Die besten aller Tage / I Just Wanna Be Your Dog.

Fiktive Postkarten: Gruß aus Berlin (Grand Hotel Viktor Orbán) © Kai von Kröcher, 2024

 

You’d better run, run, run, boy, faster than the past. +++ Vorweg heute zunächst einmal eine Frage an die Community: Sind Ihnen die Bilder hier tendenziell eigentlich eher zu dunkel? Weil, ich habe jetzt nämlich gesehen, die Monitorhelligkeit auf meinem Gerät ist hoch bis zum Anschlag gepitched. Das verunsichert mich gerade ein bisschen, da fehlt mir jegliche Referenz. +++ Weil ich, wie Sie ja wissen, gerne mit meiner Old-School-Mentalität kokettiere – wissen Sie, was ich gestern gemacht habe? Ich bin rüber nach Köpenick, habe in dem Union-Laden dort Tickets gekauft für das Derby der Frauen in der Alten Försterei Ende April: Eisern Union gegen die Alte Dame Hertha. Ottos erstes Mal im Stadion, das wollte ich nicht über das Internet machen. Habe mich freundlich beraten lassen: Mittlere Gegengerade fernab des Ultra-Blocks, Stehplätze Mutter, Papa, Kind für insgesamt faire zehn Euro. +++ Im Anschluss habe ich dann einen verzeihlichen Fehler gemacht, bin spontan mit dem Bus rauf nach Kaulsdorf-Nord. Ich will mir nicht anmaßen, einen objektiven soziokulturellen Einblick mitgenommen zu haben. Was aber auffiel: die meisten Mütter und Väter dort sprachen mit ihren Kindern, als wären es ihre Hunde. +++ Was mir ein guter Freund (und dito spätgebärender Vater) neulich bei einem Pils-Bier als Erziehungsphilosophie mitgab: „Dein Alltag ist ihre Kindheit!“, mutmaßlich auch in Kaulsdorf-Nord. +++ Ottos Lieblingsverein nach Union übrigens Hertha BSC – gefolgt vom unvermeidlichen FC Bayern, dem BTSV Eintracht aus Braunschweig und schließlich dem VfL Wolfsburg.

 

Überschrift inspired by: Die besten aller Tage (Dokumentation) © Annekatrin Hendel (Regie), D 2024

Überschrift also inspired by: I Wanna Be Your Dog © The Stooges, 1969 

Lyrics: Run Run Run © The Libertines, 2023

Jaws / Auf den Schwingen des Todes.

Memory of a Free Festival (signiert) © Otto Glunz, 2023

 

I’m just a gift to the women of this world. +++ Heißen hätte es gestern müssen: Drüben in Amiland, wie ich gerne zu sagen pflege. Drüben in Amiland wird Midazolam zur Vollstreckung der Todesstrafe gespritzt, nicht etwa einfach nur begleitend zur Beruhigung der Nerven – man injiziert es als das totbringende Gift himself. +++ Verstehen Sie? +++ Wie gesagt, hatten wir uns über das Internet kennengelernt. Dieses Momentum des unbestreitbaren Leidensdrucks hatte ich nutzen wollen, eine Entscheidung treffen zu müssen wie ein Mann – den roten Atomknopf drücken, es gibt kein Zurück. +++ Zeitgleich mit der – wie nennt man das in der Arztpraxis: die Frau, die da sitzt, wo man sich anmeldet? Mit der zusammen kam ich früh morgens vor der Praxistür an. Und einer Arzthelferin, pünktlich wie der sprichwörtliche Maurer. Viel später erst traf der Zahnarzt ein, er legte der Empfangsfrau wortlos etwas auf ihren Tresen. Eine Tüte mit Äpfeln? Beim FC Bayern würde man sagen, er habe „die Kabine verloren“. +++ Meiner Meinung nach jedenfalls hatte Wolodomyr, der Zahnarzt, der an Pál Dárdai erinnerte, im Vergleich „zu dem Ungarn“ allerdings kein Freund freundlicher Worte zu sein schien. Rein vom Feeling her hatte Wolodomyr den Empfangstresen verloren: Die quirlige Frau mit der Frisur vorn an der Anmeldung ließ ihren Chef spüren, wer hier der Chef war. Ich saß hinten im Zahnarztstuhl und wartete auf meine orale Dosis Midazolam, sie drehte vorne den Radiosender 94,3 rs2 auf. Ein gutgelaunter Moderator, der alle duzte, wollte von seinen Hörerinnen wissen, wie viele Paar Schuhe sie zu Hause im Schrank haben. Eine Frau aus Marxwalde rief an, die besaß nur ein einziges Paar. Und fand es super, nicht noch mehr Schuhe zu haben – der Moderator fand das crazy. Stoisch wartete ich auf mein Midazolam, in Insider-Kreisen „Egal-Pille“ genannt…

