Under the Möckern Bridge / Der Gandhi der Bundesliga.

Fiktive Postkarten: Alt-Berlin (Molkenmarkt/Nikolaikirche) © Kai von Kröcher, 2024

Fiktive Postkarten: Gruß aus Berlin (Möckernbrücke) © Kai von Kröcher, 2024

Fiktive Postkarten: Biesdorf-Süd © Kai von Kröcher, 2024

 

It’s hard to believe that there’s nobody out there. +++ Aber wahr. +++ Vielleicht bin ich ganz einfach der Gandhi unter den latent Fußballinteressierten. Jedenfalls: ich bin ja immer so tolerant, dass es beinahe schon weh tut. Mein Sohn und ich, letzten Sonnabend sind wir spontan also wieder zur Alten Försterei, natürlich hatten wir gar keine Karten. Wir setzen uns einfach immer nur in den Wald und lauschen der Kulisse. +++ Das auf den Fotos aber sind andere Sachen – ich finde den Bogen hier nicht. +++ An der Bratwurstbude vorm Stadion – im Herzen und vom Verstand her bin ich ja eher der Vegetarier, doch in so einem Setting kann ich einfach nicht anders. Die Würstchenfrau zwinkerte Otto kumpelhaft zu: „Na, biste mit Opa zum Fußball?“ Wir sehen uns dann immer so an, innerlich mit den Augen gerollt. +++ Gegen Ende der zweiten Halbzeit sprachen uns zwei freundliche Jungens an, ob wir für Union seien. „Ja, aber wir haben keine Ahnung, wie es steht.“ „1:0 für Leverkusen“, meinte der eine, erzählte was von Elfmeter. Und dass er ein Foto hat von sich mit Gosens. +++ Nun hörten wir auch die Leverkusener drinnen singen. Der Gandhi in mir gratulierte Bayer 04 vorzeitig zur Deutschen Meisterschaft, von Herzen Xabi Alonso. Obwohl für Union, obwohl Sympathisant des ruhmreichen FC Bayern – das verstehen Sie nicht. Zum Olympiastadion werden Gandhi und Sohn demnächst natürlich dann auch mal…

 

Überschrift inspired by/Lyrics: Under the Bridge © Red Hot Chili Peppers, 1991

Überschrift also inspired by: Mahatma Gandhi (* 2. Oktober 1869 in Porbandar; † 30. Januar 1948 in Neu-Delhi), ind. Rechtsanwalt, Motorradfahrer, Asket und Pazifist

Xabi Alonso (* 25. November 1981 in Tolosa, Baskenland), ehem. span. Fußballnationalspieler und heutiger Trainer bei Bayer 04 Leverkusen

Robin Gosens (* 5. Juli 1994 in Emmerich am Rhein), dt.-niederl. Fußballspieler, zzt. bei Union und ehemals dt. Nationalelf

Staatsfeind No. 1 / What’s Love Got to Do with It.

Oktapolare Fotografie: Molkenmarkt mit Parochialkirche, Altes Stadthaus, Großer Jüdenhof, Nikolaikirche, Rotes Rathaus, Fernsehturm, Klosterruine © Kai von Kröcher, 2021

 

