Finsterwalde / Weil ich es kann.

Leipzig feat. Gentleman of the Year (Oktapolaris) © Kai von Kröcher, 2021

 

Neben dem Kuhstall der LPG Fortschritt befand sich ein Silo, das von einer Betonmauer umgeben war. +++ Seit ich mich mit meinem Scheitern abgefunden habe, lebt es sich wie in einem Udo-Jürgens-Song! +++ Der Film hatte viele schlechte Kritiken bekommen, unkritisch aber habe ich ihn doch recht gemocht: Werk ohne Autor. Als DVD steht er merkwürdigerweise schon länger bei mir im Regal, angeschaut aber habe ich ihn mir erst gestern Abend im Fernsehen. Ich habe da so eine Psycho-Meise, Ihnen darf ich das ganz kurz gestehen: Wenn ich Sachen streame oder auf DVD sehe, fühle ich mich unendlich einsam. Wie in einem dunklen und schallisolierten Verlies – Meter unter der Erde, fernab der Zivilisation. +++ Weil die Urteile teilweise aber vernichtend ausfielen und auch Gerhard Richter himself den Streifen blöd fand, will ich mich besser nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen. Zwei Dinge nur möchte ich kurz hier erzählen: In der Szene, wo anderthalb Dutzend SS-Obersturmbannführer in etwa. Ähnlich der Wannsee-Konferenz wird hier an einer langen Tafel über den Mord an unwertem Leben entschieden, Euthanasie – das ist natürlich kein bisschen komisch. Die Gläser aber, die diese Bürokraten des Todes vor sich auf dem Tisch haben – Gruß an den Requisitör: das sind die Longdrink-Gläser der Reihe „Noblesse“ der oberpfälzischen Firma Nachtmann. Wie sie der club49 seinerzeit Mitte der Zehnerjahre als einer der ersten überhaupt eingeführt hatte. Die dann irgendwann beinahe inflationär überall in den Bars und so weiter – und jetzt hier in einer der Schlüsselszenen des Dritten Reichs. +++ Wahrscheinlich nur einer Handvoll Insidern aufgefallen. +++ Die zweite Sache: Mich jedenfalls hat der Film inspiriert, und das ist ja schon was – ein paar Mal stand ich vom Sofa auf, warf einen narzisstischen Blick auf die nun schon etwas älteren Oktapolaris-Bilder in Postkartengröße bei mir an der Wand. Egal, ob es so etwas oder so ähnlich schon von anderen gab oder nicht, ich finde sie teilweise großartig. +++ Lustigerweise spielt der Film ja anfangs in Dresden, und das Bild (oben) wurde in Leipzig aufgenommen, da schließt sich mal wieder der Kreis: Augustusplatz mit dem Gentleman of the Year – wahrscheinlich stören einfach nur diese elenden grünen Ränder, da könnten Sie sicherlich recht haben…

 

Überschrift inspired by: Finsterwalde (niedersorbisch: Grabin), mit knapp 16.000 Einwohnern bevölkerungsreichste Stadt im Landkreis Elbe-Elster (Brandenburg)

Überschrift also inspired by: Werk ohne Autor (angelehnt an Gerhard-Richter-Biografie von J. Schreiber) © F. Henckel von Donnersmarck (Drehbuch/Regie), D 2018

Textauszug aus: Düsterbusch City Lights (Roman) © Alexander Kühne, 2016

Ich war noch niemals in New York © Udo Jürgens, 1982

club49 | Ohlauer Straße 31 | Berlin-Kreuzberg

Pearblossom highway, 11-18 April 1986 ( Fotocollage) © David Hockney, 1986

 

Michael Platini / Die Synchronizität der Ereignisse.

Fiktives Vinyl: Ronnie – Gute People am Start © Kai von Kröcher, 2014/2022

 

I don’t want to be adored, don’t want to be first in line. +++ „Ein Luftreiniger also“, werden Sie sagen: „Wein predigen und Wasser trinken – den Laubbläser will er uns schlechtreden, selbst aber den Luftreiniger AC 0820/10 von Philips!“ +++ Bevor Sie jetzt mehr zu meinen Beweggründen erfahren, kurz noch was anderes: Gestern war ein ausgesprochen produktiver Sonntag in der Historie des fiktiven Vinyls. Nicht nur, dass Michael Platini sein Debütalbum („Das Verlangen“, VÖ voraussichtlich noch diesen Monat). Dass nicht nur Platini seine erste Platte also angekündigt hat; vor allem die Nachfolge-LP von Ronnie hatte es mir angetan: You’ll Dream Me in the End, allein schon das Cover – in meinen Augen ein Meisterwerk, sensationell! Diese verträumte Melodie der Melancholie – das erinnert natürlich an Hopper. +++ Ich hatte die Schallplattenhülle von Ronnie also gerade fertig – da kam über einen privaten Messangerdienst die persönliche Nachricht vom Gentleman of the Year: Ronnie Hellström gestorben, zweifellos einer meiner Torhüterhelden der WM ’74! Hellström, Maier, Tomaszewski – und jetzt tot. Die Farben der Schweden damals wie heute blaugelb – wie die von Brasilien natürlich, der Ukraine, dem Braunschweiger Turn- und Sportverein Eintracht e.V. +++ Meinen Sie, es gibt Krieg? Könnte man als Künstler, ernsthafte Frage. Könnte man sagen, lassen Sie mich in Ruhe mit Ihrem Krieg? +++ Der eigentliche Fußball-Schock in diesem Jahr allerdings – Fußball interessiert mich prinzipiell ja nur noch zutiefst peripher. Der eigentliche Schock für mich aber war, das gebe ich zu: der vollkommen unerwartete Wechsel von Kruse nach Wolfsburg. Das kam auch an einem Sonntag letztens, kurz vor dem Tatort, in der Tagesschau abends. Als Romantiker hatte ich bis dahin gedacht: beinah schon märchenhaft, wie das da passt in der Wuhlheide – die sympathischen Underdogs und der Kruse! Als Profifußballer aber hat man mit Märchen natürlich wenig am Hut. Ich kenne Max Kruse ja nicht, also jetzt nicht persönlich. Aber vielleicht gefällt ihm Wolfsburg ganz einfach besser. So als Stadt, meine ich, das könnte man ja verstehen: Die Shoppingmöglichkeiten, die Infrastruktur, das Freizeitangebot, der Italiener in der Fußgängerzone, das Zentrum, der Altersaufbau der Bevölkerung, die Jahreswagen von VW – vielleicht sagt er sich, die City ist einfach geil. +++ Und seiner Frau gefällt es auch besser in Wolfsburg als im verfickten Berlin.

