Menschen im Hotel / Happiness Is a Warm Gun.

Real existierendes Vinyl: Interhotel – II (Mini-LP) © Interhotel, 2023

 

Viele Leute verderben dir gern den Spaß, weil man sie beim Ausflug an der Tankstelle vergaß. +++ Jahrelang, in der Körtestraße. Irgendwann hatte eine Kneipe dort aufgemacht, die nannte sich Mädchen ohne Abitur. Kurz nachdem der club49 aufgemacht hatte, dürfte das gewesen sein. Und immer, wenn ich da vorbeikam – mit einem leicht neidischen Unterton dachte ich so: das ist diese neue Generation junger Leute. Leute, die Bands oder Kneipen solch einen Namen geben. Erst vor ein paar Jahren bin ich zufällig darauf gestoßen: das hatten sich die Jugendlichen gar nicht selbst ausgedacht, das ist ein Romantitel von Vicky Baum: Mädchen ohne Abitur! Vicky Baum hat auch im Bücherregal meiner Eltern gestanden. Vom Feeling her eine typische Nachkriegsbüchersammlung: Menschen im Hotel, zum Beispiel auch Suchkind 312, das hatte ich mir in den Neunzigern einmal mitgenommen nach Berlin. Meine Freundin damals hat mich immer damit aufgezogen: „Na, Suchkind 312?!“ Ich hätte jetzt ehrlich gesagt erwartet, dass man darüber nichts im Internet findet. Doch das Gegenteil ist der Fall! Suchkind 312 ist sogar zweimal verfilmt worden, zuletzt 2007 fürs Fernsehen mit Christine Neubauer. Der Roman war mir sehr nahegegangen, damals. +++ Anscheinend gibt es neuerdings einen Grund mehr, einen Stopp in der Ohlauer Straße einzulegen: In der Kneipe Schmetterling stellten Interhotel ihre neue Mini-LP live im Halb-Playback vor. Weil ich so schlecht bin mit Worten, würde ich sagen, eine runde Sache! Ihre Songs scheint man zu kennen, doch stellen sich diese alsbald als irreführende Fiktion heraus. Das deutsch-französische Duo entführt in Zeiten, die man glaubt, im Film schon selbst miterlebt zu haben – Zeiten, die es aber nie gab. Ein, wie man so sagt, atmosphärisch sehr dichtes Konzert! +++ Ich bin aber auch echt ein Hornochse: Erst googeln, dann nachdenken! Mädchen ohne Abitur stammt aus der Feder von Marie Louise Fischer! Die war unter anderem bei der Jugendzeitschrift Bravo eine Art Vorgängerin des legendären Dr. Sommer – so erklärte sie unter dem Pseudonym Dr. Vollmer dem jungen Leser beispielsweise, Homosexualität sei durch Injektion männlicher Hormone heilbar. Jedenfalls, aber das fällt einem auch erst auf den zweiten Blick auf, ist in Mädchen ohne Abitur in der Körtestraße jetzt was anderes drin. +++ Vorhin habe ich kurz in ein Youtube-Video reingeschaut, wo es darum ging, wie Paul McCartney und seine spätere Ehefrau Linda sich kennengelernt haben. Das erste Fotobuch, das ich mir mal gekauft habe, glaube ich, und das mich sehr inspiriert hat, ist von Linda McCartney, wobei sie die meisten Bilder darin noch als Linda Eastman gemacht hatte – so viel da zu. Der erste Beatles-Song jedenfalls, den Paul ihr seinerzeit vorgespielt hat, als er morgens aus dem Studio kam, war Happiness Is a Warm Gun – den hatten sie (die Beatles/Anm.d.Red.) nachts zuvor gerade eingespielt. Auf eine Art erinnern mich Interhotel an Linda und Paul McCartney. Und wie sich hier wieder ein Kreis schließt, stammt das Cover-Motiv der Mini-LP (oben) aus meiner Fotoserie Tatorte von 2003 – man sieht meine (damals schon) Ex-Freundin Nicole an einem öffentlichen Münzfernsprecher am Kottbusser Tor.

 

Überschrift inspired by: Menschen im Hotel (Roman) © Vicky Baum, 1929

Überschrift also inspired by: Happiness Is a Warm Gun © The Beatles, 1968

Lyrics: Hallo Kinder © Ami Warning, 2022

Mädchen ohne Abitur (Roman) © Marie Louise Fischer, 1960

Suchkind 312 (Roman) © Eduard Rhein (unter dem Pseudonym Hans-Ulrich Horster), 1955

Let There Be Rock © Tocotronic, 1999

Schmetterling | Ohlauer Straße 42 | Berlin-Kreuzberg

Die 60er-Jahre – Portrait einer Ära (Fotoband, Schirmer/Mosel) © Linda McCartney, 1993

Kindergarten Cop / Mister Njet.

