Wet Sun Between My Toes / Geschichten aus dem Paulanergarten.

Fiktive Postkarten: Olympiastadion Berlin © Kai von Kröcher, 2024

 

I’m in another body who’s in somebody else. +++ Was mir allerdings neu ist: Mit dem Slogan aus dem Werbespot jener Münchner Brauerei oben („Geschichten aus dem Paulanergarten“/Anm.d.Red.) werden auf Social-Media-Plattformen neuerdings Beiträge kommentiert, deren Inhalt man eher so für Fake-News hält. +++ Mit meinem Sohn, Sie ahnen es schon, bin ich am Montag im Berliner Olympiastadion gewesen. Natürlich fand gerade kein Fußballspiel statt. Stattdessen wurde der Rasen gemäht, das war lustig: Da kamen tatsächlich zwei Männer mit je einem gewöhnlichen Handrasenmäher und scherten zu Fuß ein um die andere Bahn – Handarbeit par exellence. Wir waren fast ganz allein im schönsten deutschen Oval, doch überall wurde gehämmert, gebohrt und geschweißt – die Fußball-Europameisterschaft steht vor der Tür. +++ Zu Hause bei uns steht neben der Union-Tasse von neulich aus Köpenick jetzt aus Charlottenburg auch eine Hertha-Tasse im Schrank – einmütig wie die Klaviertasten bei Stevie Wonder und Paul McCartney seinerzeit, nur nicht so schwülstig. +++ Zudem mache ich mir etwas Sorgen wegen des Logos auf der Postkarte oben – meinen Sie, ich werde wieder verklagt? +++ Und wie Sie sehen, sind wir anschließend noch eingekehrt und haben uns draußen vorm Stadion jeder eine ansonsten auf dem Index stehende Portion Pommes gegönnt – der eine rot, der andere weiß…

 

Überschrift inspired by: Feel It © Ciara Lea, 2023

Überschrift also inspired by: Geschichten aus dem Paulanergarten (Fernsehwerbespots) © Paulaner-Brauerei München, 2000er Jahre ungefähr

Lyrics: Alesis © mk.gee, 2024

Ebony and Ivory © Paul McCartney & Stevie Wonder, 1982 

Du fährst zu oft nach Heidelberg / But your dreams may not.

Bei dieser Gelegenheit noch einmal das hier: Bastian Günther, Anhalter Steg/Kreuzberg © Kai von Kröcher, 2021 (Oktapolare Fotografie)

 

Justified, hey hey, all bound for Mu Mu Land. +++ Seit einiger Zeit, Sie ahnen es schon. Seit einiger Zeit führe ich ein geheimes Doppelleben, das mich regelmäßig nach Charlottenburg, äh, führt. Vorgestern am Vormittag, goldene Spätsommersonne über der Spree, zwei schüchterne Viertklässler stellen sich mir in den Weg: „Haben Sie kurz einen Moment Zeit?“ Hatte ich eigentlich nicht, doch die Jungs waren sehr höflich. „Es geht auch sehr schnell, nur eine Umfrage für die Schule: ‚Was sehen Sie als die größte Herausforderung in Ihrem Leben?'“ +++ Dass Indiens Abhängigkeit von russischem Öl künftig abnehmen wird, davon berichtet die Berliner Zeitung in ihrer Online-Ausgabe vom vergangenen Freitag: „Indiens Ölminister Hardeep Puri prognostiziert nun, dass die Abhängigkeit seines Landes von russischem Öl abnehmen werde. ‚Unsere Abhängigkeit von russischem Öl wird stark abnehmen‘, sagte der indische Politiker in einem Bloomberg-Interview.“ +++ Wo die Kultur neuerdings hier doch auffallend kurz kommt: Kürzlich kriegte ich Post aus Austin/Texas. Regisseur Bastian Günther schreibt, sein neuer Tatort aus Frankfurt laufe kommenden Sonntag im linearen TV um 20:15 Uhr. Den Namen der Folge weiß ich nicht, aber soweit ich mich erinnere, wird es der letzte Auftritt von Brix und Janneke als Ermittlerteam sein. Hinter der Sache verbirgt sich allerdings noch eine weitere tragische Fahrradketten*-Geschichte, wie einzig am Ende das Leben sie schreibt: Ursprünglich nämlich hatte der Autor dieser Zeilen hier, Ihr alter Kupferstecher also. Der hatte beim Dreh in Frankfurt am Main wieder die Standfotos schießen sollen, so hatten wir uns das gedacht. Statt aus Berlin nun aber immerzu einen alten Zausel einfliegen und unterbringen zu müssen, entschied sich die Produktionsfirma dann letztlich für die kostengünstigere Variante und nahm einen Fotografen aus Hessen. +++ Lange keine, wie hieß das noch mal? Wenn zwei Dinge zufällig gleichzeitig geschehen, die irgendeine geheimnisvolle Verbindung haben? Duales System? Kurz vorm Aufwachen jedenfalls heute am Morgen. Ich habe geträumt, was ich in abgewandelter Form häufiger träume: Ich war Mitglied der Rolling Stones und es war wenige Minuten vor Auftritt im Berliner Olympiastadion. Charlie Watts lebte noch, ich trug eine Art rotgestreiften Pyjama aus Seide. Ich hampelte mich backstage etwas warm, wackelte mit dem Hintern, ich war Mick Jagger. Das merkwürdige allerdings: wir würden an diesem Abend ausschließlich Rammstein-Songs spielen – Row Zero, you know. Eröffnen aber wollten wir die Show eigenartigerweise mit Justified & Ancient von The KLF! +++ Und was passiert, als ich kurz nach neun heute früh den Haussender im Radio einschalte? Die Moderatorinnen erzählen, am heutigen Mittwoch werde in Hackney (London) das erste reguläre Studio-Album der Rolling Stones seit achtzehn (!) Jahren vorgestellt.