 

 

Überschrift inspired by: Das Verlangen © Michael Platini, 2022

Überschrift also inspired by: Carl Gustav Jung (* 26. Juli 1875 in Kesswil, Schweiz; † 6. Juni 1961 in Küsnacht, Kanton Zürich), Begründer der analytischen Psychologie

Lyrics: Hamburg Song © Keane, 2006

Edward Hopper (* 22. Juli 1882 in Nyack, New York; † 15. Mai 1967 in New York City), US-amerikanischer Maler

Folke „Ronnie“ Wallentin Hellström (* 21. Februar 1949 in Malmö; † 6. Februar 2022 in Beddingestrand), schwedischer Nationaltorhüter

Josef Dieter „Sepp“ Maier (* 28. Februar 1944 in Metten, Niederbayern), dt. Nationaltorhüter

Jan Tomaszewski (* 9. Januar 1948 in Breslau), polnischer Nationaltorhüter, Politiker

Max Bennet Kruse (* 19. März 1988), dt. Fußball- und Nationalspieler

Retrospektive / Vom Feeling her more than a Feeling.

Alexanderplatz, zwei Jährchen her © Kai von Kröcher, 2018/2020

 

Ich seh‘ die Welt wie ’n Stummfilm und schreib‘ Untertitel. +++ Gesucht hatte ich nicht, aber dann fielen mir zufällig diese Fotos vom 15. April in die Hände – dem 15. April des Jahres 2018. +++ Wie viele Songs der Beatgruppe Boston könnten Sie spontan jetzt hier aufzählen? +++ Das würde mich echt interessieren. +++ Ich fand das damals übrigens vielleicht etwas kühn, auf einmal Gladbach-Fan zu sein. Vielleicht sogar etwas snobistisch. Das müssen Sie sich so vorstellen: Heute ist das ja keine Kunst mehr, da laufen die Kids bunt durcheinandergewürfelt herum – in den Trikots der unterschiedlichsten Geiervereine. Jedenfalls in Berlin: Hertha, Dortmund, Schalke, Bayern – und neuerdings zum Glück auch Union. Damals, im Braunschweiger Land allerdings, da war das noch etwas ganz anderes, da war das undenkbar. Da gab es bei uns dann nur noch den Sohn der Dorfschlachterei, der war schon ein bisschen älter: Der fuhr mit dem Auto immer nach Hamburg zum HSV – Kaltz, Kargus, Hrubesch und Magath. Ansonsten aber kam man als Fan der Braunschweiger Eintracht zur Welt, und dann war das halt so! +++ Um das hier einmal in den historischen Kontext zu stellen. +++ Das Spezielle an diesem 15. April ist ja überhaupt, da feiert eine junge Frau heute Geburtstag, die kam Anfang der Neunziger von Boston her über die Zwischenstation Barcelona ins Nachwende-Berlin. Paar Jahre später lernte ich sie in der U2 auf dem Weg ins Olympiastadion kennen: Hertha gegen Leverkusen, glaube ich, damals mit Deisler – Basti Fantasti! +++ Das ist nun schon eine Weile her – ich würde sie als eine treue Wegbegleiterin bezeichnen, wenn mir das zusteht. Der Geburtstagsgruß, liebe Karen, geht jetzt hier raus – und dann die anderthalb Kilometer gemächlich am Landwehrkanal entlang Richtung Osten. +++ Alles Gute! +++ Ganz nebenbei hier vielleicht noch ein Gruß an Martin nach Mecklenburg: ein Bildergruß, sozusagen. Der wird das wohl eher kaum mitbekommen. Und dann versteht diesen „Hint“ wieder nur einmal mehr der Gentleman of the Year. +++ Und dann laufen die Leser davon. +++ Dann haben wir den Salat!

 

Überschrift inspired by/Lyrics: Erste Schritte / Retrospektive © Freundeskreis, 1999

Überschrift also inspired by: More Than A Feeling © Boston, 1976

Sebastian Deisler (* 1980 in Lörrach), ehemaliger Fußballspieler