Fiktives Vinyl: Johnny Infantilo – Dunkle Triaden © Kai von Kröcher, 2014/2022

 

You must see the movie, the sand in my eyes, I walk through a desert song when the heroine dies. +++ Nach dem Kino-Fiasko neulich (Kannawoniwasein/Anm.d.Red.) haben wir Donnerstagnachmittag einen zweiten Anlauf gewagt. „Diese Hunde, die wir nicht mögen“, hatte ich ständig runtergebetet, wenn uns an der Kasse bei Lidl einer mal wieder Paw-Patrol-Sammelbildchen zustecken wollte. Otto ist da stets konsequent und lehnt die entspannt dankend ab, andere Kinder sind bereits süchtig danach. In erwachsener Runde hatte ich dieses Anfixen mit Merchandise-Zeugs mal mit den Heroin-Dealern vorm Schulhof verglichen und böse Blicke geerntet, aber natürlich habe ich recht. +++ Auf jeden Fall! +++ In der Früchte-Gruppe in seiner Kita allerdings hören sie Paw-Patrol-Hörspiele immerzu auf CD, und da wollte ich mal nicht immer nur alles schlecht machen und verbieten. Man ist ja nicht Andrei Gromyko. Otto jedenfalls meinte, das seien ganz liebe Hunde, die würden den Menschen helfen. Und da man nichts ablehnen kann, ohne es zu kennen, habe ich gesagt: „Okay, weißt du was? Wir sehen uns den Film im Kino an – der ist sogar schon für Kinder ab null!“ +++ Alles klar, wieder ins Moviemento am Zickenplatz, wieder die Reihe ganz hinten, das würde ganz sicher zum Dahinschmelzen diesmal. +++ Ohne zu viel verraten zu wollen, beginnt der Film mit einem Schrottplatz in Flammen, dessen Betreiber in ihrer Barracke gefangen dem Feuer ausgeliefert sind. Dahinter steckt eine fiese Wissenschaftlerin, die irgendwie einen Meteoriten vom Himmel klauen will, der dann aber auf die Erde zu rast, eine Massenpanik auslöst und ganze Straßenzüge verwüstet. Hier greifen die niedlichen Hunde der Paw Patrol ein, sie fliegen in Kampfjets, sind auf Mad-Max-Gefährten unterwegs. Explosionen, Riesengetöse, alles schreit durcheinander, vieles spielt in der Nacht und in unterirdischen Gängen. Nach zwanzig Minuten sind wir leicht paralysiert wieder raus – zu Weihnachten gehen wir in Apocalypse Now. +++ Anfang der Neunziger war ich mit meiner Freundin mal im Kino. Gehörte zum Marmorhaus, glaube ich, war aber im Ku’damm Eck versteckt irgendwo. Korrigieren Sie mich, wahrscheinlich konnte man rauchen. Jedenfalls saßen wir drin, es lief eine Vorschau zu einem Schwarzenegger-Film, was auch immer. Nach einer Weile sahen wir uns an und dachten, die Vorschau geht aber echt ganz schön lange. Ich weiß nicht, ob wir uns Kindergarten Cop dann noch zu Ende angeschaut haben, aber ich glaube fast, nicht. +++ Witzig…

 

Überschrift inspired by: Kindergarten Cop (Filmkomödie mit Arnold Schwarzenegger) © Ivan Reitman (Regie), USA 1990

Überschrift inspired by: Andrei Gromyko (* 5. Juli 1909 in Staryje Gromyki bei Gomel, heute Belarus; † 2. Juli 1989 in Moskau), Außenminister der UdSSR

Lyrics: The Secret Life of Arabia © David Bowie, 1977

Paw Patrol – Der Mighty Kinofilm (PAW Patrol: The Mighty Movie, animierte Action-Komödie ohne Altersbeschränkung) © Cal Brunker (Regie), USA/CAN 2023

Apocalypse Now (Antikriegsfilm mit Martin Sheen, Marlon Brando u.a.) © Francis Ford Coppola (Drehbuch, Regie), USA 1979

Marmorhaus, ehemals ältestes Kino am Kurfürstendamm. Eröffnet 1913, geschlossen 2001

Altes Ku’damm Eck – Multifunktionsgebäude, Kurfürstendamm Ecke Joachimsthaler Straße, Architekt Werner Düttmann u.a. Erbaut 1969 – 1972, abgerissen 1998

When the Leaves Are Falling / Leise flehen meine Lieder.

Fiktives Vinyl: Franko Foda – Echtzeitsyndrom © Kai von Kröcher, 2013/2022

 

