Mario Basler / Frühstück mit Oligarchen.

Fiktives Vinyl: Die Eleganz – Frühstück mit Oligarchen © Kai von Kröcher, 2006/2022

 

What becomes a legend most, fifty days in fifty cities, and everyone says she looks pretty. +++ Starten wir diesmal mit einem pikanten Spruch: Ich freue mich schon auf heute Abend – auf den Trikottausch nach dem Spiel Österreich gegen Deutschland! +++ Haha, der war in den frühen Siebzigern schon, als ich noch Kind war – da war der schon irgendwie ziemlich lahm. Bringt heute wahrscheinlich höchstens noch Mario Basler. +++ Der Treffer zum 1:0 für die Spanierinnen gegen England gestern übrigens brachte mich augenblicklich zurück ins Endspiel von München, Gerd Müllers Drehung zum 2:1 Siegtreffer gegen Holland. Dabei kann ich mich gar nicht mehr richtig daran erinnern, merkwürdig. +++ In der Zeitung aus Papier heute früh vor dem neuen Café. Der Laden hatte ewig leergestanden, vorher war da ’ne ganz üble Pizzeria drin: die Gläser im Regal verkrochen sich unter einer Jahrhunderte alten Staubschicht, die Pizza war billig und subjektiv betrachtet sehr schlecht. +++ Naja, hat jetzt ein neues Café aufgemacht, die Lage etwas versteckt aber gut: Hinter dem Krankenhaus, falls ich mal wieder – kann man nie wissen. Direkt an Ottos Route zur Kita. Ecke Wilmsstraße, erinnern Sie sich an die Geschichte mit Joop? Hatte mich wochenlang drüber totgelacht. Joop steigt aus irgend’nem Auto – und der Sohn meiner Ex-Freundin ruft zu ihm rüber: „Digger, gib Handy!“ Der Wirt jedenfalls, ich nehme mal an, dass er der Wirt ist. Mittlerweile grüßt er mich immer, wenn wir zwei morgens vorbeigehen. Otto und ich. Mittlerweile ist es dort ganz gut besucht, ich mag diesen Laden. +++ Heute früh hab ich mich da in die Sonne gesetzt, Cappuccino getrunken. Und im Tagesspiegel schrieben sie lang und breit über die Frauen-EM. Und dass man Männer und Frauen nicht immer vergleichen soll. Macht heute wahrscheinlich eh noch allenfalls Mario Basler. Nicht bei den Löhnen, das wäre natürlich okay. Und trotzdem verglich ich das Tor gestern Abend mit Müller. Holland sagt man ja übrigens nicht. +++ Ich würde zum Beispiel – okay, wir wissen jetzt ja noch gar nicht, wie das Spiel heute Abend wird. Doch gehe ich mal davon aus, dass es nicht wieder die Schande von Gijón wird, ein Nichtangriffspakt. Ich würde das Spiel Österreich gegen Deutschland gerne mal mit dem Halbfinale von Mexiko ’70 vergleichen. Wieder Gerd Müller: Deutschland gegen Italien. Ich habe das vor fünfzehn Jahren mal zufällig als Wiederholung in voller Länge gesehen – live hatte mich das seinerzeit nicht einmal peripher interessiert. +++ Gilt immerhin als Jahrhundertspiel. +++ Eigentlich will ich ja nur wieder mein Plattencover posten, deshalb fasele ich so viel Mist. +++ Jedenfalls sah ich das irgendwann mal in voller Länge spätabends im Fernsehen, vielleicht sogar nachts. Es hatte mal so ’ne Zeit gegeben, da wurden ganze Weltmeisterschaften wiederholt. Im Fernsehen natürlich nur. Und das Spiel Italien gegen Deutschland von 1970 – da waren immerhin so Weltklassespieler dabei: Maier, Beckenbauer, Overath, Uwe Seeler, Jürgen Grabowski, lassen Sie sich das ruhig einmal auf der Zunge zergehen! Schnellinger nicht zu vergessen, Vogts. Und bei Italien natürlich auch super Typen dabei, am Ende haben die ja gewonnen. +++ Die Hitzeschlacht von Soundso, das nannte man ehrfürchtig so! +++ Und um das jetzt mal auf den Punkt zu bringen: das Spiel war – rückblickend betrachtet – sensationell! Sensationell langsam – ich wette, die hätten gegen die heutigen Frauenauswahlen absolut keine Chance! +++ Steile These, aber ich will ja eh nur mein Bild posten…

