Du fährst zu oft nach Heidelberg / But your dreams may not.

Bei dieser Gelegenheit noch einmal das hier: Bastian Günther, Anhalter Steg/Kreuzberg © Kai von Kröcher, 2021 (Oktapolare Fotografie)

 

Justified, hey hey, all bound for Mu Mu Land. +++ Seit einiger Zeit, Sie ahnen es schon. Seit einiger Zeit führe ich ein geheimes Doppelleben, das mich regelmäßig nach Charlottenburg, äh, führt. Vorgestern am Vormittag, goldene Spätsommersonne über der Spree, zwei schüchterne Viertklässler stellen sich mir in den Weg: „Haben Sie kurz einen Moment Zeit?“ Hatte ich eigentlich nicht, doch die Jungs waren sehr höflich. „Es geht auch sehr schnell, nur eine Umfrage für die Schule: ‚Was sehen Sie als die größte Herausforderung in Ihrem Leben?'“ +++ Dass Indiens Abhängigkeit von russischem Öl künftig abnehmen wird, davon berichtet die Berliner Zeitung in ihrer Online-Ausgabe vom vergangenen Freitag: „Indiens Ölminister Hardeep Puri prognostiziert nun, dass die Abhängigkeit seines Landes von russischem Öl abnehmen werde. ‚Unsere Abhängigkeit von russischem Öl wird stark abnehmen‘, sagte der indische Politiker in einem Bloomberg-Interview.“ +++ Wo die Kultur neuerdings hier doch auffallend kurz kommt: Kürzlich kriegte ich Post aus Austin/Texas. Regisseur Bastian Günther schreibt, sein neuer Tatort aus Frankfurt laufe kommenden Sonntag im linearen TV um 20:15 Uhr. Den Namen der Folge weiß ich nicht, aber soweit ich mich erinnere, wird es der letzte Auftritt von Brix und Janneke als Ermittlerteam sein. Hinter der Sache verbirgt sich allerdings noch eine weitere tragische Fahrradketten*-Geschichte, wie einzig am Ende das Leben sie schreibt: Ursprünglich nämlich hatte der Autor dieser Zeilen hier, Ihr alter Kupferstecher also. Der hatte beim Dreh in Frankfurt am Main wieder die Standfotos schießen sollen, so hatten wir uns das gedacht. Statt aus Berlin nun aber immerzu einen alten Zausel einfliegen und unterbringen zu müssen, entschied sich die Produktionsfirma dann letztlich für die kostengünstigere Variante und nahm einen Fotografen aus Hessen. +++ Lange keine, wie hieß das noch mal? Wenn zwei Dinge zufällig gleichzeitig geschehen, die irgendeine geheimnisvolle Verbindung haben? Duales System? Kurz vorm Aufwachen jedenfalls heute am Morgen. Ich habe geträumt, was ich in abgewandelter Form häufiger träume: Ich war Mitglied der Rolling Stones und es war wenige Minuten vor Auftritt im Berliner Olympiastadion. Charlie Watts lebte noch, ich trug eine Art rotgestreiften Pyjama aus Seide. Ich hampelte mich backstage etwas warm, wackelte mit dem Hintern, ich war Mick Jagger. Das merkwürdige allerdings: wir würden an diesem Abend ausschließlich Rammstein-Songs spielen – Row Zero, you know. Eröffnen aber wollten wir die Show eigenartigerweise mit Justified & Ancient von The KLF! +++ Und was passiert, als ich kurz nach neun heute früh den Haussender im Radio einschalte? Die Moderatorinnen erzählen, am heutigen Mittwoch werde in Hackney (London) das erste reguläre Studio-Album der Rolling Stones seit achtzehn (!) Jahren vorgestellt.

 

Überschrift inspired by: Du fährst zu oft nach Heidelberg (Erzählung) © Heinrich Böll, 1977

Überschrift also inspired by: Father and Son © Cat Stevens, 1970

Lyrics: Justified & Ancient © The KLF, 1991

Tatort – Erbarmen © Bastian Günther (Drehbuch, Regie)/Michael Kotschi (Kamera)/Hessischer Rundfunk, 2023

* „Hätte, hätte, Fahrradkette“ (Zitat) © Peer Steinbrück, 2013 (ist das nicht schon viel länger her?)

 

Gesichtszüge / Er fährt ’n 30 Tonner Diesel.

Fiktives Vinyl: Jürgen Stalin – „Weltwunden“ (MfS) © Kai von Kröcher, 2004/2022

 

Talking about the car wash, yeah, this ain’t no place to be if you planned on being a star. +++ In meiner Berliner Anfangszeit – auch schon tausend Mal erzählt, die Geschichte. In meiner Anfangszeit habe ich ja mal an der Tankstelle gearbeitet, elf Stunden Nachtschalter bis morgens um sechs. Nach mir noch Generationen anderer Künstler, die Tanke hat alle ernährt. Selbst den Abend des 9. Novembers habe ich, eingeschlossen hinter Panzerglas, hier verbracht. Zu Otto gestern nämlich hatte ich irgendetwas gesagt, so von wegen: Tankstellen in dem Sinne wirst du später wahrscheinlich gar nicht mehr kennen. Als ob er mit so einem Statement etwas anfangen könnte, aber er ist ja ein sehr verständiger Hund. An meiner Tankstelle immerhin hatte Gunter Gabriel einmal eine Fotosession abgehalten, allerdings vor meiner Zeit – irgendwas mit ’nem Motorrad, die Chefin hat es mir mal erzählt. +++ Die Schallplatte, die wir heute hier vorstellen wollen, ist eine Wiederveröffentlichung, original aus dem Jahr 2004 – als Jürgen Stalin der Orgel noch kranke Gitarren und Sequenzer vorzog und nebenbei voll auf Autoerotik setzte. Das Coverfoto, anders als bei Gunter Gabriel mit dem Motorrad seinerzeit – das Coverfoto hier war ein Selbstporträt, so wie der Künstler sein Innerstes sah. +++ Textlich dabei hochsensibel bis nachdenklich. +++ Bei den Verkehrsmeldungen im Radio fiel mir die Bedeutung einer Redensart vorhin von den Augen: Irgendwo war eine Straßenbahn entgleist, und, mit Blick auf das Albumcover (oben), dachte ich: Und Jürgen Stalin entgleisen hier gleich die Gesichtszüge – da verstand ich den Spruch zum ersten Mal bis ins Mark…

 

Überschrift inspired by: Weltwunden © Jürgen Stalin, 2004

Überschrift also inspired by: Er ist ein Kerl © Gunter Gabriel, 1973

Lyrics: Car Wash © Rose Royce, 1976

The Ice Maiden / Fünf, sechs, vier, sechs.

Fiktives Vinyl: Der feige Mensch – Das Bersten von Sellerie © Kai von Kröcher, 2021

 

Wir sind sehr stolz auf Katharina Witt, Katharina. +++ Gestern zum ersten Mal mit dem Sohn auf dem Eis: Der Urbanhafen füllte sich gerade mit Schlittschuhläufern, als hinter den Hügeln der Polizeiapparat sich in Position brachte: Einen Tag vorher erst war im Treptower Park ein Eisbader nach drei Stunden Suche unter dem Eis geborgen worden – in solchen Fällen kann man Menschen anscheinend noch sechs Stunden lang reanimieren, theoretisch wäre das möglich.

 

Überschrift inspired by: The Ice Maiden © Prefab Sprout, 1990

Überschrift also inspired by: Graf Zahl © Paul Kalkbrenner, 2021

Lyrics: Born in the G.D.R. © Sandow, 1990