We’ve got rats on the west side, bed bugs uptown – what a mess, this town’s in tatters. +++ Teile dieses Blogposts könnten den Leser verunsichern, darauf weise ich hin. +++ Okay: Gestern war Herbst, in einsetzender Dämmerung eilte ich einsam zum Filmkunst 66: „Schaffe ich’s noch zu Fallende Blätter?“ Fallende Blätter, meinte der junge Mann an der Kasse, liefe hier gar nicht. „Wir zeigen jetzt gleich …“, mit einer Kopfbewegung wies er zum Kinosaal: „… einen Kinderfilm.“ +++ Das geht hier jetzt alles drunter und drüber, aber wie finden Sie oben das Cover? In einer Quizshow im Fernsehen vor Jahren hatten sie einmal die Frage gestellt: „Südamerikareise der deutschen Fußballnationalmannschaft 1987, in der 82. Minute beim Spiel gegen Brasilien kommt es bei der Einwechslung des Kaiserslauterer Spielers Franco Foda zu Gelächter und Jubel auf den Rängen.“ Wissen Sie zufällig, warum? Die Antwort ist etwas pikant, hat mit Sexhaben zu tun. +++ Tolles Motiv jedenfalls, fotografiert seinerzeit damals in Polen im sanften Frühlingsniesel. +++ Geistesgegenwärtig bin ich also zurück in die S-Bahn, Sekundenbruchteile später im Delphi Lux an der Kasse: „Schaffe ich’s noch zu Fallende Blätter?“ +++ Ohne Quatsch habe ich tatsächlich die allerletzte Karte ergattert an diesem verregneten Sonntagnachmittag der Zeitumstellung. Ohne Quatsch, und das mag Sie verwundern oder verstören: Ohne Quatsch ging ich in den mutmaßlich ersten Kaurismäki meines Lebens. In einer Karaoke-Kneipe sang ein Finne Leise flehen meine Lieder von Schubert, von dem Moment an war ich Fan: Mit ungefähr zweieinhalb Jahren einmal hatte mein Sohn gebannt vor dem Radioempfänger gestanden und ergriffen einer Version mit Fritz Wunderlich gelauscht, das hatte ich mir sogar irgendwo aufgeschrieben – fragt sich nur, wo. +++ Bettwanzen gerade ein großes Thema der hiesigen Lügenpresse: In Paris biblische Plage, bald auch hier in Berlin? Ein Lied der englischen Musikgruppe The Rolling Stones kommt mir dazu in den Sinn – in welchem Zusammenhang weiß ich nicht mehr, mein früherer Kunstlehrer Harald inHülsen aber hatte irgendwo mal, Musikexpress, Sounds oder Spex. Wortwörtlich hat er geschrieben, der beste Song über New York sei eh von den Stones (Shattered/Anm.d.Red.), und auch das muss nun ab und zu mal gesagt sein. +++ Auf dem Heimweg dann gestern zum Kottbusser Tor im fahlen Licht der U1: Die Menschen, die mir da auf der Bank aufgereiht gegenüber saßen, stammten allesamt aus einem Kaurismäki-Film. Die ganze Welt war ein Kaurismäki-Film, auch ich war ein Kaurismäki-Film – auf der Admiralbrücke im Regen trank ich ein Bier aus der Flasche und ertränkte stumm meine Blicke im zeitumstellungsdunklen Landwehrkanal.

 

Überschrift inspired by: When the Leaves Are Falling © Clit, 1981

Überschrift also inspired by: Fallende Blätter (Kuolleet lehdet, Tragikomös) © Aki Kaurismäki (Drehbuch, Regie), FIN 2023

Überschrift also inspired by: Ständchen – Leise flehen meine Lieder (aus der Liedsammlung Schwanengesang) © Franz Schubert, 1828

Lyrics: Shattered © The Rolling Stones, 1978

Fallende Blätter (Kuolleet lehdet, Tragikomödie) © Aki Kaurismäki (Drehbuch, Regie), FIN 2023

Fallende Blätter © Element of Crime, 2001

„Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ © Thomas de Maizière (Bundesinnenminister), 17.11.2015

Franco Foda (* 23. April 1966 in Mainz), dt. Fußball-Nationalspieler und Trainer u.a. des österreichischen Nationalteams

Fritz Wunderlich (* 26. September 1930 in Kusel im heutigen Rheinland-Pfalz; † 17. September 1966 in Heidelberg), dt. Tenor 

Harald Inhülsen (* 26. Juni 1951; † 20. Mai 2017), dt. Musikjournalist, Experimentalfilmer, Gründer des ersten dt. Iggy-Pop-Fanclubs, Leiter d. Internationalen up-and-coming Filmfestivals Hannover

Musikexpress – dt. Musikzeitschrift, gegründet 1956 in Den Haag mit späterem Sitz in Köln und der Freien und Hansestadt Hamburg 

Sounds – dt. Musikzeitschrift, gegründet 1966 in Solingen mit späterem Sitz in Köln und der Freien und Hansestadt Hamburg (bis 1983)

Spex – dt. Musikzeitschrift, gegründet 1980 in Köln mit späterem Sitz in Berlin (bis 2018)

Künstlerische Intelligenz / Lookin‘ After Number One.

