 1. FC Kaiserslautern und ein paar versprengten Leverkusenern. DFB-Pokal-Endspiel. Die Lauterer sahen aus, wie man sich gemütliche pfälzer Familienväter mit ihren Muttis vorstellt, alle tranken Weinschorle aus Dosen und grölten gutgelaunt Fußballlieder: „Wir lieben dicke T*tten und den Suff, wir gehen drei Mal täglich in den Puff!“ Die Stimmung war harmlos aufgeladen – beide Fanlager neckten und unterhielten sich friedlich. Ich ließ mich anstecken und fuhr spontan mit bis Olympiastadion. (Achtung, jetzt kommt der Brüller!) Als ich aus dem Waggon stieg, kam gerade ein Haufen Leverkusener auf mich zu marodiert. Ein glatzköpfiger, zwei Meter großer Anführer zeigte auf mich und brüllte begeistert: „Und jetzt kommt da auch noch der Rudi Völler – wun-der-bar!!!“

 

Überschrift inspired by/Lyrics: Sex & Drugs & Rock & Roll © Ian Dury, 1977

Überschrift also inspired by: Mein schönstes Ferienerlebnis

Alfred Willi Rudi Dutschke (7. März 1940 in Schönefeld, Landkreis Jüterbog-Luckenwalde; † 24. Dezember 1979 in Aarhus, Dänemark), dt. Soziologe und Aktivist

Die besten aller Tage (Dokumentation über die Urs-Fischer-Jahre des 1. FC Union) © Annekatrin Henkel, D 2024

Rudi Völler (* 13. April 1960 in Hanau), dt. Fußballspieler, Nationalspieler und -trainer, Weltmeister, Geschäftsführer Sport bei Bayer 04

Es gibt nur ein‘ Rudi Völler © La Rocca, 2002

 

 

S.P.A.N.D.A.U. / Ich soll Sie schön grüßen.

Fiktive Postkarten: Spandau – Siemensstadt grüßt Jack Johnson © Kai von Kröcher, 2024

 

Soon the water will be lost in the well, lost in the well, mm, mm. +++ Wieso eigentlich ausgerechnet Jack Johnson? Im Radio vorhin lief gerade dieser Special-Lee-Scratch-Perry-Mix, als ich an der Schrift herumbastelte (oben). Und weil Jack Johnson immer so schön laid back war, ließ ich ihn einfach mal grüßen, warum nicht. +++ Tja, der Sohn sitzt zurzeit an der Nordsee – und sein Lieblingsverein spielt in Köln gleich im Radio gegen den Abstieg. Von daher werde ich mich heute kurzfassen und gleich, was ich sonst eigentlich nie mache, mit Kopfhörern aus dem Haus gehen. +++ Apropos: Kai Heimberg mit La Selmer live gestern bei radioeins fand ich ganz super, großartige Chäräkter! Ich hatte, was ich sonst eigentlich nie mache. Ich hatte Kopfhörer im Ohr und spazierte über einen menschenverlassenen Friedhof in Baumschulenweg oder so. Menschenverlassen im Sinne von von lebenden Menschen verlassen. Irgendwo stand auch ein abgemeldeter silberner, komplett eingestaubter alter Ford zwischen den Bäumen herum, das fand ich recht merkwürdig. Autofriedhof vielleicht. Jedenfalls war es toll – und im Radio sprachen La Selmer und Heimberg über ihr Buch. Eigentlich wurde mir erst in diesem Zeitfenster die Größe ihres Projekts bewusst. Falls Sie der Fotoband mit den künstlich generierten Bildern auch interessiert und Sie es vielleicht gar kaufen möchten – ich verlinke hier jetzt mal die entsprechende Seite: ifthennow.de

 

Überschrift inspired by: S.P.A.N.D.A.U. © Icke & Er, 2007

Überschrift also inspired by: Ich soll Sie schön grüßen © Möbel Hübner, Berlin (Werbeslogan)

Lyrics: Traffic in the Sky (Lee-Scratch-Perry-Dub) © Jack Johnson, 2023 (2003)

IF THEN NOW (Fotoband) © Kai Heimberg & Ulla Selmer, 2024

1. FC Köln – 1. FC Union | Müngersdorfer Stadion | 15:30 Uhr

Once Upon a Time in the West / Honolulu-Strand-Bikini.

