Keep your silly ways or throw them out the window. +++ Hier direkt eine Spoilerwarnung, wie man neu-deutsch so sagt: Auch der heutige Post wird keine (oder zumindest nur geringe) Spuren von Sex, Drugs oder Rock ’n‘ Roll enthalten – einmal mehr dreht sich alles um Fußball und Kinder. +++ Und Rudi Dutschke. +++ Kurz erzählt, hatten mein Sohn Otto und ich uns zum letzten Spieltag der Bundesliga aufgemacht in die Wuhlheide. Für Union ging es um die Wurst, der Abstieg war zum Greifen nah. Natürlich hatten wir keine Karten, das Stadion war ausverkauft wie immer, die Karten werden unter den Mitgliedern verlost. Vorm Stadion futterten wir eine Stadionwurst, setzten uns auf einen Baumstamm im Wald und lauschten den Gesängen von drinnen. Aufs Handy schaute ich nicht, wir zogen die Nummer Old School mäßig durch. Meinen Sohn nahm ich auf die Schultern, achtzehn Kilo, gefühlt fünfzig, und wir stellten uns an den Zaun an der Stelle, wo man, wenn man bei irgendwem auf den Schultern sitzt, zumindest einen Blick auf ein winziges Stückchen Rasen erheischen kann. Otto kommentierte für mich: „Jetzt laufen sie da hinten.“ Wir bekamen mit, dass Union einen Elfer verschoss – wie es auf den anderen Plätzen aussah, wussten wir nicht. +++ Um die Geschichte auf Sportschau-Länge zusammenzuschneiden, springen wir zur Mitte der zweiten Halbzeit: Es dürfte die sechzigste Minute gewesen sein, da trat von innen ein älterer Herr im Anzug zu uns an den Zaun. Nicht zu einem der anderen dreißig oder vierzig Fans da draußen – nein, zu uns: „Wollt ihr reinkommen?“ Er habe noch eine Karte übrig, die brauche er nicht – wir müssten nur rüber zum Einlass kommen, er ließe uns rein. Ich zauderte: „Aber wir sind doch zwei?!“ Er meinte, egal, Otto käme schon so rein. +++ Das war die Geschichte, unglaublich – wir waren tatsächlich drin! Gerade als wir Richtung Tribünen gingen, konnte ich über den Köpfen der Leute den oberen Winkel des Tores sehen, Latte und Pfosten, und genau in dieser Sekunde schlug der Ball in den Maschen ein – 1:0 für Union! Ich sprang dem Mann um den Hals, ob er ein Bier möge. Wir stießen an. Wo wir her seien, wollte er wissen, er komme aus Luckenwalde: „Da, wo Rudi Dutschke geboren ist.“ Dann zeigte er nach oben zum VIP-Bereich über der Haupttribüne: „Ich muss mal zurück zu meinen Freunden!“ +++ Kurz vor Schluss glich Freiburg noch aus. Union musste jetzt in die Relegation, bekam in der Nachspielzeit aber noch einen zweiten Elfmeter. Viel konnte ich nicht sehen, nur, dass den irgendeiner wieder verschoss – Schockstarre, das konnte nicht wahr sein! Sekunden später ein Schrei aus zwanzigtausend Kehlen: der Nachschuss war drin, Union war gerettet. +++ Der Post heute geht etwas länger, gegen Ende tritt dann sogar Rudi Völler auf. +++ Am Tag nach dem Spiel fuhren wir spontan zum Endspiel der Frauen um den Berliner Pokal – 1. FC Union gegen Viktoria 1889, Volksparkstadion Mariendorf. Wir standen gerade am Bierstand an, da traf Christian Arbeit im Stadion ein und gesellte sich zu zwei Frauen direkt hinter uns in der Schlange. Er erzählte von seinem Abend nach dem Freiburg-Krimi: „Beim Aufwachen hatte ich eine Taxiquittung auf meinem Handy – ich kann mich weder erinnern, dass ich eines bestellt habe, noch dass ich in einem gefahren bin.“ +++ (Christian Arbeit ist der Pressesprecher von Union, bekannt u.a. aus dem tollen Kinofilm Die besten aller Tage.) +++ Gestern Nachmittag stieg ich irgendwo in die U-Bahn ein. Alles war voll mit Fans des 1. FC Kaiserslautern und ein paar versprengten Leverkusenern. DFB-Pokal-Endspiel. Die Lauterer sahen aus, wie man sich gemütliche pfälzer Familienväter mit ihren Muttis vorstellt, alle tranken Weinschorle aus Dosen und grölten gutgelaunt Fußballlieder: „Wir lieben dicke T*tten und den Suff, wir gehen drei Mal täglich in den Puff!“ Die Stimmung war harmlos aufgeladen – beide Fanlager neckten und unterhielten sich friedlich. Ich ließ mich anstecken und fuhr spontan mit bis Olympiastadion. (Achtung, jetzt kommt der Brüller!) Als ich aus dem Waggon stieg, kam gerade ein Haufen Leverkusener auf mich zu marodiert. Ein glatzköpfiger, zwei Meter großer Anführer zeigte auf mich und brüllte begeistert: „Und jetzt kommt da auch noch der Rudi Völler – wun-der-bar!!!“
Überschrift inspired by/Lyrics: Sex & Drugs & Rock & Roll © Ian Dury, 1977
Überschrift also inspired by: Mein schönstes Ferienerlebnis
Alfred Willi Rudi Dutschke (7. März 1940 in Schönefeld, Landkreis Jüterbog-Luckenwalde; † 24. Dezember 1979 in Aarhus, Dänemark), dt. Soziologe und Aktivist
Die besten aller Tage (Dokumentation über die Urs-Fischer-Jahre des 1. FC Union) © Annekatrin Henkel, D 2024
Rudi Völler (* 13. April 1960 in Hanau), dt. Fußballspieler, Nationalspieler und -trainer, Weltmeister, Geschäftsführer Sport bei Bayer 04
Es gibt nur ein‘ Rudi Völler © La Rocca, 2002