 

Marion Basler (* 18. Dezember 1968 in Neustadt an der Weinstraße), dt. Fußballnationalspieler und -Experte, Trainer

Überschrift also inspired by: Frühstück mit Oligarchen © Die Eleganz, 2022

Lyrics: What Becomes A Legend Most © Lou Reed, 1984

Italien – Deutschland 4:3 (n.V.) | Azteken-Stadion, Mexiko-City |  17. Juni 1970

Österreich – Deutschland | Viertelfinale der Frauen | EM 2022 | Brentford Community Stadium (London) | heute | 21:00 Uhr

Hotter Than July / Blei im Regal, jetzt erst recht.

Fiktives Vinyl: Hotel 3 Jahreszeiten – Mit dir ist alles nicht schön © Kai von Kröcher, 2022

 

You’re truly erupting too hard. +++ Aus der Reihe, wie man Situationskomik am besten vergeigt, da möchte ich heute folgende Geschichte erzählen: Ich kam gestern vom Einkaufen, Brötchen zum Frühstück, spielt für den Plot keine Rolle. Da stand auf der Admiralbrücke einer oder eine in einer Art Hasenkostüm in rosafarbenem Plüsch und spielte Posaune. Verstehen Sie, es war ja gestern schon anständig warm, und ansonsten war kaum jemand unterwegs. Der Bürgersteig das Planufer hoch lag noch im Schatten, das ging noch. Aber die Brücke halt schon voll in der prallen Sonne. Hitzeinsel, Hasenkostüm, Plüsch und Posaune. +++ Ich fand die Situation eigentlich gestern schon nicht sehr komisch, das hatte mich da schon gewundert. +++ Für heute Mittag jedenfalls, der Plan steht. Heute soll es ja noch einen Tick wärmer werden. Da setze ich mich mit einer Flasche Rotwein für ein bis zwei Stündchen selbst auf die Brücke. Später dann schön einen Gänsebraten in den gut vorgeheizten Backofen – mittwochs ist bei uns immer Familientag! +++ Die Verkaufszahlen von Tanker übrigens waren jetzt auch nicht gerade berauschend, gemessen an ihren Klicks – ich fand schon das Cover nicht sonderlich ansprechend mit den Schornsteinen und so. +++ War Ihnen eigentlich noch irgendwas eingefallen, gestern, so von wegen ekelerregender Bandname? +++ Heute haben wir es hier mit dem Album der Band Hotel 3 Jahreszeiten zu tun: Zumindest das Cover kühlt einen direkt mal um mehrere Grade herunter, wir sehen da eine Unterführung am ICC. +++ Samstag dann Club der polnischen Versager: Manzur & Lilian und Interhotel – Double Feature in Mitte! +++ Interhotel zum Beispiel ist ein guter Bandname.

 

Überschrift inspired by: Hotter Than July © Stevie Wonder, 1980

Überschrift inspired by: Es bleibt dein Geheimnis © Tanker, 2022

Lyrics: Fables © Interpol, 2022

Club der polnischen Versager | Ackerstraße 169 | Berlin-Mitte

Blei im Regal / Spaß muss sein.

Fiktives Vinyl: Tanker – Es bleibt dein Geheimnis © Kai von Kröcher, 2013/2022

 

Someone other from the lost and found. +++ Bis auf den harmlosen Scherz mit den Prittstiften war der Post gestern doch ganz okay. +++ „Bahs muss sein“, wie mein Sohn sagen würden. +++ Wäre ein guter Albumtitel: Spaß muss sein. Von der Band ‚Zumutung‘. Dem Sänger ‚Der Chauvinist‘. Oder von ‚Halbtrocken‘, den Politrockern aus Euskirchen. Betonung auf Silbe eins übrigens, wenn ich nicht irre: Euskirchen – und 奥伊斯基兴, falls Sie Chinese sind. +++ Die Band Tanker aus Wolfsburg: Um die Ecke, wenn ich das recht in Erinnerung habe. Um die Ecke ging es zum Schlachthof – ein anheimelndes Fleckchen Erde. +++ Beim Googeln nach „VfL Wolfsburg“ stelle ich eben fest, Nico Kovac scheint Trainer jetzt dort. Interessemäßig bin ich zurzeit ja eher bei Nia Künzer. Kovac finde ich trotzdem gut, das ist kein Geheimnis. +++ ‚Schlachthof‘ wäre auch kein so schlechter Bandname. Welches ist eigentlich der mieseste Bandname der Welt, wo es Sie so richtig abekelt? Gibt es besch*ssene Bandnamen? Spontan fällt mir nichts ein, die Amigos vielleicht. +++ Gemessen an ihren Instagram-Likes gestern war Bernadette Burgmeisters Album ein Flop, euphemistisch gesagt.