Fiktives Vinyl: Ronnie – Künstlerische Intelligenz © Kai von Kröcher, 2017/2023

 

Don’t hate me, but you’re not what I thought you was. +++ Geht mir auch manchmal so. +++ Den uneingeplanten Post heute haben Sie übrigens zwei Faktoren zu verdanken, denn eigentlich gibt es hier gar nichts zu sagen: 1. der Entdeckung der künstlichen Intelligenz in der Bildbearbeitung und 2. der Prokrastination! +++ Letztens bekam ich eine inoffizielle Anfrage seitens der dpa, meine fiktiven Schallplatten betreffend. Ob ich denn noch daran arbeite, die seien doch gut. Das war ungemein motivierend, ich habe die Arbeit direkt wieder aufgenommen. Nach einem zwischenzeitlichen Tief seinerzeit aus Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten, aber ist ja auch wurscht. Ich habe die Plattenhüllen mir allesamt noch einmal vorgenommen und bin jetzt gerade dabei, eine Top 100 zusammenzustellen. +++ Ich weiß nicht, ob es ratsam ist, darüber zu reden. +++ Letzte Nacht jedenfalls hatte ich eine bahnbrechende Eingebung – an dem Motiv (oben) hatte ich mir bis dahin immer wieder die Zähne ausgebissen, und plötzlich sagte mir eine innere Stimme, versuch es doch mal mit KI! Wie von Zauberhand gesellte sich auf einmal dieser ansprechende Hund in das Bild, das kann ich Ihnen gar nicht erklären. +++ Am Ende des Sommers, an einem immer noch reichlich aufgeheizten Sonntagnachmittag. Wir hatten uns bei den Kaulsdorfer Seen verabredet – Otto, his Mother and I. Die beiden schickten mir ihre Position auf mein Handy – ich dachte, wie modern ist das denn! Dann blieb ich mit dem Fahrrad an den Zäunen des Wasserschutzgebietes hängen und fuhr einen Umweg von gut einer Stunde, was natürlich grob übertrieben ist. +++ Fun Fact nebenbei: Weil es Ende des Sommers war, hatte ich vorsorglich keine Badesachen eingepackt, was sich als bescheuert herausstellte. +++ Gegen Abend nahmen wir auf dem Rad Schleichwege zurück in die Stadt. Und plötzlich – plötzlich bogen wir irgendwo um die Ecke, und quietschend jauchzte ich auf vor lauter Glück: „Kannawoniwasein, das ist ja das Cover von Ronnie!“ +++ Diese Location hatte ich vollständig vergessen, direkt U-Bahnhof Biesdorf-Süd. Das Foto stammt aus dem Jahr 2017, aber es sieht dort noch immer genau so aus. Sogar der Mülleimer! Nur das Haus dahinten hatte ich umgefärbt. Und dann dieser gräßliche Hund! Und die Straße heißt natürlich nicht Unter der Maate – so hieß eine Straße auf meinem Dorf, wo ein Freund von mir damals wohnte. Der ist Professor für Festkörperphysik heute in Karlsruhe, was der wohl so treibt. +++ Naja, und eigentlich hatte ich mir für heute Vormittag eine To-do-Liste geschrieben, bestehend aus einem einzigen Punkt: Kamera checken und so, das wäre ganz wichtig. Und wenn ich nachher los muss, meinen Sohn von der Kita abholen. Da werde ich sicherlich wieder denken, hättest du mal gleich heute früh damit angefangen, dann wär‘ dir nicht wieder die Zeit weggerannt!

 

Überschrift inspired by: Künstlerische Intelligenz © Ronnie, 2021

Überschrift also inspired by: Lookin‘ After Number One © The Boomtown Rats, 1977

Lyrics: Don’t Hate Me © Lola Young, 2023

Kannawoniwasein (Kinder- Jugendfilm nach dem Roman von Martin Muser) © Stefan Westerwelle (Regie), D 2023

Kleine Probleme (Roman) © Nele Pollatschek, 2023

Kleine Probleme / Tag der geschlossenen Tür.

3D-Abstraktion (Filzmalstift auf Papier) © Ottilie, 2023

 

And if the homework brings you down then we’ll throw it on the fire and take the car downtown. +++ Auf meinem Wandkalender an, äh, der Wand, einer Art Jahresplaner. Für letzten Sonnabend hatte ich da hineingeschrieben: ‚Tag der offenen Tür‘. +++ Offene Tür, schön und gut – aber für was?! +++ Hier machen wir kurz einen Sprung und finden uns letzten Sonnabend morgens pünktlich um elf in einer Grundschule in Friedrichshain wieder. Ottos künftige Lehranstalt, das mit der Tür hatte sich also geklärt – nächsten Herbst geht es los! +++ Mit besagtem Herrn Vorschulkind durchstreifte ich neulich die Straßen der deutschen Hauptstadt, und spontan blieb ich an einem Buchladen stehen: „Haben Sie kleine Probleme?“, fragte ich betont zweideutig die Verkäuferin – den Joke ließ ich mir natürlich nicht nehmen! Im Radio hatte ich über das Buch sprechen gehört, die Geschichte eines Prokrastinierers und seiner To-do-Liste – ohne zu fackeln nahm ich es mit. Phasenweise hat es mich regelrecht irre gemacht, eins zu eins fand ich mich darin wieder, es machte mich panisch und fügte mir innere Schmerzen zu. Mittendrin vielleicht etwas viel gewollt-komisches Geschwafel mit sich selbst, aber nu bin ich ja auch kein Literaturkritiker, Gott sei Dank! +++ Als wir nach zwei Stunden letzten Sonnabend die Schule übrigens wieder verlassen hatten, fühlten wir beide uns, Mama und Papa, wir fühlten uns krank. An diesem grau vernieselten Oktobernachmittag schenkten wir uns dunklen Kaffee ein, ich stellte fest: „Ich glaube, ich werde krank!“, sie sagte: „Ich glaube, ich auch.“ +++ Mysteriös – oder auch einfach nur psychosomatisch: drei Tage lang jedenfalls hing ich angeschlagen leicht in den Seilen, heute liege ich alle Viere von mir gestreckt in Schüttelfrost eingemummelt auf der Matratze.

