Moves Like Jagger / Kannawoniwasein.

Angry: Jürgen Stalin – Weltwunden © Kai von Kröcher, 2003/2022

 

While Angry from Manchester writes to complain about all the repeats on TV. +++ Weil ich mit Otto so wenig fernsehe – selbst unser geliebtes Dekker-Video This Here Island haben wir ewig nicht mehr geschaut. Manchmal so’n Zeichentrickdingens mit einem Trecker und einem tanzenden Pferd, da geht uns beiden das Herz auf. Ansonsten lebt Otto in einem Tal der Ahnungslosen. Um durch Entzug nun aber nicht künstlich Sehnsüchte zu wecken, hatte ich neulich gesagt, wir gehen ins Kino. Haben uns beide sehr drauf gefreut, gestern sind wir dann los. In gleißender Nachmittagssonne ins Moviemento am Zickenplatz: Kannawoniwasein, mein Sohn konnte den Titel schon fehlerfrei aufsagen. So saßen wir also in Saal 3, außer uns noch ein anderer Father mit Son. Der Film ging auch gleich werbefrei los, und bald merkte ich, mein Sohn fühlt sich nicht wohl. Er verkrampfte mehr und mehr, hängte sich eng an mich ran. Nach zwanzig Minuten war für ihn Schluss – der Film sei ihm zu krass, flüsterte er mir ins Ohr. Zurück im Foyer, boxte ich ihm aufmunternd den Bizeps, der sei ja schließlich auch erst ab sechs – und er in einer Woche erst fünf! „Ja“, sagte er: „Nächstes Mal gucken wir einen Film, der ab vier ist!“ +++ Einige meiner Freunde wünschen Mick Jagger auf nichts weniger als den elektrischen Stuhl – mich aber hatte das Video vorgestern geflasht! Das kam aus vollkommen heiterem Himmel. Mit Synchronizitäten im Alltag kenne ich mich ja meisterhaft aus, da hätte es mich nach meinem Traum auch nicht gewundert, wäre zum Beispiel Ron Wood plötzlich tot oder so. Mit einem neuen Song allerdings hätte ich nun weiß Gott nicht mehr gerechnet, und dann gleich so ein Brett! Das Riff setzte mich direkt unter Strom, zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren habe ich in der Wohnung getanzt. Die Rückenschmerzen sind plötzlich weg, die alten Moves wieder da – mein Vater drückt mir den BMW-Schlüssel in die Hand, an einem brütend heißen Junimorgen im Jahre 1982 fahre ich mit vier meiner Freunde auf der Autobahn nach Hannover. Niedersachsenstadion, erste Reihe, Vorprogramm Peter Maffay: „Halllo Rrrrockerrr!“ +++ Anders als Kannawoniwasein hat Otto das Angry-Video begeistert verschlungen. Die Typen seien in Wirklichkeit jetzt steinalt, hatte ich ihm erklärt. Man sehe hier Aufnahmen von früher – auch den verstorbenen Charlie Watts an den Drums, Mick Taylor, Bill Wyman natürlich (der ja der Stiefvater seiner eigenen Stiefmutter ist, doch das hätte ihn nur unnötig verwirrt). Otto hat das Video analysiert, auf unserem Bett dann die blonde Amibraut in dem roten Mercedes Cabrio nachgespielt. Wenn er ein bisschen älter ist, nehme ich ihn mit ins Olympiastadion – don’t get angry with me!

 

Überschrift inspired by: Moves Like Jagger © Maroon 5, 2011

Überschrift also inspired by: Kannawoniwasein (Roadmovie) © Stefan Westerwelle (Regie), D 2023

Bildunterschrift: Angry © The Rolling Stones, 2023

Lyrics: Nothing Ever Happens © Del Amitri, 1989

This Here Island © Dekker, 2019

Das Lied über die Tiere (Zeichentrick) © Lidia Gottmann (Autorin), 2017

Father and Son © Cat Stevens, 1970

 

 

Du fährst zu oft nach Heidelberg / But your dreams may not.

