Gesichtszüge / Er fährt ’n 30 Tonner Diesel.

Fiktives Vinyl: Jürgen Stalin – „Weltwunden“ (MfS) © Kai von Kröcher, 2004/2022

 

Talking about the car wash, yeah, this ain’t no place to be if you planned on being a star. +++ In meiner Berliner Anfangszeit – auch schon tausend Mal erzählt, die Geschichte. In meiner Anfangszeit habe ich ja mal an der Tankstelle gearbeitet, elf Stunden Nachtschalter bis morgens um sechs. Nach mir noch Generationen anderer Künstler, die Tanke hat alle ernährt. Selbst den Abend des 9. Novembers habe ich, eingeschlossen hinter Panzerglas, hier verbracht. Zu Otto gestern nämlich hatte ich irgendetwas gesagt, so von wegen: Tankstellen in dem Sinne wirst du später wahrscheinlich gar nicht mehr kennen. Als ob er mit so einem Statement etwas anfangen könnte, aber er ist ja ein sehr verständiger Hund. An meiner Tankstelle immerhin hatte Gunter Gabriel einmal eine Fotosession abgehalten, allerdings vor meiner Zeit – irgendwas mit ’nem Motorrad, die Chefin hat es mir mal erzählt. +++ Die Schallplatte, die wir heute hier vorstellen wollen, ist eine Wiederveröffentlichung, original aus dem Jahr 2004 – als Jürgen Stalin der Orgel noch kranke Gitarren und Sequenzer vorzog und nebenbei voll auf Autoerotik setzte. Das Coverfoto, anders als bei Gunter Gabriel mit dem Motorrad seinerzeit – das Coverfoto hier war ein Selbstporträt, so wie der Künstler sein Innerstes sah. +++ Textlich dabei hochsensibel bis nachdenklich. +++ Bei den Verkehrsmeldungen im Radio fiel mir die Bedeutung einer Redensart vorhin von den Augen: Irgendwo war eine Straßenbahn entgleist, und, mit Blick auf das Albumcover (oben), dachte ich: Und Jürgen Stalin entgleisen hier gleich die Gesichtszüge – da verstand ich den Spruch zum ersten Mal bis ins Mark…

 

Überschrift inspired by: Weltwunden © Jürgen Stalin, 2004

Überschrift also inspired by: Er ist ein Kerl © Gunter Gabriel, 1973

Lyrics: Car Wash © Rose Royce, 1976

Underwater Love / Der alten Krake ihr zweites Gesicht.

Gruß von Ben Wa(r)gin: Aliens incognito, Savignyplatz (No. 3819) © Kai von Kröcher, 2019

 

You abandoned me, love don’t live here anymore. +++ Dänisches Bettenlager ändert seinen Namen in „Grzyb“ – hört sich weltoffener an und lässt sich leicht merken. +++ Das Bild heute kennen Sie schon, aber ich finde es super: ich haue jetzt nacheinander alle raus! +++ Beim Einkauf mit meinem Sohn gestern bei der Drogerie-Kette Schlecker hatte ich mich im Affekt zu einem Spontankauf hinreißen lassen – ich warf Otto die Hör-CD von Dirk Roßmann in den Korb: Der neunte Arm des Oktopus – eine zeitlang hatte man nicht das Radio einschalten können, ohne die Werbung dafür zu hören. ‚Warum liest du nicht lieber Herta Müller?‘, werden Sie fragen. Weil ich nicht glaube, dass nur literarisch Brauchbares schreiben kann, wer nicht Drogerieketten-Besitzer aus der Nähe Hannovers ist. Und weil ich es noch besser finde, dass ein einflussreicher Konzernchef sich aktiv im Klimaschutz engagiert. Man muss ja nicht immer alles scheiße finden. Und weil mein Sohn Otto den Edaname/Erbsen-Aufstrich von Rossmann liebt. Und weil ich ein Gutmensch bin – außerdem wird auf der CD-Hülle Udo Lindenberg zitiert, der da urteilt: „Das ist Hammer. Super spannend. Respekt!“ +++ Tönnies hat bestimmt auch eine flüssige Schreibe! +++ Gestern waren Otto und ich an der Friedrichsgracht spazieren. Friedrichsgracht oder Friedrichsgraben – neulich hatte ich fälschlicherweise von der „Fischergracht“ gesprochen. Sie wissen schon: Otto Nagel – und darüber war mir dann plötzlich auch Jimmy Nail wieder eingefallen: desser höchst schwermütiger Song damals passte zu den verregneten Autobahnfahrten im Frühsommer ’85 nach Osnabrück – und wenn ich nicht böse irre, gab es ihn gleichzeitig in der Version von Madonna. +++ Was mich an Dirk Roßmanns Hörbuch stört: Es lässt sich auf meinem Lesegerät nicht abspielen – und blöderweise, an der Kasse gestern: „Möchten Sie den Beleg?“ „Danke, brauche ich nicht.“ +++ Im Traum heute früh spielte ich in einem Schwarzweiß-Film mit – einem amerikanischen Western, den drehten wir unter Wasser. Die anderen dicken Typen allesamt erfahrene US-Stars. Ich fand das jedenfalls ganz schön anstrengend, so unter Wasser – ein Take dauert jeweils immer nur wenige Sekunden, dann musste man Luft holen.

 

Überschrift inspired by: Underwater Love © Smoke City, 1995

Überschrift also inspired by: Der neunte Arm des Oktopus (Thriller / Hörbuch) © Dirk Roßmann, 2020

Bildunterschrift inspired by: Ben Wagin (* 25. März 1930 in Jastrow, Landkreis Deutsch Krone; † 28. Juli 2021 in Berlin), dt. Künstler, Bildhauer, Aktionskünstler, Autor  

Lyrics: Love Don’t Live Here Anymore © Jimmy Nail, 1985 (Cover)

Wolfgang Grzyb (* 29. Juli 1940 in Braunschweig; † 7. Oktober 2004 ebenda), dt. Profifußballer, Deutscher Meister 1966/67 mit Eintracht Braunschweig

JYSK Holding A/S, weltweit tätige Handelskette mit Sitz bei Aarhus, heißt in Deutschland ab 27. September nicht mehr Dänisches Bettenlager, sondern JYSK

Dirk Roßmann (* 7. September 1946 in Hannover), dt. Unternehmer und Bestseller-Autor

Clemens Tönnies (* 27. Mai 1956 in Rheda), dt. Sympathieträger und Schweinepriester

Häuser der Friedrichsgracht (Pastell, 49 x 58 cm) © Otto Nagel, 1941

Love Don’t Live Here Anymore © Madonna, 1984 (Cover)

Herta Mülla (* 17. August 1953 in Nițchidorf, Volksrepublik Rumänien), dt. Schriftslellerin, im rumänischen Banat aufgewachsen – Nobelpreis für Literatur 2009