Journeys to Glory / Es gibt nur zwei Rudi Völler.

Fiktives Vinyl: Klassenfeind – Wenn die Kirschbäume blüh’n © Kai von Kröcher, 2017/2022

 

There’s a cry that is heard in the city. +++ Sonntagnachmittag bin ich spontan mal im Brauhaus Spandau gewesen, saß da versonnen am Fenster und schaute auf die Zinnen des Juliusturms hinter den alten Baumkronen. Draußen lag spürbar der Frühling in der Luft, und irgendwann hatte ich dann auch mal genug aus dem Fenster geguckt, zahlte, stand auf und ging. Steuerte auf den Tisch eines älteren Ehepaares zu, ließ ihn links liegen, wollte gerade straight aus der Tür. Als in diesem Augenblick dann der Mann seiner Frau trocken zuraunte: „Rudi Völler!“ +++ Wie neulich schon kurz erwähnt, zeige ich mein Fiktives Vinyl nun noch einmal, und zwar im Friedrichshainer Rudolfkiez. Freitagabend um 18:00 Uhr ist Vernissage. Getränke werde ich kaltstellen, die BVG fährt auch wieder, es darf gern ein geselliger Abend werden. Vom U-Bahnhof Warschauer Straße sind es zu Fuß übrigens vielleicht gerade mal sechs, sieben Minuten, ansonsten gibt es an der Ecke der Galerie direkt die Bushaltestelle Modersohnstraße des 347ers. +++ Die Bilder werden dann bis Mitte Mai dort hängen. +++ Apropos „so versonnen am Fenster“: War ich da nicht möglicherweise den Faraway Eyes ein Stück weit näher auf die Spur gekommen – im Sinne von „versonnen, entrückt“? Google hatte es letztens noch mit „weit entfernte Augen“ übersetzt, was keinen wirklichen Sinn ergibt – jemand Muttersprachliches hier?

 

Überschrift inspired by: Journeys to Glory © Spandau Ballet, 1981

Überschrift also inspired by: Rudolf „Rudi“ Völler (* 13. April 1960 in Haunau), dt. Fußballweltmeister als Spieler, Vize-Weltmeister als Trainer und Fußballfunktionär

Lyrics: Bus Stop © Tin Machine, 1989

Fiktives Vinyl | Galerie im RuDi | Modersohnstr. 55 | Berlin-Friedrichshain | Vernissage: Fr., 28.3., 18:00 Uhr

Sex & Drugs & Rock ’n‘ Roll / Mein schönstes Ferienerlebnis.

Stadion An der Alten Försterei: In ist, wer drin ist © Kai von Kröcher, 2024 (Handyfoto)

Olympiastadion Berlin: DFB-Pokal-Finale Bayer 04 Leverkusen gegen den 1. FC Kaiserslautern © Kai von Kröcher, 2024 (Handyfoto)

 