Bei dieser Gelegenheit noch einmal das hier: Bastian Günther, Anhalter Steg/Kreuzberg © Kai von Kröcher, 2021 (Oktapolare Fotografie)

 

Justified, hey hey, all bound for Mu Mu Land. +++ Seit einiger Zeit, Sie ahnen es schon. Seit einiger Zeit führe ich ein geheimes Doppelleben, das mich regelmäßig nach Charlottenburg, äh, führt. Vorgestern am Vormittag, goldene Spätsommersonne über der Spree, zwei schüchterne Viertklässler stellen sich mir in den Weg: „Haben Sie kurz einen Moment Zeit?“ Hatte ich eigentlich nicht, doch die Jungs waren sehr höflich. „Es geht auch sehr schnell, nur eine Umfrage für die Schule: ‚Was sehen Sie als die größte Herausforderung in Ihrem Leben?'“ +++ Dass Indiens Abhängigkeit von russischem Öl künftig abnehmen wird, davon berichtet die Berliner Zeitung in ihrer Online-Ausgabe vom vergangenen Freitag: „Indiens Ölminister Hardeep Puri prognostiziert nun, dass die Abhängigkeit seines Landes von russischem Öl abnehmen werde. ‚Unsere Abhängigkeit von russischem Öl wird stark abnehmen‘, sagte der indische Politiker in einem Bloomberg-Interview.“ +++ Wo die Kultur neuerdings hier doch auffallend kurz kommt: Kürzlich kriegte ich Post aus Austin/Texas. Regisseur Bastian Günther schreibt, sein neuer Tatort aus Frankfurt laufe kommenden Sonntag im linearen TV um 20:15 Uhr. Den Namen der Folge weiß ich nicht, aber soweit ich mich erinnere, wird es der letzte Auftritt von Brix und Janneke als Ermittlerteam sein. Hinter der Sache verbirgt sich allerdings noch eine weitere tragische Fahrradketten*-Geschichte, wie einzig am Ende das Leben sie schreibt: Ursprünglich nämlich hatte der Autor dieser Zeilen hier, Ihr alter Kupferstecher also. Der hatte beim Dreh in Frankfurt am Main wieder die Standfotos schießen sollen, so hatten wir uns das gedacht. Statt aus Berlin nun aber immerzu einen alten Zausel einfliegen und unterbringen zu müssen, entschied sich die Produktionsfirma dann letztlich für die kostengünstigere Variante und nahm einen Fotografen aus Hessen. +++ Lange keine, wie hieß das noch mal? Wenn zwei Dinge zufällig gleichzeitig geschehen, die irgendeine geheimnisvolle Verbindung haben? Duales System? Kurz vorm Aufwachen jedenfalls heute am Morgen. Ich habe geträumt, was ich in abgewandelter Form häufiger träume: Ich war Mitglied der Rolling Stones und es war wenige Minuten vor Auftritt im Berliner Olympiastadion. Charlie Watts lebte noch, ich trug eine Art rotgestreiften Pyjama aus Seide. Ich hampelte mich backstage etwas warm, wackelte mit dem Hintern, ich war Mick Jagger. Das merkwürdige allerdings: wir würden an diesem Abend ausschließlich Rammstein-Songs spielen – Row Zero, you know. Eröffnen aber wollten wir die Show eigenartigerweise mit Justified & Ancient von The KLF! +++ Und was passiert, als ich kurz nach neun heute früh den Haussender im Radio einschalte? Die Moderatorinnen erzählen, am heutigen Mittwoch werde in Hackney (London) das erste reguläre Studio-Album der Rolling Stones seit achtzehn (!) Jahren vorgestellt.

 

Überschrift inspired by: Du fährst zu oft nach Heidelberg (Erzählung) © Heinrich Böll, 1977

Überschrift also inspired by: Father and Son © Cat Stevens, 1970

Lyrics: Justified & Ancient © The KLF, 1991

Tatort – Erbarmen © Bastian Günther (Drehbuch, Regie)/Michael Kotschi (Kamera)/Hessischer Rundfunk, 2023

* „Hätte, hätte, Fahrradkette“ (Zitat) © Peer Steinbrück, 2013 (ist das nicht schon viel länger her?)

