Bierpinsel / Frühling in Berlin.

Fiktive Postkarte: Gruß aus Berlin (Frühling am Urban) © Kai von Kröcher, 2024

 

But there’s something in the air of which we all will be aware. +++ Wahrscheinlich hatte ich Ihnen schon mal erzählt, das muss eine Weile her sein. Beides, die Geschichte – und dass ich das erzählt habe. Jedenfalls war ich da mal irgendwo unterwegs, wo ich ansonsten nicht ständig unterwegs bin. +++ Zuletzt bin ich mit meinem Sohn öfter nach Steglitz. Otto sagt immer „Steglitz“, meint aber den Spielzeugladen unter dem Autobahnzubringer zu Füßen des Bierpinsels. In dem Fall ist mein Sohn zwar ein Hund, weil er Steglitz sagt, aber den Spielzeugladen meint. Andererseits kann man auch super Deals mit ihm aushandeln. Er sagt also Steglitz und will mich so in den Spielzeugladen lotsen. Ein Hütchenspielertrick, durchaus legitim. Ich sage dann meistens, okay, aber nur gucken. Er sagt dann, ja – und hält sich daran, ohne zu quengeln. +++ Das muss ich ihm hoch anrechnen! +++ Vielleicht sind Sie an Spielwarenläden nicht sonderlich interessiert, aber dieser hier lohnt sich auf seine Art: Man steigt aus aus der U9, in vom Feeling her fünfzig Metern unter dem Meer. Passiert ein Stockwerk darüber den im Weltmeisterjahr ’74 ebenfalls eröffneten, aber seither nie genutzten Geisterbahnsteig der (nie realisierten) Phantomlinie U10. Hat was von Blade Runner, behaupte ich kühn und ohne Belege. Eine weitere Rolltreppe schiebt einen ans Tageslicht, und wenn man den richtigen Ausgang genommen hat, landet man direkt vor der Eingangstür. Der Himmel über einem ist aus Beton, besagter Autobahnzubringer neben dem Bierpinsel von unten. Der Laden selbst – zur Zeit seiner Eröffnung vermutlich einer der größten der Welt. Heute überkommt einen als in den Siebzigern Sozialisierten eine anheimelnde Nostalgie. Alles ist eng und verwinkelt, überquellende Regale. Geheime Treppenaufgänge führen in die nerdige Welt von Märklin, wir stehen mehr so auf Brio. Jetzt habe ich den Faden verloren.

 

Überschrift inspired by: Bierpinsel – 47 Meter hoher 70er-Jahre-Bau (Poparchitektur), Schlossstraße

Überschrift also inspired by: Frühling in Berlin (Episodenfilm mit u.a. Walter Giller, Edith Hancke, Wolfgang Neuss) © Arthur Maria Rabenalt (Regie), D 1957

Lyrics: Teenage Rampage © The Sweet, 1974

Werken Spielen Schenken | Schloßstraße 110b | 12163 Berlin (seit 1973)

U-Bhf. Schlossstraße

Blade Runner (mit Harrison Ford) © Ridley Scott (Regie), USA/HK 1982

Alterswohlstand / Ain’t Too Proud to Beg.

Fiktives Vinyl: Ernst Blutiger – Technokratie © Kai von Kröcher, 2015/2022

 

