War Pigs / Der Zorn des Gitarrengottes.

Museum der bildenden Künste: Blick auf die Stadt Leipzig (16:9) © Kai von Kröcher, 2021

 

Der Alte kratzte sich schweigend am Kinn. Humboldt klopfte ihm auf die Schulter und wünschte viel Glück weiterhin. Bonpland wollte dem Alten Geld zustecken, aber der nahm nichts an. Das habe er ja nicht wissen können, sagte er. Man sei so weit weg von allem. Natürlich, sagte Bonpland. +++ Das war tatsächlich ein Schock: Vor ein paar Wochen im Internet hatte ich von der Ausstellung Broken Music Vol. 2 im Hamburger Bahnhof erfahren: „Früh erkannten Künstler*innen die kreativen Möglichkeiten der Schallplatte und verwandelten die Hüllen in ein künstlerisches Objekt“, heißt es da ungefähr. Wieder einmal sah ich mein Lebenswerk in Gefahr. Mit meinem Sohn Otto habe ich die Ausstellung dann besucht und mich selbst etwas beruhigt: Die meisten der Cover kannte ich zugegebenermaßen zwar nicht; alles in allem aber anscheinend real und nicht halbwegs fiktiv! +++ Vor Jahren war ich mal abends auf der A9 unterwegs, lange ist’s her. Ging wahrscheinlich auf zehn oder elf zu, im Radio lief eine Rocksendung mit Anja Caspary, den Namen habe ich mittlerweile vergessen. Auf Höhe Beelitz-Heilstätten, mit Betonung auf der vorletzten Silbe. Da legte sie War Pigs auf von Black Sabbath, womit sie bei mir natürlich genau an den Richtigen geraten war. +++ Habe ich mal erzählt, wie ich Ende der Neunziger frühabends mit einer Bekannten (und zum ersten Mal in meinem Leben auf Ecstasy)? Jedenfalls saßen wir da allein mit dem Barkeeper in der noch leeren Metal-Kneipe Blackpoint im Bötzowviertel – mit langem Ö. Wie Harald Glöööckler: Bööötzow! Endorphinblitze schossen mir durch Körper und Geist, und zappelnd und vollkommen euphorisiert redete ich auf den freundlichen Herrn hinter dem Tresen ein: „Der Laden ist scheiße, die Musik ist scheiße – aber du bist okay!“ So viel also zu Ozzy Osborne und seiner schon damals dementen Art der Phrasierung. +++ Anja Casparys einhüllende Stimme, die nächtlich vorbeifliegende Autobahn, Black Sabbath – das hatte durchaus etwas Hypnotisierendes. Und um endlich nun auf den Punkt zu kommen, verwirrte mich dieser irgendwie kehlige Gitarrensound – war der nicht bei Mick Ronson abgekupfert, vom Man Who Sold the World-Album von David Bowie geklaut?! +++ Oder hatte Mick Ronson sich da bei Black Sabbath bedient – ich weiß es bis heute nicht. +++ Jedenfalls waren meine oktapolaren Fotografien einstmals ja auch nicht ganz frei von Plagiatsvorwürfen, doch was kümmert es schließlich das Wildschwein?

 

Überschrift inspired by: War Pigs © Black Sabbatn, 1970

Überschrift also inspired by: Aguirre, der Zorn Gottes (mit Klaus Kinski u.a.) © Werner Herzog (Drehbuch, Regie), D 1972

Textauszug aus: Die Vermessung der Welt (fiktive Doppelbiografie) © Daniel Kehlmann, 2005

Broken Music Vol. 2 | Hamburger Bahnhof | Berlin-Mitte (bis 14. Mai 2023)

Fiktives Vinyl: Foto-Serie © Kai von Kröcher, 2021/2022

The Man Who Sold the World © David Bowie, 1970

Finsterwalde / Weil ich es kann.

Leipzig feat. Gentleman of the Year (Oktapolaris) © Kai von Kröcher, 2021

 

Neben dem Kuhstall der LPG Fortschritt befand sich ein Silo, das von einer Betonmauer umgeben war. +++ Seit ich mich mit meinem Scheitern abgefunden habe, lebt es sich wie in einem Udo-Jürgens-Song! +++ Der Film hatte viele schlechte Kritiken bekommen, unkritisch aber habe ich ihn doch recht gemocht: Werk ohne Autor. Als DVD steht er merkwürdigerweise schon länger bei mir im Regal, angeschaut aber habe ich ihn mir erst gestern Abend im Fernsehen. Ich habe da so eine Psycho-Meise, Ihnen darf ich das ganz kurz gestehen: Wenn ich Sachen streame oder auf DVD sehe, fühle ich mich unendlich einsam. Wie in einem dunklen und schallisolierten Verlies – Meter unter der Erde, fernab der Zivilisation. +++ Weil die Urteile teilweise aber vernichtend ausfielen und auch Gerhard Richter himself den Streifen blöd fand, will ich mich besser nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen. Zwei Dinge nur möchte ich kurz hier erzählen: In der Szene, wo anderthalb Dutzend SS-Obersturmbannführer in etwa. Ähnlich der Wannsee-Konferenz wird hier an einer langen Tafel über den Mord an unwertem Leben entschieden, Euthanasie – das ist natürlich kein bisschen komisch. Die Gläser aber, die diese Bürokraten des Todes vor sich auf dem Tisch haben – Gruß an den Requisitör: das sind die Longdrink-Gläser der Reihe „Noblesse“ der oberpfälzischen Firma Nachtmann. Wie sie der club49 seinerzeit Mitte der Zehnerjahre als einer der ersten überhaupt eingeführt hatte. Die dann irgendwann beinahe inflationär überall in den Bars und so weiter – und jetzt hier in einer der Schlüsselszenen des Dritten Reichs. +++ Wahrscheinlich nur einer Handvoll Insidern aufgefallen. +++ Die zweite Sache: Mich jedenfalls hat der Film inspiriert, und das ist ja schon was – ein paar Mal stand ich vom Sofa auf, warf einen narzisstischen Blick auf die nun schon etwas älteren Oktapolaris-Bilder in Postkartengröße bei mir an der Wand. Egal, ob es so etwas oder so ähnlich schon von anderen gab oder nicht, ich finde sie teilweise großartig. +++ Lustigerweise spielt der Film ja anfangs in Dresden, und das Bild (oben) wurde in Leipzig aufgenommen, da schließt sich mal wieder der Kreis: Augustusplatz mit dem Gentleman of the Year – wahrscheinlich stören einfach nur diese elenden grünen Ränder, da könnten Sie sicherlich recht haben…