 

Überschrift inspired by: Du fährst zu oft nach Heidelberg (Erzählung) © Heinrich Böll, 1977

Überschrift also inspired by: Father and Son © Cat Stevens, 1970

Lyrics: Justified & Ancient © The KLF, 1991

Tatort – Erbarmen © Bastian Günther (Drehbuch, Regie)/Michael Kotschi (Kamera)/Hessischer Rundfunk, 2023

* „Hätte, hätte, Fahrradkette“ (Zitat) © Peer Steinbrück, 2013 (ist das nicht schon viel länger her?)

 

Zur Sache, Schätzchen / Prima Primaten aus Lima.

Fiktives Vinyl: Der alte Chinese – Melancholische Melodien (Vol. 1) © Kai von Kröcher, 2021/2022

 

What’s that floating in the water, Ol‘ Neptuna’s only daughter. +++ Ein bisschen Getier hatten wir natürlich gesehen: Gleich vorne die Elefanten – mein Sohn fand die Hühner wesentlich interessanter. Im Pandabereich dudelten chinesische Weisen vom Band. Das chinesische Tonsystem basiert auf starken Einflüssen indischer und mesopotamischer Herkunft, man kam sich vor wie beim Chinesen. Ich erzählte Otto die Sache mit West-Berlin, dass West-Berlin berühmt war für seine Pandas. Bao Bao – und wie hieß der andere Ganove? Die jedenfalls sollten damals endlich für Nachwuchs sorgen: Die Springer-Presse setzte sie unter Druck – eines Tages, klar, war die Leidenschaft nicht mehr da. Sowieso eher träge Kollegen. Beeindruckender war da schon der Tiger, der lässig in einer Runde durchs Wasser sein überschaubares Reich absteckte. +++ Das auf dem Cover heute, das war ja auch so eine Art Wahrzeichen West-Berlins: Heizkraftwerk Wilmersdorf, nicht wenige werden sentimental werden bei seinem Anblick. +++ Gestern brachte ich meinen Sohn zum Zug, er ist mit der Mama in die Berge. Auf dem Rückweg, am Bahnhof Zoo, geriet ich in Massen von Hertha- und Dortmund-Fans. Spontan drängte ich mich mit ihnen in die proppenvolle S-Bahn zum Olympiastadion, ich war ja schon ewig nicht mehr beim Fußball. Wunderte mich, wie entspannt die Stimmung hier war. Blauweiße und gelbe Fantrikots bunt durcheinander gemischt: ein freundliches Gefrotzel hier, ein bisschen Gefachsimpel dort – die meisten Dortmund-Fans kamen wahrscheinlich eh aus Berlin. +++ Im Zoologischen Garten jedenfalls, machen wir es kurz: Viele Gehege schienen mir leer, als seien die Tiere im Urlaub. Als das angekündigte Gewitter sich ankündigte, gingen Otto und ich ins Zoo-Restaurant, holten uns zwei Teller Nudeln und setzten uns draußen unter den großen Schirm. Anderthalb Stunden lauschten wir beinah alleine dem Sommerregen – wie im Urwald kam man sich vor, regelrecht großartig. +++ Am Olympiastadion angekommen, gab es da keine Ticketschalter mehr. Und weil ich zu blöd war – ich kokettiere ja gerne mit meiner Blödheit. Weil ich zu blöd war, mir online ein Ticket zu holen, hörte ich mir das Spiel einfach von draußen an. Ich tigerte lässig ums Stadion und lauschte den Gesängen von drinnen. Irgendwer fragte mich nach dem Spielstand, ich sagte: „Ich tippe mal null zu null, aber keine Ahnung.“ +++ Vielleicht sollte ich nicht immer mehrere Geschichten parallel erleben/erzählen, beim nächsten Wolkenbruch jedenfalls retteten Otto und ich uns ins Affenhaus, da verfiel man der Schwermut: Die Käfige im Achtzigerjahre-Jugendzentrum-Design und ausgeleuchtet wie in der Lindenstraße, die Schimpansen viel größer, als ich sie aus der Trigema-Werbung in Erinnerung hatte. Lethargisch saßen sie da – mit ausdruckslosem Gesicht ließ der eine seine Lebensgeschichte Revue passieren: Man konnte die Verzweiflung förmlich spüren, dass man ihm seine Schreibmaschine weggenommen – als endlich der Himmel aufklarte, machten wir uns auf den Heimweg.