Wipe the pollen from the faces, make revision to a dream. +++ Wahrscheinlich der falsche Weg, öffentlich hier nach einer Anstellung zu schleimen. Nach ausgiebiger Baby-Pause aber täte ein bisschen Beschäftigung gar nicht so schlecht. Muss ja nicht gleich auf dem Bau sein. Gegen Dienstwagen mit Sitzheizung würde ich mich auch gerade nicht sträuben. Anstellung oder Ausstellung, das müsste man ebenfalls sehen: Vielleicht kennen Sie ja einen im Guggenheim in Bilbao, und der plant da zufällig etwas mit Fake-Art – klingeln Sie einfach kurz durch! +++ Über Schumann früher soll übrigens abschätzig geredet worden sein, liest man im Internet: Als Genie habe er begonnen, als Talent geendet sei er. Bei Dingenskirchen hier, dem aus dem Blade Runner. Bei dem war es eher andersherum. Harrison Ford. Der hatte wohl spät erst zur Schauspielerei gefunden. Erst muss er Zimmermann gewesen sein, genau wie Bob Dylan. Zimmermann oder Dachdecker, irgendetwas mit Holz – und später dann weltberühmt. +++ Bei mir dann doch eher wie Schumann: Als ich die Rolle des Pavel Zynklawski angenommen hatte, damals in dem Kultstreifen Waslawska – da habe ich mir auch keine Gedanken darüber gemacht, was noch für andere Filme nachfolgen sollten. +++ Ist ja nicht alles immer Lang Lang, oft ist es Hochtief. +++ Auch muss es nicht immer Bilbao sein – haben wir heute denn etwa die Braunschweig-Wochen bei C&A? Das ist doch besagter Hauptbahnhof auf dem Cover da oben: Ernst Blutiger, norddeutsche Hiphop- und Techno-Hoffnung, guter Typ…

 

Überschrift inspired by: Alterswohlstand © Separatorenfleisch, 2022

Überschrift also inspired by: Ain’t Too Proud Too Beg © The Rolling Stones, 1974 (Temptations-Cover)

Lyrics: Evil © Interpol, 2005

Robert Schumann (* 8. Juni 1810 in Zwickau, Königreich Sachsen; † 29. Juni 1856 in Endenich, Rheinprovinz), Komponist, Musikkritiker; Dirigent

Waslawska (mit Alexander Laurisch, Uwe Stark, Kai von Kröcher u.a.) © Ralph Meiling (Regie), D/F 1999/2008

Lang Lang (* 14. Juni 1982 in Shenyang, Provinz Liaoning, China), Pianist

Hochtief AG: börsennotierter deutscher Baukonzern mit Sitz in Essen

Anämische Boomer / Warum, in Gottes Namen, denn nicht.

Fiktives Vinyl: Soldaten – Mike © Kai von Kröcher, 2008/2022

 

Now, Halloween Jack is a real cool cat, he lives on top of Manhattan Chase. +++ Das Internet vergisst und vergibt nicht – hier deshalb ein weiteres Geständnis. Der Tag war geprägt gestern von spontaneren Eingebungen. So bin ich am Nachmittag zum Beispiel ins Kino. Einen dieser Filme von der Liste abarbeiten, auf der sie alle sich türmen: Die Streifen, die jeder gesehen haben muss und natürlich auch hat. Die ständig einer irgendwo mal zitiert. Meine Achillesferse, der verschämte Blick auf den Boden. +++ Draußen schien noch die Sonne, drinnen im Babylon Mitte aber drängte die Menge in den Saal mit der Orgel. Dem Kartenabreißer hielt ich freundlich die Karte hin. Schmaler Typ mit schmalem Oberlippenbart oder so, Mitte zwanzig vielleicht, prüfender Blick: „Sie wollen sich auch Blade Runner ansehen?“ +++ Den ganzen Film über musste ich irgendwie an diesen Halloween Jack denken, der da auf dem Dach der Chase-Manhattan-Bank lebt – und weil der Fahrstuhl kaputt ist, lässt er sich die hundertzwanzig Stockwerke immer an einem Seil hinab. Ich fragte mich, was der Kartenabreißer gemeint hatte, als er da sagte: „Sie wollen sich auch Blade Runner ansehen?“ +++ Zurück auf der Straße, saßen wir schon mitten in der Blauen Stunde gefangen. Ich war froh, wenigstens goss es nicht in wie aus Eimern. +++ Das Album Mike der Gruppe Soldaten ist ein dystopisches Brett – hätte den perfekten Soundtrack abgegeben zum Blade Runner!

 

Überschrift inspired by: Anämische Boomer (Schlagzeile) © Anna Mayr/Die Zeit, 26.09.2022

Überschrift also inspired by: Babylon | Rosa-Luxemburg-Str. 30 | Berlin-Mitte

Lyrics: Diamond Dogs © David Bowie, 1974

Blade Runner (mit Harrison Ford) © Ridley Scott (Regie), USA/HK 1982