 

Überschrift inspired by:  Scheitern als Waffe © Bernadette Burgmeister, 2022

Überschrift also inspired by: Ein bisschen Spaß muss sein © Roberto Blanco, 1972

Lyrics: Shine A Light © Paolo Nutini, 2022

Nia Künzer (* 18. Januar 1980 in Mochudi, Botswana), dt. Fußballweltmeisterin und Fernsehexpertin der ARD

Im Herzen jung © Die Amigos, 2013

Ey, Bacardi / Scheitern als Waffe.

Fiktives Vinyl: Bernadette Burgmeister – Scheitern als Waffe © Kai von Kröcher, 2013/2022

 

Here we are in a fabulous place, what are you gonna dream here. +++ Vielleicht hatte ich es schon erwähnt, aber am Tag meiner Geburt kam ich mit vier linken Händen zur Welt. +++ Nachrichtenagentur TASS. +++ Soll morgen übrigens wieder schön werden: Zweiundzwanzig bis vierzig Grad. +++ Wahrscheinlich war das eine spezielle Form von Synchronizität, jedenfalls war im Eintracht-Stadion zeitgleich zu meinem Post gestern pünktlich um 14:15 Uhr der Lechner-Gong zur Zweiten Bundesliga angeschlagen worden. In meinen Gedanken bin ich zurzeit eher bei Nia Künzer. Die Punkte machten sich dann über die Hamburger Straße komplett auf den Weg nach Hamburg. +++ Das Problem an der, ich möchte es kurz erklären: Das Problem an der Klimakrise ist nicht das Klima und auch nicht die Krise: Das eigentliche Problem sind die Typen mit ihren Prittstiften – nennen wir das Pferd doch beim Namen. +++ Okay, ich hatte das Sicherheitsschloss dann also ausgebaut und war zu einem kleinen Independent-Laden auf der Urbanstraße gelaufen. Er sagte: „Gehen Sie lieber zu Bauhaus“, das fand ich irgendwie seltsam. Ich ging dann also zu Bauhaus, und nach zwei Tagen hatte ich mir ein neues Schloss eingebaut. +++ Der Traum gestern, Sie haben es sicher bemerkt: War nicht so umwerfend. +++ Umwerfend dagegen: Nia Künzer wurde als Tochter von Entwicklungshelfern 1980 in Botswana geboren, das kann jetzt nicht jeder von sich behaupten…

 

Überschrift inspired by: Bernd Buchheister (* 21. September 1962 in Braunschweig), dt. Fußballspieler

Überschrift also inspired by: Scheitern als Waffe © Bernadette Burgmeister, 2022

Lyrics: Don’t Bang the Drum © The Waterboys, 1985

Crisis What Crisis © Supertramp, 1975

Songs in the Key of Life / Niemand konnte es dem Punk verübeln zu tanzen.

Fiktives Vinyl: Echsenmensch – Früher war gestern © Kai von Kröcher, 2008/2022

Fiktives Vinyl: Kommandantur Berlin – Früher war gestern © Kai von Kröcher, 2008/2022

 

