Oktapolare Fotografie: Molkenmarkt mit Parochialkirche, Altes Stadthaus, Großer Jüdenhof, Nikolaikirche, Rotes Rathaus, Fernsehturm, Klosterruine © Kai von Kröcher, 2021
Tu es la vague. +++ Ich für meinen Teil bin ja jetzt eher einer von diesen gemächlichen Fahrradfaschisten, und da war ich nach längerer Zeit neulich mal wieder alleine am Molkenmarkt. ‚Uiii‘, werden Sie vielleicht denken. Aber ganz so beschaulich, wie Sie sich das vorstellen, ist das natürlich nicht. +++ Mein Sohn jedenfalls hat sich über die ersten Jahre immer mal wieder gerne ein Buch mit Bildern von Otto Nagel angeschaut. Zur Zeit dieser Bilder durfte er (Otto Nagel/Anm.d.Red.) schon nicht mehr in seinem eigenen Atelier arbeiten, da malte er auf der Straße. Vorausahnend hielt er fest, was kurze Zeit später dem Bombenhagel (und nach dem Krieg teilweise der Stadtplanung) zum Opfer fiel. Es gibt da auch dieses Bild vom Großen Jüdenhof, und dieser Große Jüdenhof – auf meinem Foto (oben) läge der etwa auf neun Uhr, rechts neben dem Plattenbau. +++ Ich finde mein Bild ja großartig, besonders wenn ich getrunken habe. Im Krieg stark getroffen, war der Große Jüdenhof nach Kriegsende jedenfalls zu einem Parkplatz eingeebnet worden – das fand man top, seinerzeit. Die alten Straßenverläufe der ganzen Gegend sollen ja nun nach und nach ungefähr rekonstruiert werden, was ich wiederum top finde! Und – lange Rede, kurzer Sinn. Jedenfalls stand ich da neulich an dieser Baustelle und staunte nicht schlecht: Die Akazie, die auch auf dem Gemälde von Otto Nagel schon zu sehen ist. Diese Akazie, 1938 gepflanzt, die im Krieg stark beschädigt worden war und lange als tot galt – als Stumpf steht sie inmitten der Asphaltwüste noch heute, und irgendwann fing sie dann an, wieder auszuschlagen. +++ Wie Sie wissen, bin ich ein unbestechlicher Beobachter der deutschen Medienlandschaft. Und regelmäßig beim Einkauf im Markendiscounter werfe ich einen interessierten Blick auf die Schlagzeile der Bildzeitung. Heute ist ja Jane Birkin gestorben. Und damals, als Tina Turner starb – auch schon wieder ein bisschen her. Da schoss mir so durch den Kopf: Mit ihrem Tod hatte sie geschafft, was vor ihr noch keinem in letzter Zeit gelungen war – mit ihrem Tod hatte Tina Turner Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als Staatsfeind No. 1 von der Titelseite verdrängt. +++ Gerade habe ich endlich kapiert, was das überhaupt heißen soll, dieses „moi non plus“, dem Internet gilt mein Dank: Salvador Dalí einst soll nämlich gesagt haben: „Picasso ist Kommunist – und ich auch nicht.“ Verstehen Sie? Ich auch nicht, das ergibt in dem Zusammenhang natürlich erst einmal keinen Sinn. Oberflächlich betrachtet zumindest. Was das in diesem bekannten französischen Popsong aber zu suchen hat (Je t’aime … moi non plus/Anm.d.Red.), das kann ich Ihnen leider auch nicht erklären.
Überschrift inspired by: Der Staatsfeind Nr. 1 (Enemy of the State – Actionthriller mit Gene Hackman, Will Smith u.a.) © Tony Scott (Regie), USA 1998
Überschrift also inspired by: What’s Love Got to Do with It © Tina Turner, 1984
Lyrics: Je t’aime … moi non plus © Serge Gainsbourg & Jane Birkin, 1967
Der Große Jüdenhof (Ölgemälde, 61 x 77,5 cm) © Otto Nagel, 1942
Otto Nagel († 27. September 1894 in Berlin-Wedding; † 12. Juli 1967 in Berlin-Biesdorf), dt. Maler, Schriftsteller und Kommunist, erster Herausgeber der Satirezeitschrift Eulenspiegel
Berliner Bilder – Otto Nagel © Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin/DDR, 1970
Jane Birkin (* 14. Dezember 1946 in Marylbone, London; † 16. Juli in Paris), brit.-frz. Sängerin und Schauspielerin, Mutter u.a. von Charlotte Gainsbourg
Tina Turner (* 26 November 1939 als Anna Mae Bullock in Brownsville, Tennessee; † 24. Mai 2023 in Küsnacht, Kanton Zürich), urspr. US-amerikanische Soulsängerin – ab 2013 Schweizerin
Robert Habeck (* 2. September 1969 in Lübeck), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz stellvertretender Bundeskanzler