Fiktive Postkarten: Reuter West (Siemensstadt) © Kai von Kröcher, 2024

 

In my mind and in my car, we can’t rewind, we’ve gone too far. +++ Die Meldung des Tages explodierte heute Vormittag in den sozialen Netzwerken, wenn Sie verstehen: Der Gentleman of the Year, gemeinsam mit seiner geheimnisvollen La Selmer – heute Abend zu Gast live bei radioeins aus dem Bikini Berlin. Die zwei haben einen Fotoband herausgegeben, der Hammer-erstklassige Porträts präsentiert (Ihr seid solche Fucker berichtete). Der Haken daran: die Bilder darin gibt es in Wirklichkeit gar nicht; zumindest nicht die Locations und Menschen. Um es intellektuell auszudrücken, was durchaus meine Leidenschaft ist: Die Aufnahmen sind allesamt Kompositionen, die anhand sowohl künstlerischer als auch und vor allem künstlicher Intelligenz entstanden. +++ In meiner Fotokunst dagegen, wenn ich ausnahmsweise auch einmal von mir sprechen darf, steckt die KI nach wie vor in den Kinderschuhen: Auf der fiktiven Postkarte (oben) hatte ich sie eingesetzt, eine angeschnittene Straßenlaterne aus dem Foto zu löschen. Schaut man genauer hin, fällt die Retusche recht dilettantisch aus. +++ Das nur am Rande. +++ Nach meinem Schnappschuss gestern hatte es mich, aus welchem verwegenen Grunde auch immer, übrigens an den Jakob-Kaiser-Platz gezogen. Überraschenderweise war dort alles massenhaft voll von und mit Polizei. Ich glaube, sie hatten da einen Toten, den sie mit einer Art Leinensack vor neugierigen Blicken abzuschirmen versuchten. Demonstrativ ließ ich die Hände von meiner Kamera und verschwand wie ein Maulwurf direkt wieder zurück in die U-Bahn. +++ La Selmer und besagter Kai Heimberg sind heute ab 19:35 Uhr live in der Sendung, theoretisch könnte man auch selber im Studio vorbeischauen – das aber nur ohne Gewehr (Spaß muss sein).

 

Überschrift inspired by: Spiel mir das Lied vom Tod (C’era una volta il West, Italo-Western) © Sergio Leone, I/USA 1968

Überschrift also inspired by: Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini © Club Honolulu, 1960 (Cover)

Lyrics: Video Killed the Radio Star © The Buggles, 1979

Gentleman of the Year © Beatsteaks, 2014

Bikini-Haus Berlin | Budapester Straße 38 – 50 | Berlin-Charlottenburg

radioeins – Frequenz: 95,8 MHz (Berlin, terrestrisch)

Und niemals vergessen / Immer schön auf den Opa hören.

Die politisch-satirische Postkarte (fiktiv): Kim Jong-un mit Herrenhandtasche, U-Bhf. Yorckstraße © Kai von Kröcher, 2024

 