 

Überschrift inspired by: Kleine Probleme (Roman, Galiani/Berlin) © Nele Pollatschek, 2023

Überschrift also inspired by: Tag der geschlossenen Tür (Roman, Piper/München) © Rokko Schamoni, 2011

Lyrics: Kooks © David Bowie, 1971

 

Young Boys Bern / Weniger ist mehr oder weniger mehr.

ICC Berlin – Tag des offenen Denkmals © Kai von Kröcher, 2023 (fucking Handyfoto)

ICC Berlin – Tag des offenen Denkmals © Kai von Kröcher, 2023 (fucking Handyfoto)

ICC Berlin – Tag des offenen Denkmals © Kai von Kröcher, 2023 (fucking Handyfoto)

ICC Berlin – Tag des offenen Denkmals © Kai von Kröcher, 2023 (fucking Handyfoto)

ICC Berlin – Tag des offenen Denkmals © Kai von Kröcher, 2023 (fucking Handyfoto)

ICC Berlin – Tag des offenen Denkmals © Kai von Kröcher, 2023 (fucking Handyfoto)

ICC Berlin – Tag des offenen Denkmals © Kai von Kröcher, 2023 (fucking Handyfoto)

 

Was ist uns geblieben, außer zu kämpfen. Und zu lieben. +++ „Zimmer abdunkeln!“, hatte Bastian als Nachsatz an seine Mail neulich unten noch drangehängt. Zeitversetzt habe ich mir seinen Tatort spät gegen Mitternacht gestern angesehen, da erschloss sich mir dann auch endlich der Sinn. Mal wieder herausragend – oder ein Brett, wie ich neuerdings gerne zu sagen pflege! +++ Statt der blonden Tante in Boxenluder-Ästhetik hätte ich mir in dem Stones-Video übrigens eher zum Beispiel Marianne Faithfull gewünscht – und als Fahrer Tom Waits oder Jack White. +++ Was hatte ich da überhaupt geschrieben? Einige meiner Freunde wünschten sich Mick Jagger auf nichts weniger als den elektrischen Stuhl?! Müsste es nicht heißen, auf nichts mehr als auf den elektrischen Stuhl? Bei vielen meiner avantgardistischen Indie-Freunde jedenfalls stößt meine Jaggermanie auf völliges Unverständnis. +++ Unter Goebbels verboten, hatte das ICC für Besucher am Wochenende geöffnet. Nachdem es verrammelt und ungenutzt ewig in der Gegend herumstand. Immer wieder gigantisch – im wahrsten Sinne des Wortes!

 

Überschrift inspired by: Berner Sport Club Young Boys – schweizerischer Sportverein, gegr. 1898

Überschrift also inspired by: Tatort – Erbarmen. Zu spät. © Bastian Günther (Drehbuch/Regie), Michael Kotschi (Kamera), 2023

Überschrift also inspired by: Rebel Yell © Billy Idol, 1984

Lyrics: Im Land des ewigen Krieges © Mekanik Destrüktiw Kommandöh, ca. 1980

Tag des offenen Denkmals 2023

Moves Like Jagger / Kannawoniwasein.

Angry: Jürgen Stalin – Weltwunden © Kai von Kröcher, 2003/2022

 