Tu es la vague. +++ Ich für meinen Teil bin ja jetzt eher einer von diesen gemächlichen Fahrradfaschisten, und da war ich nach längerer Zeit neulich mal wieder alleine am Molkenmarkt. ‚Uiii‘, werden Sie vielleicht denken. Aber ganz so beschaulich, wie Sie sich das vorstellen, ist das natürlich nicht. +++ Mein Sohn jedenfalls hat sich über die ersten Jahre immer mal wieder gerne ein Buch mit Bildern von Otto Nagel angeschaut. Zur Zeit dieser Bilder durfte er (Otto Nagel/Anm.d.Red.) schon nicht mehr in seinem eigenen Atelier arbeiten, da malte er auf der Straße. Vorausahnend hielt er fest, was kurze Zeit später dem Bombenhagel (und nach dem Krieg teilweise der Stadtplanung) zum Opfer fiel. Es gibt da auch dieses Bild vom Großen Jüdenhof, und dieser Große Jüdenhof – auf meinem Foto (oben) läge der etwa auf neun Uhr, rechts neben dem Plattenbau. +++ Ich finde mein Bild ja großartig, besonders wenn ich getrunken habe. Im Krieg stark getroffen, war der Große Jüdenhof nach Kriegsende jedenfalls zu einem Parkplatz eingeebnet worden – das fand man top, seinerzeit. Die alten Straßenverläufe der ganzen Gegend sollen ja nun nach und nach ungefähr rekonstruiert werden, was ich wiederum top finde! Und – lange Rede, kurzer Sinn. Jedenfalls stand ich da neulich an dieser Baustelle und staunte nicht schlecht: Die Akazie, die auch auf dem Gemälde von Otto Nagel schon zu sehen ist. Diese Akazie, 1938 gepflanzt, die im Krieg stark beschädigt worden war und lange als tot galt – als Stumpf steht sie inmitten der Asphaltwüste noch heute, und irgendwann fing sie dann an, wieder auszuschlagen. +++ Wie Sie wissen, bin ich ein unbestechlicher Beobachter der deutschen Medienlandschaft. Und regelmäßig beim Einkauf im Markendiscounter werfe ich einen interessierten Blick auf die Schlagzeile der Bildzeitung. Heute ist ja Jane Birkin gestorben. Und damals, als Tina Turner starb – auch schon wieder ein bisschen her. Da schoss mir so durch den Kopf: Mit ihrem Tod hatte sie geschafft, was vor ihr noch keinem in letzter Zeit gelungen war – mit ihrem Tod hatte Tina Turner Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als Staatsfeind No. 1 von der Titelseite verdrängt. +++ Gerade habe ich endlich kapiert, was das überhaupt heißen soll, dieses „moi non plus“, dem Internet gilt mein Dank: Salvador Dalí einst soll nämlich gesagt haben: „Picasso ist Kommunist – und ich auch nicht.“ Verstehen Sie? Ich auch nicht, das ergibt in dem Zusammenhang natürlich erst einmal keinen Sinn. Oberflächlich betrachtet zumindest. Was das in diesem bekannten französischen Popsong aber zu suchen hat (Je t’aime … moi non plus/Anm.d.Red.), das kann ich Ihnen leider auch nicht erklären.

 

Überschrift inspired by: Der Staatsfeind Nr. 1 (Enemy of the State – Actionthriller mit Gene Hackman, Will Smith u.a.) © Tony Scott (Regie), USA 1998

Überschrift also inspired by: What’s Love Got to Do with It © Tina Turner, 1984

Lyrics: Je t’aime … moi non plus © Serge Gainsbourg & Jane Birkin, 1967

Der Große Jüdenhof (Ölgemälde, 61 x 77,5 cm) © Otto Nagel, 1942

Otto Nagel († 27. September 1894 in Berlin-Wedding; † 12. Juli 1967 in Berlin-Biesdorf), dt. Maler, Schriftsteller und Kommunist, erster Herausgeber der Satirezeitschrift Eulenspiegel

Berliner Bilder – Otto Nagel © Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin/DDR, 1970

Jane Birkin (* 14. Dezember 1946 in Marylbone, London; † 16. Juli in Paris), brit.-frz. Sängerin und Schauspielerin, Mutter u.a. von Charlotte Gainsbourg

Tina Turner (* 26 November 1939  als Anna Mae Bullock in Brownsville, Tennessee; † 24. Mai 2023 in Küsnacht, Kanton Zürich), urspr. US-amerikanische Soulsängerin – ab 2013 Schweizerin

Robert Habeck (* 2. September 1969 in Lübeck), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz stellvertretender Bundeskanzler

 

Dave Dee, Dozy, Beacky, Mick and Tich / Wer leiden will, muss fühlen.

Und keiner weiß mehr, wie es früher war: Oktapolaris, Grunerstraße © Kai von Kröcher, 2021

 

No need to run and hide, it’s a wonderful life. +++ Auf dem Weg von der Kita zurück fließen einem immer so druckreife Philosophien durch den Kopf, zu Hause angekommen sind sie vergessen. +++ Von der Festplatte gelöscht, sozusagen. +++ Wie finden Sie das Bild eigentlich heute? Das war ein sonniger Tag im März dieses Jahr, da war ich zu Fuß von zu Haus bis zum Alexanderplatz spaziert – und zurück. Die zerrissene Stadt – am eingebauten Schrittzähler gemessen erstaunlich wenig. +++ Und was haben Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick und Tich mit der Sache zu tun?

 

Überschrift inspired by: Don’t Get Weird On Me, Babe © Lloyd Cole, 1991

Bildunterschrift taken from: Flugzeug ohne Räder © Keimzeit, 1990

Lyrics: Wonderful Life © Black, 1986