Memory burned and gone, a multicolored gray, waiting for May to come. +++ Neulich, an der Straße oben am Südstern, hielt ein etwas größerer Kleinwagen, Einsteiger-SUV von VW. Die Fahrerin stieg aus, ging Brötchen holen beim Bäcker. Der Mann blieb auf dem Beifahrersitz sitzen, ließ gedankenverloren das Fenster herunter und starrte ein wenig ins Leere. In den Tagen des Mauerfalls, flüsterte ich Otto zu, sei der Mann da im Auto der wohl berühmteste Bürgermeister der Welt gewesen. Otto drehte sich um, hob seine Stimme mäßig beeindruckt und zeigte auf Walter Momper: „Der da?!“ +++ Vergleichsweise wesentlich spektakulärer war dann das, was mir am Montagabend spontan vor die Linse gelaufen ist (oben) – wer erinnert sich heute schon noch an den Mauerfall. +++ Boah, vorgestern ging ich den Bürgersteig runter am Planufer. Auf einmal klatschte wie aus dem Nichts ein riesiger Flatschen Vogelausscheidung direkt vor mir aufs Trottoir. Eine grünbraune Ladung wie aus einem Eimer: Ich konnte den Luftzug spüren, in der Kastanie über mir aber niemanden entdecken, es muss wohl ein Geier gewesen sein. Wäre ich einen Wimpernschlag eher aus dem Haus – ich mag es mir nicht einmal ausmalen. Daher jetzt meine Frage: So etwas passiert äußert selten, nicht? Es sitzen doch überall Vögel in den Bäumen – was hält sie wohl davon ab, einem achtlos auf den Kopf zu kacken? Stellen Sie sich vor, Sie sind auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch als, sagen wir mal, Kommunikationsdesigner bei Tommy Hilfiger. Theoretisch müssten doch ständig Leute mit Vogelschiss auf der Frisur in den Straßen herumlaufen. +++ An dem Tag übrigens, als wir zum Derby der Frauen ins Stadion An der Alten Försterei gingen, wollten Otto und ich uns vormittags noch kurz auf dem Rasen vorm Urbankrankenhaus warmschießen. Wir legten Jacken als Torpfosten ins Gras und kickten ein bisschen hin und her. Natürlich dauerte es keine vier Minuten, da kreuzte ein Mittdreißiger auf, eine frisch genähte Platzwunde über der Stirn, und meinte anerkennend, mein Enkel habe es drauf: Torwarttalent! Er selbst sei ja Torwarttrainer beim FC Internationale gewesen in Schöneberg, außerdem acht Jahre Schiedsrichter. Ungefragt zeigte er meinem Sohn, wie er die Hände zu halten hat, dass ihm kein Ball durch die Finger rutscht. Neulich hatten wir Torwarthandschuhe gekauft. Und dass man nicht mit der Pieke schießt – immer schön mit dem Innenrist! Nie kriege ich das hin, Bürgern zu sagen, sie sollen mir nicht auf die Nuss gehen – entspannt raffte ich unsere Sachen zusammen und meinte, wir müssten dann jetzt mal los. Der Torwarttrainer beugte sich runter zu Otto, klatschte ihn ab und zwinkerte ihm – knick, knack – verschwörerisch zu: „Und immer schön auf den Opa hören!“

 

Überschrift inspired by: U.N.V.E.U.

Überschrift also inspired by: Hewlett’s Daughter © Grandaddy, 2000

Lyrics: May Ninth © Khruangbin, 2024

Walter Momper (* 21. Februar 1945 in Sulingen, Provinz Hannover), dt. Politiker

Kim Jong-un (* 8. Januar 1984 in Pjöngjang), Oberster Führer der Demokratischen Volksrepublik Koreas und Oberbefehlshaber der koreanischen Volksarmee

The Long & Winding Road / What Time Is Love.