 

Überschrift inspired by: Bao Bao (宝宝, chinesisch für „Schätzchen“ – * 1978 in China; † 22. August 2012 in Berlin), ältester weltweit in einem zoologischen Garten lebender Großer Pandabär (Ailuropoda melanoleuca)

Überschrift also inspired by: Zur Sache, Schätzchen (Filmkomödie mit Uschi Glas, Werner Enke) © May Spils (Regie), Werner Enke (Drebuch), BRD 1968

Überschrift also inspired by: Prima Klima © Prima Klima, 1981

Lyrics: Mr. Grieves © Pixies, 1989

Hertha BSC – Borussia Dortmund | Olympiastadion Berlin | 27. August 2022 | 15:30 Uhr | 0:1 (Modeste, 32. Spielminute)

Lindenstraße: erste dt. Seifenoper, begründet von Hans W. Geißendörfer © WDR, 1985 – 2020

Trigema („Trikotwarenfabriken Gebrüder Mayer“), dt. Mischunternehmen im Bereich Textilproduktion (Sport- und Freizeitbekleidung) und Tankstellenvertrieb

 

 

 

Ferien mit Popperle / No One Alerted You.

Fiktives Vinyl: Frauenband ® – Bis fast an die Grenze (und beinah noch weiter) © Kai von Kröcher, 2020/2022

 

There is water at the bottom of the ocean. +++ Lawrow, Basler und ich, wir freuen uns ja schon sehr auf den Trikot-Tausch heute am Abend – ist halt so’n Chauvi-Ding unter Männern, aber geschenkt. +++ Come on! +++ Der Bandname (oben) ist schon genial – hinausgewachsen über mich selbst! +++ Vorletzte Nacht träumte ich von den Bay City Rollers, die starteten ein Comeback. Ich hatte sie als fünf Typen im Schottenkaro in Erinnerung, am Ende aber waren es eine Sängerin und eine Art Bankangestellter. Dem hatte ich irgendwann mal irgendwie etwas Geld geliehen, zehn Euro vielleicht oder zwanzig. +++ In der Schule damals, Gnade der frühen Geburt: Die Bay City Rollers waren eher so ’n Mädchen-Ding. Und im Traum war ich mir dann auch nicht ganz sicher, ob Bye Bye Baby (Baby Goodbye) jetzt eigentlich von „den Rollers“ war – oder nicht doch vielleicht von den Rubettes. +++ (Rubettes = Sugar Baby Love/Anm.d.Red.) +++ Apropos: Hätte ich in den Naturwissenschaften damals aufgepasst – ich würde ja eine Methode entwickeln, wie man aus dem Meer Süßwasser gewinnt. Und es dann über den Globus verteilen. Wieso riecht Nestlé den Braten nicht längst, sind die altersmilde geworden? +++ (Trinkwasser = gut, Nestlé ≠ gut/Anm.d.Red.) +++ Am ersten Ferientag habe ich mit meinem Sohn übrigens das Olympiastadion besichtigt, ein ganz toller Nachmittag: Wir haben sogar den Mittagsteller gegessen, der war überraschend gut – und saßen da zufällig zusammen mit den Jungen und Mädchen der Hertha-Fußballschule in dem riesigen leeren Rund, während unten ein Traktor gerade den Rasen mähte. +++ Ist Ihnen aufgefallen, wie man die Spielführe- und Torjägerin der deutschen Frauen mit Spitznamen nennt? +++ Na? +++ Für heute in Wembley mein Tipp: England – Deutschland 3:1, auf jeden Fall wird es spannend.

 

 

Überschrift inspired by: Ferien mit Schnüpperle (Kinderbuch) © Barbara Bartos-Höppner, 1972

Überschrift also inspired by: While My Guitar Gently Weeps © The Beatles, 1968

Lyrics: Once in a Lifetime © Talking Heads, 1980

Bye Bye Baby © Bay City Rollers, 1975 (Cover)

Sugar Baby Love © Rubettes, 1974

Olympiastadion Berlin – von 1934 bis 1936 errichtet für die Spiele der XI. Olympiade (Architekt: Werner March; Umbau: Gerkan, Marg und Partner)

Alexandra Popp (* 6. April 1991 in Witten), dt. Fußball-Nationalspielerin in Diensten des VfL Wolfsburg

Fußball-EM der Frauen | England – Deutschland | Endspiel | Wembley-Stadion, London | heute Abend, 18:00 Uhr