„Wer vermisst seinen Schlüssel – den Schlüssel zum sportlichen Erfolg gibt es bei Sport-Siuda.“ +++ Oder so ähnlich. +++ Der Slogan sagt nur jemandem noch irgendwas, der sich auch an den Lechner-Gong noch erinnert. Der auch den Lechner-Gong noch erinnert? +++ I remember that. +++ Als ich am Freitag mit meinem Herrn Sohn jedenfalls zur Kita los wollte, ich drehte mich kurz nach ihm um und zog dabei die Wohnungstür zu – in diesem Moment spürte ich, etwas war anders. +++ Im Hof unten erzählte Otto brühwarm der Nachbarin: „Papa hat gerade den Schlüssel abgebrochen.“ Die Nachbarin so die flache Hand vor den weit aufgerissenen Mund – aber ganz so schlimm war es nicht. +++ Heute werde ich ausnahmsweise etwas schwafeln müssen, ich bin kurz nach sechs direkt aus dem Traum an den Schreibtisch. Ein Traum, der so groß war und so wunderbar – ich werde Sie ein Stück mit hinein nehmen. +++ Die Tür war zum Glück am Sicherheitsschloss noch nicht abgesperrt, das machte die Sache einfach. Der Schlüssel war ohne Quatsch abgebrochen mit dem Widerstand ungefähr einer Salzstange. Mit dem Kuss eines Schmetterlings. Wie man in einen Butterkeks beißt. +++ Im Internet findet sich nichts zum Thema Lechner-Gong – hat denn noch niemand ein Buch darüber geschrieben? +++ Hinter dem neuen Türschloss träumt es sich anscheinend bildgewaltiger, jedenfalls musste ich nach dem Erwachen sofort alles der Nachwelt fein säuberlich niederschreiben: Eine Ausstellung mit dem „Fiktiven Vinyl“ war in Vorbereitung – dazu wollte ich in einer gefakten Band Coversongs singen. Irgendwas von Oasis – Wonderwall oder besser vielleicht Champagne Supernova. All the Young Dudes dann natürlich, pipapo. Das würde der Welt den Kopf davonfegen. Irgendwo las ich eine Kritik, das sei eine vorhersehbare Setlist, ein recht abgedroschenes Programm. Ich träumte sogar den Titel der Ausstellung: „Niemand konnte es dem Punk verübeln zu tanzen“ – fast schon genial! +++ Ich träumte auch von dem Albumcover oben – und dass ich es umbenennen muss: „Kommandantur“ sei der bessere Bandname, wie die Kneipe früher am Wasserturm.

 

Überschrift inspired by: Songs in the Key of Life © Stevie Wonder, 1976

Überschrift also inspired by: Niemand konnte es dem Punk verübeln zu tanzen © Kai von Kröcher, 2022

„Wer vermisst seinen Schlüssel“ – Stadionwerbung, Eintracht-Stadion, Braunschweig (1970er Jahre)

Der Lechner-Gong – Eintracht-Stadion, Braunschweig (1970er Jahre)

I Remember That © Prefab Sprout, 1988

Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen © Zarah Leander, 1942

Wonderwall © Oasis, 1995

Champagne Supernova © Oasis, 1995

All the Young Dudes © Mott the Hoople, 1972 (written by David Bowie)

Kommandantur | Knaackstraße 18 | Berlin-Prenzlauer Berg

Nachtzug nach Nischni Nowgorod / Reiseziel Mond.

Fiktives Vinyl | Facility – Müde und deprimiert © Kai von Kröcher, 2014/2022

 

Früher drehten die Elektrorocker ihre Verstärker auf: Jede Menge Phon, bis zur Ohramputation – und schließlich stand kein Mensch mehr drauf. +++ Die Plattencover der Gruppe Facility gehören sicherlich zum Feinsten, was uns das Popbusiness weit und breit bereitzustellen vermag. Die Songs dagegen eher belanglos: gesichtsblasser Weltuntergangs-Funk deutscher Provenienz – wahrscheinlich steht kein Mensch mehr drauf. +++ Beim Abendbrot gestern schlug mein Sohn vor, wir könnten doch mit dem Flugzeug mal in den Libanon – ich bin da noch unschlüssig. +++ Was ist eigentlich ein Snippet? Ich soll das endlich bearbeiten – und eine Metabeschreibung einrichten, fordert das Internet. +++ Aber das Cover (oben) ist wirklich toll…

 

Überschrift inspired by: Nachtzug nach Nischni Nowgorod © Tibor Weitling, 2022

Überschrift also inspired by: Tim und Struppi – Reiseziel Mond (TintinObjectif Lune) © Hergé, 1953

Lyrics: Elli Pyrelli © Udo Lindenberg & das Panikorchester, 1975

The Lebanon © The Human League, 1984

Alpina Weiß / Schau in den Lauf, Hase.