Keep your silly ways or throw them out the window. +++ Hier direkt eine Spoilerwarnung, wie man neu-deutsch so sagt: Auch der heutige Post wird keine (oder zumindest nur geringe) Spuren von Sex, Drugs oder Rock ’n‘ Roll enthalten – einmal mehr dreht sich alles um Fußball und Kinder. +++ Und Rudi Dutschke. +++ Kurz erzählt, hatten mein Sohn Otto und ich uns zum letzten Spieltag der Bundesliga aufgemacht in die Wuhlheide. Für Union ging es um die Wurst, der Abstieg war zum Greifen nah. Natürlich hatten wir keine Karten, das Stadion war ausverkauft wie immer, die Karten werden unter den Mitgliedern verlost. Vorm Stadion futterten wir eine Stadionwurst, setzten uns auf einen Baumstamm im Wald und lauschten den Gesängen von drinnen. Aufs Handy schaute ich nicht, wir zogen die Nummer Old School mäßig durch. Meinen Sohn nahm ich auf die Schultern, achtzehn Kilo, gefühlt fünfzig, und wir stellten uns an den Zaun an der Stelle, wo man, wenn man bei irgendwem auf den Schultern sitzt, zumindest einen Blick auf ein winziges Stückchen Rasen erheischen kann. Otto kommentierte für mich: „Jetzt laufen sie da hinten.“ Wir bekamen mit, dass Union einen Elfer verschoss – wie es auf den anderen Plätzen aussah, wussten wir nicht. +++ Um die Geschichte auf Sportschau-Länge zusammenzuschneiden, springen wir zur Mitte der zweiten Halbzeit: Es dürfte die sechzigste Minute gewesen sein, da trat von innen ein älterer Herr im Anzug zu uns an den Zaun. Nicht zu einem der anderen dreißig oder vierzig Fans da draußen – nein, zu uns: „Wollt ihr reinkommen?“ Er habe noch eine Karte übrig, die brauche er nicht – wir müssten nur rüber zum Einlass kommen, er ließe uns rein. Ich zauderte: „Aber wir sind doch zwei?!“ Er meinte, egal, Otto käme schon so rein. +++ Das war die Geschichte, unglaublich – wir waren tatsächlich drin! Gerade als wir Richtung Tribünen gingen, konnte ich über den Köpfen der Leute den oberen Winkel des Tores sehen, Latte und Pfosten, und genau in dieser Sekunde schlug der Ball in den Maschen ein – 1:0 für Union! Ich sprang dem Mann um den Hals, ob er ein Bier möge. Wir stießen an. Wo wir her seien, wollte er wissen, er komme aus Luckenwalde: „Da, wo Rudi Dutschke geboren ist.“ Dann zeigte er nach oben zum VIP-Bereich über der Haupttribüne: „Ich muss mal zurück zu meinen Freunden!“ +++ Kurz vor Schluss glich Freiburg noch aus. Union musste jetzt in die Relegation, bekam in der Nachspielzeit aber noch einen zweiten Elfmeter. Viel konnte ich nicht sehen, nur, dass den irgendeiner wieder verschoss – Schockstarre, das konnte nicht wahr sein! Sekunden später ein Schrei aus zwanzigtausend Kehlen: der Nachschuss war drin, Union war gerettet. +++ Der Post heute geht etwas länger, gegen Ende tritt dann sogar Rudi Völler auf. +++ Am Tag nach dem Spiel fuhren wir spontan zum Endspiel der Frauen um den Berliner Pokal – 1. FC Union gegen Viktoria 1889, Volksparkstadion Mariendorf. Wir standen gerade am Bierstand an, da traf Christian Arbeit im Stadion ein und gesellte sich zu zwei Frauen direkt hinter uns in der Schlange. Er erzählte von seinem Abend nach dem Freiburg-Krimi: „Beim Aufwachen hatte ich eine Taxiquittung auf meinem Handy – ich kann mich weder erinnern, dass ich eines bestellt habe, noch dass ich in einem gefahren bin.“ +++ (Christian Arbeit ist der Pressesprecher von Union, bekannt u.a. aus dem tollen Kinofilm Die besten aller Tage.) +++ Gestern Nachmittag stieg ich irgendwo in die U-Bahn ein. Alles war voll mit Fans des 1. FC Kaiserslautern und ein paar versprengten Leverkusenern. DFB-Pokal-Endspiel. Die Lauterer sahen aus, wie man sich gemütliche pfälzer Familienväter mit ihren Muttis vorstellt, alle tranken Weinschorle aus Dosen und grölten gutgelaunt Fußballlieder: „Wir lieben dicke T*tten und den Suff, wir gehen drei Mal täglich in den Puff!“ Die Stimmung war harmlos aufgeladen – beide Fanlager neckten und unterhielten sich friedlich. Ich ließ mich anstecken und fuhr spontan mit bis Olympiastadion. (Achtung, jetzt kommt der Brüller!) Als ich aus dem Waggon stieg, kam gerade ein Haufen Leverkusener auf mich zu marodiert. Ein glatzköpfiger, zwei Meter großer Anführer zeigte auf mich und brüllte begeistert: „Und jetzt kommt da auch noch der Rudi Völler – wun-der-bar!!!“

 

Überschrift inspired by/Lyrics: Sex & Drugs & Rock & Roll © Ian Dury, 1977

Überschrift also inspired by: Mein schönstes Ferienerlebnis

Alfred Willi Rudi Dutschke (7. März 1940 in Schönefeld, Landkreis Jüterbog-Luckenwalde; † 24. Dezember 1979 in Aarhus, Dänemark), dt. Soziologe und Aktivist

Die besten aller Tage (Dokumentation über die Urs-Fischer-Jahre des 1. FC Union) © Annekatrin Henkel, D 2024

Rudi Völler (* 13. April 1960 in Hanau), dt. Fußballspieler, Nationalspieler und -trainer, Weltmeister, Geschäftsführer Sport bei Bayer 04

Es gibt nur ein‘ Rudi Völler © La Rocca, 2002

 

 

Das große Buch der Kinderfragen / Es gibt nun doch nicht nur ein‘ Rudi Völler.