 

The Three Shadows Part II / Charlie is my Darling.

The Three Shadows: Bastian Günther © Kai von Kröcher, 2021

 

I’m trying to keep my newspaper dry, I hear myself say ‚My boat’s leaving now‘, so we shake hands and cry now, I don’t want to cry again. +++ Jedenfalls kam der so angefahren, da oben auf der Fußgängerbrücke, und statt einfach mal kurz einen Schlenker zu machen und um uns herumzufahren – Platz war ja da ohne Ende – jedenfalls „paulte“ er mich da an auf seinem Businessfahrrad von wegen, ob ich nicht Platz machen kann. +++ Die Geschichte hatte ich im letzten Post schon erzählt, ich weiß. Aber diese ewige Rechthaberei geht mir so was von – ist ja jetzt auch egal. +++ Für die Spürnasen unter Ihnen, für Detektive: Gibt es an dem Bild oben eine Veränderung, oder warum zeige ich es heute nochmal? Oder will ich es einfach nur zum Kauf anbieten, sagen wir: kleine Auflage, großes Format, fairer Preis? Ich muss meine Verkaufsstrategie ändern, sagen die Leute, wenn ich jemals auf einen grünen Zweig kommen will. Filmfreunde können es haben (und meinetwegen auch Otto-Normalverbraucher, haha, da bin ich ganz ehrlich). Die können es haben für, sagen wir mal, großzügig kalkulierte 85.000 € VB bei einer Größe von ziemlich genau 2,54m x 1 Meter fünfzig kaschiert. +++ Wirkt ein wenig runder, ohne die kaputten Schatten da unten am Rand, meinen Sie nicht vielleicht auch? +++ Jetzt ist schon wieder jemand gegangen: Als neulich die Nachricht von Charlie Watts‘ Tod im Radio kam, konnte ich mir das gar nicht vorstellen: eine Welt ohne Charlie Watts. Gestern nun gerade Danilo Popivoda, ich kann mich noch an die Schlagzeile erinnnern in der Bild-Zeitung damals: „Popi nie da“ – dass der jetzt gestorben ist! Da muss man sich nun langsam auch mal mit der Möglichkeit einer eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen, das kann doch nicht wahr sein. +++ Der letzte Wagen ist immer ein Kombi, was wollen Sie sich an diese lästigen 85.000 € klammern?! +++ Charlie is my Darling kann ich als Konzertfilm übrigens nur empfehlen: dreht sich um die zweite Irland-Tour der Rolling Stones Anfang September 1965. Sicher werden Sie wieder sagen, Hi-Hi-Hilfe von den Beatles ist besser, aber darum geht es doch gar nicht – Habeck zum Beispiel ist ja auch besser als der fröhliche Armin, doch was hat das jetzt alles mit mir zu tun?

 

Überschrift inspired by: The Three Shadows Part II © Bauhaus, 1982

Überschrift also inspired by: Charlie is my Darling (Tourfilm) © Peter Whitebread, UK 1966

Lyrics: Manhattan Skyline © A-ha, 1986

Charlie Watts (* 2. Juni 1941 in Bloomsbury; † 24. August 2021 in London), britischer Schlagzeuger

Данило Попивода (* 1. Mai 1947 in Lóvcenac, SGR Jugoslawien; † 9. September 2021 in Montenegro), jugoslawischer Fußball-Nationalspieler, von 1975 – 1981 Rechtsaußen bei Eintracht Braunschweig

One of these Days (Filmdrama) © Bastian Günther (Drehbuch, Regie), D 2020

Der letzte Wagen ist immer ein Kombi © Gunter Gabriel, 1994

Help (Musikfilm) © Richard Lester (Regie), GM 1965

Robert Habeck (* 2. September 1969 in Lübeck), dt. Politiker

Armin Laschet (* 18. Februar 1961 im Aachener Ortsteil Burscheid), dt. Politiker