Fiktives Vinyl: Eloise Golodkowski – Ich habe so vieles geahnt © Kai von Kröcher, 2013/2022

 

Ein kleines Zeichen auf deinem Handgelenk, dein neues Tattoo: Bitte sag mir, dass da nicht Carpe Diem steht. +++ Ich könnte jetzt googeln, aber es gibt doch, wenn man da unten von Karlsbad reinkommt. Thüringen oder Sachsen. Da gibt es doch einen Ort, der ist nach dem Kosmonauten Jähn benannt, Sigmund Jähn – war das nicht Jänschwalde? +++ Und wo wir gerade schon dabei sind: Was ist eigentlich aus meiner Anregung geworden, Bolsonaro einen Lauf in den Rachen zu drücken? Man sollte das Thema nicht auf die lange Bank schieben, ich sag es ja nur. +++ Zur Sicherheit habe ich die Sache jetzt mal gegoogelt, ich muss da wohl etwas durcheinandergebracht haben: Zwar gibt es (natürlich) einen Ort, in dem Sigmund Jähn zur Welt gekommen ist – aber anscheinend doch keinen, der nach ihm benannt ist. In einigen Gemeinden ist Jähn wenigstens Ehrenbürger; Straßen, Schulen und sogar Schiffe sind nach ihm benannt. Es war in der DDR damals übrigens von den Medien nicht darüber berichtet worden, dass Jähn kurz vor dem Start seines Raumfluges ein Enkel geboren war: Die Großvaterrolle habe nicht zu dem Image des verwegenen Weltraumhelden gepasst, heißt es bei Wikipedia. +++ Wahrscheinlich ist es für Sie jetzt ein Schock, aber die Musikgruppen und Stars auf den fiktiven Schallplattenhüllen sind alle ausgedacht, das heißt, es gibt sie in Wirklichkeit nicht. Deshalb trägt die Serie den Titel Fiktives Vinyl – „fiktiv“ nämlich in etwa bedeutet so viel wie „das stimmt nicht“.

 

Überschrift inspired by/Lyrics: Alpina Weiß © SIND, 2017

Überschrift also inspired by: Schau in den Lauf, Hase © Die Höchste Eisenbahn, 2013

Sigmund Jähn (* 13. Februar 1937 in Morgenröthe-Rautenkranz; † 21. Septemberg 2019 in Strausberg), erster Deutscher im Weltall

Eloise © Barry Ryan, 1968

Karlovy Vary (deutsch: Karlsbad), Kurort im Westen der Tschechoslowakei

Jair Messias Bolsonaro (* 21. März 1955 in Glicério/São Paulo), Präsident Brasiliens

Schwermütige Wasser / Der Sonne ist es egal, ob wir Grünkernbratlinge essen.

Fiktives Vinyl | Alois Weidel – Stille Wasser © Kai von Kröcher, 2014/2022

 

Should I give up or should I just keep chasin‘ pavements even if it leads nowhere. +++ Das war ja gar nicht die Alice, das mit der Sonne, das war ja die Storch – Beatrix von Storch: Eines meiner weltliebsten Zitate, das mit den Bratlingen, eine wunderbare Person! +++ Haha, manche Leute haben natürlich ganz andere Sorgen, als sich über Klimazusammenhänge Gedanken machen zu können. Da haben sich einige Geschichtchen angesammelt in den vergangenen Monaten. Eine davon fand ich damals so super, ich habe sie noch niemandem erzählt. +++ Angespornt durch meinen Schrittzähler, es könnte in etwa so Mitte Juni gewesen sein. Jedenfalls, es ging gegen Abend, die Schatten wurden schon länger, das Licht färbte sich golden. Ich kam zu Fuß vom Alexanderplatz, Berlin-Alexanderplatz. +++ Ich will jetzt nicht jeden einzelnen Schritt beschreiben, es waren zehntausende, doch zog es mich langsam die Karl-Marx-Allee entlang Richtung Osten. Ich kam gerade am Strausberger Platz an, vor dem linken der zwei stalinistischen Torhäuser gen Westen. An einer Parkbank tauchte ein kleiner Typ auf. Hatte ein blauweiß gestreiftes Fußballtrikot an, aber nicht Hertha – Motor Jänschwalde vielleicht. +++ Kurze Unterbrechung. +++ Der kleine Typ hätte mich nicht weiter interessiert, wäre er mir nicht wie eine Art Springteufel aufgeregt fuchtelnd ins Bild gestolpert. Er warf sich gerade eine Tasche über die Schulter, war dabei, loszurennen – und rief begeistert etwas von einem Ständer. Verstehen Sie? Den Anfang hatte ich nicht mitbekommen, aber jetzt wurde ich aufmerksam. Ein Wortfetzen: „… ’n Ständer!“ – er hatte zum Himmel gezeigt oder zu den oberen Stockwerken: „Los, hoch – ficken!“ +++ Diesen Ausdruck hatten wir neulich hier schon. +++ Erst jetzt fiel mir die wankende Frau auf, die langsam sich aufrappelte. Noch einen Schluck aus dem Flachmann nahm und ihm schwerfällig hinterher trottete. +++ Okay. +++ Vielleicht doch eher wieder Situationskomik, jedenfalls wollte ich die Angelegenheit etwas genauer unter die Lupe nehmen. Ich folgte den beiden unauffällig, was nicht sehr schwierig war – waren sie doch extrem mit sich selbst beschäftigt, brüllten sich an, schlugen sich. Verloren das eigentliche Ziel aber nicht aus den Augen, das musste man ihnen anrechnen. +++ Um das hier jetzt abzukürzen, wo die Geschichte doch nicht so witzig ist wie gedacht: Der Typ wohnte anscheinend gar nicht mal so in der Nähe, und ich fragte mich, ob er das mit dem Ständer über die Zeit retten würde. Ecke Friedenstraße, kurz vor der Grenze zu Polen, kleiner Scherz. Ecke Friedenstraße ließ ich sie ziehen und ging meiner eigenen Wege. Ich stellte mir seine Bude vor, ein ungelüftetes dunkles Loch mit überquillendem Ascher. Vielleicht aber alles ganz anders. Ich kam dann noch an einer Kirche vorbei, die mir vorher nie aufgefallen war.