Fiktive Postkarten: Frohe Ostern (Berlin, Landwehrkanal) © Kai von Kröcher, 2024

 

What’s he like, Mavis? – He’s a real tasty geezer. +++ Okay, ich fange mal an mit der ersten Geschichte, die zweite ist aber um Längen besser. +++ Gestern Abend fuhr ich in der U-Bahn nach Hause, ein Stück weiter hinten eine Gruppe recht lauter Ärräbs. Ich weiß, so was sagt man nicht – aber ich hatte schon den Eindruck, sie fühlten sich wohl in ihrer Rolle als laute Ärräbs. +++ Ist ja auch völlig wurscht, vielleicht war eh alles ganz anders. +++ Das Foto habe ich gestern Nachmittag gemacht, aber da sitze ich natürlich noch nicht oben drin in der U-Bahn, weil, die Geschichte spielt ja erst abends, und ich bin auch nicht Hans-Dietrich Genscher. +++ Jedenfalls, Gleisdreieck wollte ich umsteigen, und weil die eine Tür kaputt war, ging ich in Richtung der Ärräbs zur anderen Tür. Da plötzlich hörte ich einen der Ärräbs rufen: „He, Entschuldigung – Rudi Völler! … Hallo, … Rudi Völler!“ Innerlich war ich verdutzt, auch amüsiert – ließ mir aber nichts anmerken: Es gab mal ein Foto von meinem Bruder und mir, wo wir in einem Cabrio fahren. Er sieht da aus wie Jürgen Klinsmann, ich sehe wie Rudi Völler aus. Das fand ich schon seltsam, die zwei sind 1990 ja gemeinsam Weltmeister geworden – und jetzt zusammen im Cabrio auf der Landstraße nach Üfingen. +++ Okay, die Geschichte ist nur halbwitzig und hat einen merkwürdigen Beigeschmack. +++ Wie versprochen ist die zweite Geschichte dafür jetzt der Knaller. Genau genommen ist sie die erste. Außerdem hat sie mit Kindern und Ostern zu tun. Und mit Sexhaben, das kommt eh immer ganz gut. +++ Karfreitag gingen mein fünfjähriger Sohn und ich an der Melanchthon-Kirche vorbei, als gerade die Glocken anfingen zu läuten. Ich meinte, die schlügen wahrscheinlich zum Karfreitagsgebet. Halblaut sinnierte ich, ob Karfreitag eigentlich Christus von den Toten auferstanden sei, Otto aber meinte, das wäre Ostern gewesen. Ich sei da nicht ganz bibelfest, räumte ich ein. Und dass ich da eh nicht mitreden könne, weil ich ja nicht dabei war. „Da war ich noch im Bauch meiner Mutter“, meinte ich sprichwörtlich. An diesem Punkt nahm die Geschichte eine verlegene Wendung: „Wie kommen die Babys eigentlich in den Bauch?“ – nachdenklich blieb mein Sohn stehen und drehte sich zu mir um. Teile der Antwort würden die Bevölkerung verunsichern, dachte ich so: „Ich habe auch keine Ahnung.“ „Hm“, meinte er, „eigentlich wäre das eine Frage für unser Buch (Das große Buch der Kinderfragen/Anm.d.Red.).“ Kurze Pause, dann stellte er fest: „Weisst du, warum das da nicht drin steht? Die wissen das selber nicht!“

 

Überschrift inspired by: Das große Buch der Kinderfragen – Kluge Antworten in Vorlesegeschichten © Petra Maria Schmitt/Christian Dreller/Heike Vogel, 2020

Überschrift also inspired by: Ein Rudi Völler © Klaus & Klaus, 2002

Lyrics: Johnny Reggae © The Piglets, 1971

Paris au Printemps © Public Image Ltd, 1980

Hans-Dietrich Genscher (* 21. März 1927 in Reideburg; † 31. März 2016 in Pech, Gemeinde Wachtberg), dt. Politiker

The Secret Life of Arabia © David Bowie, 1977

Rudi Völler (* 13. April 1960 in Hanau), dt. Fußballspieler, Fußballtrainer und Fußballfunktionär

Thomas de Maizière (* 21. Januar 1954 in Bonn), dt. Politiker, u.a. Bundesminister des Inneren