 

Überschrift inspired by: Finsterwalde (niedersorbisch: Grabin), mit knapp 16.000 Einwohnern bevölkerungsreichste Stadt im Landkreis Elbe-Elster (Brandenburg)

Überschrift also inspired by: Werk ohne Autor (angelehnt an Gerhard-Richter-Biografie von J. Schreiber) © F. Henckel von Donnersmarck (Drehbuch/Regie), D 2018

Textauszug aus: Düsterbusch City Lights (Roman) © Alexander Kühne, 2016

Ich war noch niemals in New York © Udo Jürgens, 1982

club49 | Ohlauer Straße 31 | Berlin-Kreuzberg

Pearblossom highway, 11-18 April 1986 ( Fotocollage) © David Hockney, 1986

 

Alltagshysterie / Verwunschene Orte.

Fiktives Vinyl: Ilse Paradies – Alltagshysterie © Kai von Kröcher, 2013/2022

 

Torn between two lovers, feeling like a fool – loving both of you is breaking all the rules. +++ Falls Sie, wie mein Sohn. +++ Falls es Ihnen also auch unter den Nägeln brennt, in welcher Region genau sich das Café Miami versteckt hält, dieser verwunschene Ort aus dem gleichnamigen SIND-Song: Die Gaststätte finden Sie in Otterwisch in Sachsen, einem Nachbardorf von Hainichen. Näher dran also an Leipzig als an Dresden, auf eine Art aber irgendwie auch dazwischen. +++ Wie in dem Song von Mary MacGregor vielleicht (oben), den würde ich gerne mal wieder hören: Muss so die Zeit erster Verliebtheiten gewesen sein – siebte Klasse damals, lief sicherlich auf den Schulparties. +++ Apropöchen ‚Verwunschene Orte‘: Die Hülle des neuen Albums von Ilse Paradies ziert nichts Geringeres als eine Ortschaft im Wolfsburger Land, der Name allerdings darf aus Datenschutzgründen hier nicht genannt werden. +++ Das Beste zum Schluss: Fürs Wochenende ist eine weitere Veröffentlichung Jürgen Stalins angekündigt – wegen der russischen Spezialoperation hatte der Termin sich mehrfach verschoben.

 

Überschrift inspired by: Alltagshysterie © Ilse Paradies, 2022

Überschrift also inspired by: Café Miami | Hauptstraße 1 | 04668 Otterwisch

Lyrics: Torn Between Two Lovers © Mary MacGregor, 1976

Café Miami © SIND, 2021

Disziplin und Lebensfreude / Wiederherstellungsmodus.

Von wo wir sind, können wir die Berge seh’n: Leipzig, Oktapolaris (feat. Gentleman of the Year) © Kai von Kröcher, 2021

 

Von wo wir sind, können wir die Berge seh’n. +++ Lustig: Gestern dachte ich kurz, ich poste hier einfach mal eine Fake-Nachricht. Dass in den letzten zwei Jahren nämlich irgendein Unbekannter unter meinem Namen regelmäßig diesen ganzen Unsinn hier geschrieben und zu verantworten hat. Das fand ich zum Brüllen komisch. Irgendwo zwischen dem Home-Office und dem fabulous Netto-Markendiskount lag ich im Rinnstein und kringelte mich vor Amüsement. +++ Wie gesagt, eine Fake-News. +++ Was aber tatsächlich sehr lustig ist an der Sache: Als ich mich gestern an meinen Zentralrechner setzte, lag im Mailfach die Message, auf meiner Webseite gebe es Probleme, einige Plugins seien fehlerhaft. Was immer das sein mag – es funktionierte jedenfalls gar nichts mehr. Nüscht. Nicht mal anschauen ließ sich die Seite noch. +++ Und dabei wollte ich heute doch einfach nur einem befreundeten Künstler zum Geburtstag gratulieren – und zu dem, was er da aktuell gerade treibt. +++ Gentleman of the Year: Schade, dass man auf dem Bild (oben) nichts erkennt! +++ Aber wenigstens komme ich heute wieder rein, das ist ja nun auch schon mal was. Jetzt noch die Daumen drücken, dass das mit dem sogenannten Wiederherstellungsmodus auch wirklich funktioniert. +++ Internet, Alter! – da machste was mit, sage ich Ihnen!

 

Überschrift inspired by: Disziplin und Lebensfreude © Kai von Kröcher, 2021

Überschrift also inspired by: Wiederherstellungsmodus © Internet, 2021

Lyrics: Nahuel Huapi © Bilderbuch, 2021