While Angry from Manchester writes to complain about all the repeats on TV. +++ Weil ich mit Otto so wenig fernsehe – selbst unser geliebtes Dekker-Video This Here Island haben wir ewig nicht mehr geschaut. Manchmal so’n Zeichentrickdingens mit einem Trecker und einem tanzenden Pferd, da geht uns beiden das Herz auf. Ansonsten lebt Otto in einem Tal der Ahnungslosen. Um durch Entzug nun aber nicht künstlich Sehnsüchte zu wecken, hatte ich neulich gesagt, wir gehen ins Kino. Haben uns beide sehr drauf gefreut, gestern sind wir dann los. In gleißender Nachmittagssonne ins Moviemento am Zickenplatz: Kannawoniwasein, mein Sohn konnte den Titel schon fehlerfrei aufsagen. So saßen wir also in Saal 3, außer uns noch ein anderer Father mit Son. Der Film ging auch gleich werbefrei los, und bald merkte ich, mein Sohn fühlt sich nicht wohl. Er verkrampfte mehr und mehr, hängte sich eng an mich ran. Nach zwanzig Minuten war für ihn Schluss – der Film sei ihm zu krass, flüsterte er mir ins Ohr. Zurück im Foyer, boxte ich ihm aufmunternd den Bizeps, der sei ja schließlich auch erst ab sechs – und er in einer Woche erst fünf! „Ja“, sagte er: „Nächstes Mal gucken wir einen Film, der ab vier ist!“ +++ Einige meiner Freunde wünschen Mick Jagger auf nichts weniger als den elektrischen Stuhl – mich aber hatte das Video vorgestern geflasht! Das kam aus vollkommen heiterem Himmel. Mit Synchronizitäten im Alltag kenne ich mich ja meisterhaft aus, da hätte es mich nach meinem Traum auch nicht gewundert, wäre zum Beispiel Ron Wood plötzlich tot oder so. Mit einem neuen Song allerdings hätte ich nun weiß Gott nicht mehr gerechnet, und dann gleich so ein Brett! Das Riff setzte mich direkt unter Strom, zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren habe ich in der Wohnung getanzt. Die Rückenschmerzen sind plötzlich weg, die alten Moves wieder da – mein Vater drückt mir den BMW-Schlüssel in die Hand, an einem brütend heißen Junimorgen im Jahre 1982 fahre ich mit vier meiner Freunde auf der Autobahn nach Hannover. Niedersachsenstadion, erste Reihe, Vorprogramm Peter Maffay: „Halllo Rrrrockerrr!“ +++ Anders als Kannawoniwasein hat Otto das Angry-Video begeistert verschlungen. Die Typen seien in Wirklichkeit jetzt steinalt, hatte ich ihm erklärt. Man sehe hier Aufnahmen von früher – auch den verstorbenen Charlie Watts an den Drums, Mick Taylor, Bill Wyman natürlich (der ja der Stiefvater seiner eigenen Stiefmutter ist, doch das hätte ihn nur unnötig verwirrt). Otto hat das Video analysiert, auf unserem Bett dann die blonde Amibraut in dem roten Mercedes Cabrio nachgespielt. Wenn er ein bisschen älter ist, nehme ich ihn mit ins Olympiastadion – don’t get angry with me!

 

Überschrift inspired by: Moves Like Jagger © Maroon 5, 2011

Überschrift also inspired by: Kannawoniwasein (Roadmovie) © Stefan Westerwelle (Regie), D 2023

Bildunterschrift: Angry © The Rolling Stones, 2023

Lyrics: Nothing Ever Happens © Del Amitri, 1989

This Here Island © Dekker, 2019

Das Lied über die Tiere (Zeichentrick) © Lidia Gottmann (Autorin), 2017

Father and Son © Cat Stevens, 1970

 

 

Du fährst zu oft nach Heidelberg / But your dreams may not.

Bei dieser Gelegenheit noch einmal das hier: Bastian Günther, Anhalter Steg/Kreuzberg © Kai von Kröcher, 2021 (Oktapolare Fotografie)

 

Justified, hey hey, all bound for Mu Mu Land. +++ Seit einiger Zeit, Sie ahnen es schon. Seit einiger Zeit führe ich ein geheimes Doppelleben, das mich regelmäßig nach Charlottenburg, äh, führt. Vorgestern am Vormittag, goldene Spätsommersonne über der Spree, zwei schüchterne Viertklässler stellen sich mir in den Weg: „Haben Sie kurz einen Moment Zeit?“ Hatte ich eigentlich nicht, doch die Jungs waren sehr höflich. „Es geht auch sehr schnell, nur eine Umfrage für die Schule: ‚Was sehen Sie als die größte Herausforderung in Ihrem Leben?'“ +++ Dass Indiens Abhängigkeit von russischem Öl künftig abnehmen wird, davon berichtet die Berliner Zeitung in ihrer Online-Ausgabe vom vergangenen Freitag: „Indiens Ölminister Hardeep Puri prognostiziert nun, dass die Abhängigkeit seines Landes von russischem Öl abnehmen werde. ‚Unsere Abhängigkeit von russischem Öl wird stark abnehmen‘, sagte der indische Politiker in einem Bloomberg-Interview.“ +++ Wo die Kultur neuerdings hier doch auffallend kurz kommt: Kürzlich kriegte ich Post aus Austin/Texas. Regisseur Bastian Günther schreibt, sein neuer Tatort aus Frankfurt laufe kommenden Sonntag im linearen TV um 20:15 Uhr. Den Namen der Folge weiß ich nicht, aber soweit ich mich erinnere, wird es der letzte Auftritt von Brix und Janneke als Ermittlerteam sein. Hinter der Sache verbirgt sich allerdings noch eine weitere tragische Fahrradketten*-Geschichte, wie einzig am Ende das Leben sie schreibt: Ursprünglich nämlich hatte der Autor dieser Zeilen hier, Ihr alter Kupferstecher also. Der hatte beim Dreh in Frankfurt am Main wieder die Standfotos schießen sollen, so hatten wir uns das gedacht. Statt aus Berlin nun aber immerzu einen alten Zausel einfliegen und unterbringen zu müssen, entschied sich die Produktionsfirma dann letztlich für die kostengünstigere Variante und nahm einen Fotografen aus Hessen. +++ Lange keine, wie hieß das noch mal? Wenn zwei Dinge zufällig gleichzeitig geschehen, die irgendeine geheimnisvolle Verbindung haben? Duales System? Kurz vorm Aufwachen jedenfalls heute am Morgen. Ich habe geträumt, was ich in abgewandelter Form häufiger träume: Ich war Mitglied der Rolling Stones und es war wenige Minuten vor Auftritt im Berliner Olympiastadion. Charlie Watts lebte noch, ich trug eine Art rotgestreiften Pyjama aus Seide. Ich hampelte mich backstage etwas warm, wackelte mit dem Hintern, ich war Mick Jagger. Das merkwürdige allerdings: wir würden an diesem Abend ausschließlich Rammstein-Songs spielen – Row Zero, you know. Eröffnen aber wollten wir die Show eigenartigerweise mit Justified & Ancient von The KLF! +++ Und was passiert, als ich kurz nach neun heute früh den Haussender im Radio einschalte? Die Moderatorinnen erzählen, am heutigen Mittwoch werde in Hackney (London) das erste reguläre Studio-Album der Rolling Stones seit achtzehn (!) Jahren vorgestellt.