 

Überschrift inspired by: Septemberwind (Les Champs-Élysées) © Joe Dassin, 1975

Überschrift also inspired by: Beatrix von Storch (* 21. Mai 1971 in Lübeck), dt. Politikerin

Lyrics: Chasing Pavements © Adele, 2008

Familie Leroc / Fatigue de l’été.

Fiktives Vinyl: Familie Leroc – Sexenklaven © Kai von Kröcher, 2013/2022

 

Tout le temps ça revient, fatigue de l’été. +++ Hatte man Adenauer damals eigentlich „der Alte“ genannt, weil er ein ganz besonders ausgekochter Hund gewesen ist – oder einfach nur, weil er alt war? Macht ja vielleicht einen Unterschied. +++ Gestern jedenfalls war mein Internet plötzlich kaputt. Ich mache nämlich mit bei der Aktion Strom sparen gegen Le Putin, und da hatte ich beim Zubettgehen am Abend vorher im Dunkeln den falschen Stecker am Modem herausgezogen – und dabei die Buchse geschrotet, ein Begriff aus der Landwirtschaft. Direkt heute früh standen zwei überaus freundliche Techniker mit neuer Fritz!-Box vor der Tür, das ging mal fix – man sitzt ja sonst schnell auf dem Trockenen. +++ Sonntag haben wir das dann noch einmal probiert, das mit dem Zollstock: Otto kam jetzt auf kultige 99,8 cm – hinterher aber stellten wir fest, ich hatte die Wasserwaage schief gehalten, das Resultat ist offiziell leider anfechtbar. +++ Wegen Adenauer jetzt noch mal: Der Typ in der Jever-Werbung hatte natürlich nicht von Experimenten gesprochen – Kompromisse hatte er gemeint, das fiel mir dann später erst auf! +++ Vor einiger Zeit hatte ich mir mal Funk-Kopfhörer gekauft, so ultramoderne Teile im Hörgerät-Look. Und jetzt, wo das Internet nicht mehr ging, klemmte ich mein Laptop unter den Arm und setzte mich an den Landwehrkanal. Auf die Wellen geschaut und Fatigue de l’été aufgelegt in Dauerschleife: Ein exquisites Erlebnis, hypnotisierend, mach‘ ich sonst nie – und dabei liebe ich den Geruch von schwermütigem Wasser! +++ Bei der Familie Leroc übrigens handelt es sich streng genommen um keine Familie – die drei Musiker sind letzten Herbst erst aus Norddeutschland zugezogen und bewohnen jetzt eine Art Künstler-WG oben in Pankow, Greta-Garbo-Straße, Hausnummer mir nicht bekannt. +++ Aber was, bitte schön, sollen denn Sexen-Sklaven sein?! +++ Kennen Sie noch den Club der polnischen Versager? Scheint allerdings umgezogen, war früher ja mal an der Torstraße, wenn ich das nicht geträumt habe: Interhotel (Fatigue de l’été/Anm.d.Red.) jedenfalls sollen da spielen am übernächsten Samstag um zwanzig Uhr, Ackerstraße 169 im Berliner Bezirk Mitte. Gemeinsam mit einem Duo, das sich Lilian & Manzur nennt – seltsamer Name für eine Band…