IF THEN NOW – Buchpräsentation im Admiralspalast © Kai Heimberg, 2024

 

Where hides sleep, is she watching me. +++ Machen wir es kurz: IF THEN NOW dürfte der Leitspruch der Prokrastinierer-Bewegung sein, wenn ich nicht irre. Doch jetzt ernsthaft mal Spaß beiseite, IF THEN NOW ist ein Buchprojekt, zu dem mir weitere Informationen verwehrt sind. Dessen Präsentation jedenfalls findet am Sonntag im hervorragenden Admiralspalast statt. +++ Die Geschichte zu dem Alison-Moyet-Song (oben) hatte ich schon mal erzählt, die ist sozusagen der Hammer. Warum mir der Track vor zwanzig Minuten eben aber vors geistige Auge lief, bleibt vorläufig ungeklärt. Die Geschichte zumindest liest sich wie folgendermaßen: Im Sommer ’86 hörte ich das Lied häufiger mit einem Mädchen, so was soll vorkommen. Und jetzt passen Sie auf, hier wird es kurios! Was der Titel wohl heißen mag, habe ich damals latent längere Zeit überlegt. Für mich, das war klar, ging es eindeutig darum, wo Heidschnucken-artige Tiere sich wohl hinlegen zum Schlafen. +++ 🙂 +++ Doch nun noch einmal zu IF THEN NOW: Bei dem Buch handelt es sich um ein Fotoprojekt – anscheinend irgendetwas mit künstlicher Intelligenz, bin mal gespannt. Dahinter verbergen sich keine Geringeren als der ungekünstlichte Kai Heimberg und die geheimnisumwobene La Selmer.

 

Überschrift inspired by: The Long and Winding Road © The Beatles, 1970

Überschrift also inspired by: What Time Is Love © The KLF, 1988 

Lyrics: Where Hides Sleep © Alison Moyet, 1984

1. FC Union – Hertha BSC (Frauen) | Stadion An der Alten Försterei | Berlin-Köpenick | Sonntag, 28. April | 13:00 Uhr

IF THEN NOW | Buchpräsentation | Admiralspalast | Berlin-Mitte | Sonntag, 28. April |17:00 – 20:00 Uhr

Wet Sun Between My Toes / Geschichten aus dem Paulanergarten.

Fiktive Postkarten: Olympiastadion Berlin © Kai von Kröcher, 2024

 

I’m in another body who’s in somebody else. +++ Was mir allerdings neu ist: Mit dem Slogan aus dem Werbespot jener Münchner Brauerei oben („Geschichten aus dem Paulanergarten“/Anm.d.Red.) werden auf Social-Media-Plattformen neuerdings Beiträge kommentiert, deren Inhalt man eher so für Fake-News hält. +++ Mit meinem Sohn, Sie ahnen es schon, bin ich am Montag im Berliner Olympiastadion gewesen. Natürlich fand gerade kein Fußballspiel statt. Stattdessen wurde der Rasen gemäht, das war lustig: Da kamen tatsächlich zwei Männer mit je einem gewöhnlichen Handrasenmäher und scherten zu Fuß ein um die andere Bahn – Handarbeit par exellence. Wir waren fast ganz allein im schönsten deutschen Oval, doch überall wurde gehämmert, gebohrt und geschweißt – die Fußball-Europameisterschaft steht vor der Tür. +++ Zu Hause bei uns steht neben der Union-Tasse von neulich aus Köpenick jetzt aus Charlottenburg auch eine Hertha-Tasse im Schrank – einmütig wie die Klaviertasten bei Stevie Wonder und Paul McCartney seinerzeit, nur nicht so schwülstig. +++ Zudem mache ich mir etwas Sorgen wegen des Logos auf der Postkarte oben – meinen Sie, ich werde wieder verklagt? +++ Und wie Sie sehen, sind wir anschließend noch eingekehrt und haben uns draußen vorm Stadion jeder eine ansonsten auf dem Index stehende Portion Pommes gegönnt – der eine rot, der andere weiß…

 

Überschrift inspired by: Feel It © Ciara Lea, 2023

Überschrift also inspired by: Geschichten aus dem Paulanergarten (Fernsehwerbespots) © Paulaner-Brauerei München, 2000er Jahre ungefähr

Lyrics: Alesis © mk.gee, 2024

Ebony and Ivory © Paul McCartney & Stevie Wonder, 1982