 

Überschrift inspired by: Der Weiße Hai (Jaws, Thriller) © Steven Spielberg, USA 1975

Überschrift also inspired by: Auf den Schwingen des Todes (A Prayer for the Dying, mit Mickey Rourke) © Mike Hodges (Regie), USA 1987

Bildunterschrift inspired by: Memory of a Free Festival © David Bowie, 1969

Lyrics: A Gift © Lou Reed, 1976

Midazolam: Arzneistoff aus der Gruppe der kurzwirksamen Benzodiazepine mit angstlösender und entspannender Wirkung

Es gibt kein Zurück © Thimo Sander, 2019

Pál Dárdai (* 16. März 1976 in Pécs), ungarischer Fußballspieler, seit vergangener Woche zum dritten Mal Trainer von Hertha BSC

94,3 rs2: Berliner Privatsender, 1992 hervorgegangen aus dem West-Berliner RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor)

Neuhardenberg (bis 1814 Quilitz, 1949–1990 Marxwalde), Gemeinde im Landkreis Märkisch-Oderland / Brandenburg

Retrospektive / Vom Feeling her more than a Feeling.

Alexanderplatz, zwei Jährchen her © Kai von Kröcher, 2018/2020

 

Ich seh‘ die Welt wie ’n Stummfilm und schreib‘ Untertitel. +++ Gesucht hatte ich nicht, aber dann fielen mir zufällig diese Fotos vom 15. April in die Hände – dem 15. April des Jahres 2018. +++ Wie viele Songs der Beatgruppe Boston könnten Sie spontan jetzt hier aufzählen? +++ Das würde mich echt interessieren. +++ Ich fand das damals übrigens vielleicht etwas kühn, auf einmal Gladbach-Fan zu sein. Vielleicht sogar etwas snobistisch. Das müssen Sie sich so vorstellen: Heute ist das ja keine Kunst mehr, da laufen die Kids bunt durcheinandergewürfelt herum – in den Trikots der unterschiedlichsten Geiervereine. Jedenfalls in Berlin: Hertha, Dortmund, Schalke, Bayern – und neuerdings zum Glück auch Union. Damals, im Braunschweiger Land allerdings, da war das noch etwas ganz anderes, da war das undenkbar. Da gab es bei uns dann nur noch den Sohn der Dorfschlachterei, der war schon ein bisschen älter: Der fuhr mit dem Auto immer nach Hamburg zum HSV – Kaltz, Kargus, Hrubesch und Magath. Ansonsten aber kam man als Fan der Braunschweiger Eintracht zur Welt, und dann war das halt so! +++ Um das hier einmal in den historischen Kontext zu stellen. +++ Das Spezielle an diesem 15. April ist ja überhaupt, da feiert eine junge Frau heute Geburtstag, die kam Anfang der Neunziger von Boston her über die Zwischenstation Barcelona ins Nachwende-Berlin. Paar Jahre später lernte ich sie in der U2 auf dem Weg ins Olympiastadion kennen: Hertha gegen Leverkusen, glaube ich, damals mit Deisler – Basti Fantasti! +++ Das ist nun schon eine Weile her – ich würde sie als eine treue Wegbegleiterin bezeichnen, wenn mir das zusteht. Der Geburtstagsgruß, liebe Karen, geht jetzt hier raus – und dann die anderthalb Kilometer gemächlich am Landwehrkanal entlang Richtung Osten. +++ Alles Gute! +++ Ganz nebenbei hier vielleicht noch ein Gruß an Martin nach Mecklenburg: ein Bildergruß, sozusagen. Der wird das wohl eher kaum mitbekommen. Und dann versteht diesen „Hint“ wieder nur einmal mehr der Gentleman of the Year. +++ Und dann laufen die Leser davon. +++ Dann haben wir den Salat!

 

Überschrift inspired by/Lyrics: Erste Schritte / Retrospektive © Freundeskreis, 1999

Überschrift also inspired by: More Than A Feeling © Boston, 1976

Sebastian Deisler (* 1980 in Lörrach), ehemaliger Fußballspieler