 

Überschrift inspired by: Sexenklaven © Familie Leroc, 2022

Überschrift also inspired by/Lyrics: Fatigue de l’été © Interhotel, 2021

Lilian & Manzur feat. Interhotel | Club der polnischen Versager | Ackerstr. 169 | Berlin-Mitte | Sa., 23. Juli | 20:00 Uhr

„Wie das Land, so das Jever.“

Neunundneunzig Zentimeter / River Deep, Mountain High.

Fiktives Vinyl: Jürgen Stalin – Die Bestie zum Schluss © Manuela Steinemann (Foto), 2012 / Kai von Kröcher (Artwork), 2022

 

Du kannst nicht schlafen, die Straße rauscht wie ein Meer: die letzte Telefonzelle, bis ein Betrunkener reinfährt. +++ Die Erwartungen waren hoch, das lässt sich nicht kleinreden – doch jetzt ist er wieder da: Jürgen Stalin mit seinem neuen Longplayer, gut gelaunter denn je! +++ Vor ein paar Tagen gerade hatte ich an Zip Schlitzer denken müssen, komisch, ich kannte den ja gar nicht: Irgendwann nachts war er im Club aufgetaucht, hatte sich still und sympathisch an den Tresen gesetzt und gemeint, ich müsse das Bier teurer machen, sonst käme ich nicht über die Runden. Komische Einstellung für einen Punk, dachte ich. Aber vielleicht ist das die grundsätzliche Philosophie hinter Punk: niemand soll auf der Strecke bleiben. +++ Nein, die Typografie bei Jürgen Stalin heute ist nicht die gleiche wie gestern die bei Ilse Paradies, das sieht nur so aus. +++ Dass er Punk gewesen sein könnte, hatte ich nicht gewusst, vielleicht war er’s ja nicht. Auch nicht, dass er Zip Schlitzer war, da hatte Marco sich dann hinterher erst verschwörerisch zu mir rüber gebeugt und gesagt: „Das war ja Zip Schlitzer!“ Und Terrorgruppe seien einer der Gründe gewesen, weshalb er (Marco/Anm.d.Red.) seine Jugend in der DDR überhaupt habe ertragen können. Oder so ähnlich, ist ja schon Jahre her. +++ Mein Sohn dürfte dieser Tage irgendwann, oder besser gesagt: Ziemlich oft stelle ich ihn an den Türrahmen und mache einen Strich mit dem Bleistift – über 97 cm waren wir bisher nicht hinausgekommen. +++ Von Terrorgruppe hatte es da nämlich wohl so einen Song gegeben, die Kellnerin im POWWOW hatte das in den Neunzigern einmal kreischend nachgesungen. Die, die sich manchmal an den Tresen gestellt und „Ficken!“ gebrüllt hat – und von manchen Gästen hinter vorgehaltener Hand deshalb immer „Ficken“ genannt worden war: „Neunundneunzig Zentimeter, einer mehr, dann wär’s ein Meter!“ Darüber hatte Ficken sich gar nicht mehr eingekriegt. +++ Jürgen Stalin auf dem Plattencover (oben) sieht überdurchschnittlich zufrieden aus: Ein Endvierziger, der fast alles erreicht hat. Mit der Lieblingsfotografin zusammen die Kanzelwand rauf in der Seilbahn, und oben sich dann einfach mal rückwärts ins Gras fallen lassen – wie der Typ in der Jever-Werbung seinerzeit: Kein Stress, keine Experimente! +++ Zip Schlitzer war danach eine zeitlang immer mal wieder spät abends aufgetaucht, feiner Mensch irgendwie – und wohl auch ein sehr guter Bassist. Gestern schrieb jemand bei Facebook, Zip Schlitzer ist tot – ein Jahr älter war er als ich.

 

Überschrift inspired by: irgendwas von Terrorgruppe (Ficken-Version)

Überschrift also inspired by: River Deep – Mountain High © Ike & Tina Turner, 1966

Lyrics: Gierig © Die Höchste Eisenbahn, 2016

Powwow | Dieffenbachstr. 11 | 10967 Berlin (ca. 1993 – 2020)