 

Überschrift inspired by: Du fährst zu oft nach Heidelberg (Erzählung) © Heinrich Böll, 1977

Überschrift also inspired by: Father and Son © Cat Stevens, 1970

Lyrics: Justified & Ancient © The KLF, 1991

Tatort – Erbarmen © Bastian Günther (Drehbuch, Regie)/Michael Kotschi (Kamera)/Hessischer Rundfunk, 2023

* „Hätte, hätte, Fahrradkette“ (Zitat) © Peer Steinbrück, 2013 (ist das nicht schon viel länger her?)

 

What Is It About Me / Da kam mal einer an und meinte, biste nicht.

Datsun Sunny: Wo die 80er noch 80er sind © Kai von Kröcher, 2023 (Handyfoto made in China)

 

Und das Schloss, von dem er sprach, war ein Vorhängeschloss an dem Keller, in dem er sich erschoss. +++ Haben Sie je darüber nachgedacht, wie es wäre, würde ich das Lied Stay On These Roads von a-ha mit einer ein bisschen tieferen Stimme neu interpretieren – ich war ja mal Sänger in den Achtzigerjahren? +++ Die eigentliche Geschichte kommt gleich noch. +++ Ich kam also aus dem Markendiscounter an der urbanen Straße, wollte die Einkäufe gerade auf den Gepäckträger wuchten. Letzte Woche allerdings schon. Von hinten eine Stimme: „Bist du nicht der Papa von …“ Da geht es normalerweise um meinen Sohn, bist du nicht der Sohn von Otto, äh, der Vater. Ich drehte mich um, der Christian von der taz stand vor mir, ich sagte: „Was?“ „Bist du nicht der Papa von Rattelschneck?!“ +++ Hm, eigentlich nicht. +++ Wie komme ich drauf, ich hatte heute etwas Zeit. Ging in die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, war ja nicht alles schlecht. In all den Jahren nie hier gewesen, stand ich nun in dem Hof, wo man Oberstleutnant Stauffenberg und seine Komplizen damals erschoss. Aus dem 29er Bus kann man einfach mal aussteigen und kurz darüber nachdenken, ob man nächstes Mal wirklich wieder AfD wählen muss. +++ Ein Hauch von Geschichte umwehte mich in dem Hof, da plötzlich nannte man meinen Namen: „Kai?!“ Die argentinische Elektro-Performerin hatte ich hier jetzt gerade nicht erwartet, aber sie war es – eine großartige Überraschung! +++ Später kam ich noch an dem roten Datsun in perfekter 80er-Jahre-Kulisse vorbei (Foto), ich hätte ihn aufessen können. +++ Eigentlich aber hatte ich ja von meinem Besuch im Prinzenbad Kreuzberg neulich mit Otto erzählen wollen. Vorher nämlich hatte ich noch vollmundig verkündet, ich würde die Sachen diesmal da einschließen, sonst kann man ja gar nicht in Ruhe ins Wasser. Die Schlösser kriege man an der Kasse, sagte uns ein Security-Typ, alles klar. Habe dann acht Euro dafür hinterlegt, ein Vorhängeschloss Marke Burgwächter. Und jetzt kommt der Witz, Baden war auch okay: Jedenfalls ging ich am Ende zur Kasse und wollte meine acht Euro wieder einlösen: „Nee, das ham Se doch gekauft – wir verleihen hier keine Schlösser!“ +++ Verstehen Sie? +++ Und ich dachte schon, das wäre das Doofste gewesen, was mir an dem Tag hätte passieren können. +++ Wir drehten noch eine Runde zum Späti, dann wollte mein Sohn auf den Spielplatz. Da dann endlich bemerkte ich: das Handy war mir irgendwo aus der Badehose gefallen – weg, futschikowski, verschwunden. Wir also den gesamten Weg noch einmal, ähem, abgelatscht, inklusive Späti – nichts. Mittlerweile auch das Prinzenbad schon geschlossen. You can check in any time you like, but you can never leave – oder so ähnlich, nur genau andersrum. Allerdings ließ uns eine unerwartet nette Mitarbeiterin wieder rein. Ich sagte, mein Handy ist weg. Versuchsweise tippte sie meine Nummer in ihr Telefon, dann sagte sie: „Zweimal geklingelt, dann weggedrückt.“ Puh, das ist aber eine lange Geschichte. +++ To cut a long story short: Am Ende war mein Handy gefunden worden, ein weiterer Serurity-Typ drückte es mir in die Hand. Eine tolle Wendung – und wenn Sie jetzt denken, was für eine lange Geschichte: Was glauben Sie denn, wie lang diese bescheuerte Story mir wohl eigentlich vorgekommen sein mag?! +++ Prinzenbad rules!

 

Überschrift inspired by: What Is It About Me © Lola Young, 2023

Überschrift also inspired by: Rudi © Herwig Mitteregger, 1983

Lyrics: Er hieß nicht von Oertzen © Hildegard Knef, 1963

Stay On These Roads © a-ha, 1988

Claus Philipp Maria Schenk Graf von Stauffenberg (* 15. November 1907 auf Schloss Jettingen; † 21. Juli 1944 in Berlin), dt. Berufsoffizier der Wehrmacht

Da geht der Punk ab © Yasmin Gate, 2014

Schlösser rechts, Seen links © Zensor Rec., 1982

Hotel California © Eagles, 1976

To Cut a Long Story Short © Spandau Ballet, 1980

Der letzte erträgliche Sommer / I Don’t Wanna Be Buried In a Pet Sematary.

Fiktives Vinyl: Lisa Hardcore – Eklat © Kai von Kröcher, 2022/23

 

Das ist ein gutes Gefühl, frei zu sein. +++ Gestern, haha – gestern waren Otto und ich am Gendarmenmarkt. Eigentlich hatten wir ganz woandershin wollen, aber Sie wissen ja selbst. Wir saßen also auf einer Bank, mein Sohn löffelte Vanilleeis aus dem Lafayette. Da reifte in uns der spontane Entschluss, direkt mal den Turm des Französischen Doms zu besteigen. Überhaupt waren hier an der Französischen Straße auffallend viele Franzosen unterwegs; ich fragte mich, ob es da einen Zusammenhang gab. Und an der Kasse fragte ich, man ist ja nicht Krösus. Ob es vielleicht eine Ermäßigung gäbe. „Naja“, meinte die junge Frau hinter dem Schalter: „Ihr Sohn sieht ja nicht aus, als wäre er schon sechs Jahre, dann ist der Eintritt sowieso frei. Und für Rentner kostet es auch nichts.“ Ich sah sie kurz an – da versank sie hinter dem Dingens, das sei ihr jetzt aber wahnsinnig unangenehm. +++ Schwamm drüber. +++ Wir stiefelten los. Der Aufzug war defekt, Aufzüge sind eh für Verlierer (und Rentner). Und obwohl das Gemäuer von außen jetzt erstmal gar nicht so imposant erscheint, zieht sich der Aufstieg doch gar nicht so übel. Abwechselnd schauten wir nach unten und spürten Stromstöße in den Knien, oder wir schauten hinauf zu den sechzig Glocken im Dachstuhl und hofften, die würden nicht etwa losläuten, wenn wir gerade dort oben sind. Nach ungefähr sechzehn, siebzehn Minuten vielleicht – ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Wir hatten es irgendwann also geschafft und traten auf die Aussichtsplattform nach draußen. Was aber heißt Plattform – man kann einmal ganz um den Turm herumgehen. Wir traten also nach draußen, ich sagte: „Guck mal, die Kirche am Südstern“. Mein Sohn sagte: „Und da ist der Flughafen Tempelhof!“ Die ganze Stadt lag uns hier zu Füßen – er aber maulte: „Papa, ich will wieder runter – ich muss pullern.“ +++ Okay. +++ Und jetzt wird der Sohn bald Markenklamotten im Schrank haben müssen, damit er im Vorschulalter nicht schon jegliche Chance verspielt. Neulich auf einmal dann diese Mail: „Guten Tag, aufgrund Ihres Profils auf Indeed denken wir, dass Sie sich gut für die Stelle als Tierbestatter (m/w/d) eignen würden. Bitte reichen Sie bei Interesse eine Schnellbewerbung ein.“

 

Überschrift inspired by: Der große Sommer (Roman) © Ewald Arenz, 2021

Überschrift also inspired by: Pet Sematary © Ramones, 1989

Lyrics: Leider nur ein Vakuum © Udo Lindenberg & das Panik-Orchester, 1974