There is a Happy Land / Reisende sollte man aufhalten.

Aliens incognito: Reisende sollte man aufhalten © Kai von Kröcher, 2019/2020

 

Every song that I’ve ever heard is playing at the same time, it’s absurd. +++ Sagen Sie „der“ oder „das“ Virus? Ich halte es da mit der Kanzlerin, aber falsch machen kann man es eh nicht. +++ Neulich war ich mit Braunschweiger Musikern im Traum auf einer tropischen Insel irgendwo im Pazifik, da sah der Urwald noch aus wie damals bei Tim und Struppi. Wir tranken ein Bier aus der Dose, und irgendwann wollte ich heimlich an einen Baum pinkeln, traute mich aber nicht. Ich fragte mich, warum ich immer so fixiert gewesen bin auf Berlin, auf der Insel war es echt überwältigend: Man konnte den endlosen Dschungel überblicken, und einer von den Braunschweiger Musikern zeigte irgendwann irgendwohin und meinte, dahinten, da wohnen Fury in the Slaughterhouse – und dort hinten Ina Deter und Band. +++ Freitag, der Dreizehnte: Wir hatten heute einen Vorstellungstermin und haben uns Ottos künftige Kita angesehen. Von der Straße aus fand ich die immer recht unscheinbar, Öko-Zweckbau der Achtzigerjahre. Drinnen kam ich mir ähnlich vor wie in dem Traum mit der Insel, bloß ohne Fury und Ina Deter: Musste man echt aufpassen, sich nicht zu verlaufen, so riesengroß war die auf einmal von innen. Als Clou gibt es im Keller nicht nur unterirdisch eine schallisolierte Turnhalle – sie haben dort auch eine riesige Sauna für Kinder! +++ Später über der Kottbusser Brücke hing der fetteste Regenbogen, den ich jemals gesehen habe – bloß den Lidl hatten die alten Hamsterbacken in der Zwischenzeit leergekauft. +++ Stimmt nicht ganz, aber der zerfledderte Anblick machte schon nachdenklich. +++ Apropos ‚Bild‘: Auf die Idee, heute zu posten, kam ich eigentlich nur, weil ich vorhin an diesem Bild oben herumschraubte – und dann fiel mein Blick auf den Titel: „Reisende sollte man aufhalten“. Das war mir vor längerer Zeit aus Jux und Dollerei eingefallen – hätte nicht gedacht, dass der einmal bitterer Ernst wird…

 

Überschrift inspired by: There is a Happy Land © David Bowie, 1967

Überschrift also inspired by: Aliens international – Reisende sollte man aufhalten © Kai von Kröcher, 2019/2020

Lyrics: Everything Now © Arcade Fire, 2017

Tim und Struppi – Der Arumbaya-Fetisch (L’oreille cassée) © Hergé, 1943

Every Generation Got Its Own Disease © Fury in the Slaughterhouse, 1992

Neue Männer braucht das Land © Ina Deter Band, 1982

Search and Destroy © The Stooges, 1973

Bad in der Schlange / Im Verborgenen Gutes tun.

Feeling tragic like I was Marlon Brando: Andy, where’s my fifteen minutes © Kai von Kröcher, 2019

 

My mother said she saw him in Chinatown but you can’t always trust your mother. +++ „Bad in der Menge“ fiel mir später noch ein: Der winkende Mann auf dem Fahrrad kommt mir jedesmal wie der Messias vor – milde entrückt, von den Massen umjubelt. +++ Wie Gotthilf Fischer seinerzeit auf der Love Parade. +++ Apropos: Was beispielsweise denkt eigentlich Höcki über Corona? Ist er dafür oder dagegen? +++ Das Bild heute hier oben ist eines aus einer Reihe von Bildern, die ich vor meinem Computerabsturz bearbeitet – und dann über die untätigen Wochen komplett vergessen hatte: Das war vielleicht ein großes Hallo, gestern, als sie unverhofft in der Cloud plötzlich aufgetaucht sind. +++ Das Bild heute ist eigentlich noch geheim; könnte Teil einer neuen, beunruhigenden Ausstellung sein.

 

Überschrift inspired by: Schlangenbader Straße | Berlin-Wilmersdorf

Überschrift inspired by: Im Verborgenen Gutes tun | Stellenanzeige des Bundesverfassungsschutzes, 2017

Bildunterschrift inspired by: China Girl © der Itschie-Bob, 1977

Bildunterschrift also inspired by: I Can’t Read © Tin Machine, 1989

Lyrics: Last Great American Whale © Lou Reed, 1989

Der nackte Mann auf dem Sportplatz (mit Curt Böwe, Ursula Karusseit u.a.) © Konrad Wolf (Regie), DDR 1974

Hide in Your Shell / The Deaf Ones from Kottbusser Tor (revisited).

Kottbuzzer: Der dopptelte Admiral © Kai von Kröcher, 2020

Kottbuzzer: We Are the Champions © Kai von Kröcher, 2020

 

Maids of Bond Street shouldn’t have love affairs. +++ Wenn man zu viel in einen Text packen will, zu viel Information. Ist mir schon häufiger so passiert: Geht meistens nach hinten los. +++ Jedenfalls, gestern am früheren Spätnachmittag, die Dämmerung setzte leicht ein. Ich brachte die Hamsterkäufe nach Haus: 2x Spaghetti, ein Gläschen Nudelsoße „Toskana“, ein Fläschchen Beaujolaischen. Schnallte die Spiegelreflex um den Hals und ging noch einmal dorthin, wo es sehr weh tut: Seit ewiger Zeit, seit etwa drei Wochen. Seit ewiger Zeit schon will ich die Fahrräder am Kottbusser Tor fotografieren. Das ist das, was die Außerirdischen von uns hier als erstes entdecken, wenn sie – aber egal. +++ Mein Photoshop geht mir immer noch sehr auf die Nerven, plötzlich ist alles irgendwie anders – als müsste man nach einem Unfall neu laufen lernen. +++ Sagt man das so? +++ Verglichen mit dem Corona-Virus scheint mir mein „Photoshop-Trouble“ vielleicht doch gerade die bessere Option. +++ Lustig, aber gestern Abend, ein bisschen später, da kam der Typ auf seinem Fahrrad langsam herangefahren. Sie kennen ihn: Man hört ihn schon immer eine Weile, bevor man ihn sieht. Ich machte gerade verwackelte Kunstimpressionen vom Kottbusser Tor. Da schnitt sich ins werdende Dunkel der Schrei seiner Trillerpfeife. Das obligatorische „We are the Champions“ in rauschender Dauerschleife. Dann sah man ihn selbst: den älteren Herrn auf dem Fahrrad, sich mit politischen Botschaften, äh, wie sagt man dazu? Vorne und auf dem Rücken ein großes Stück Pappe. +++ In schneckenhafter Rasanz gleitet er durch die Straßen und winkt dabei, wie im Rausch, einer imaginären Masse von Menschen. Ich habe mich oft gefragt, was er sieht. +++ Auf meinen Fotos übrigens sieht man ihn nicht. Nicht wirklich, kann ihn höchstens erahnen. +++ Im letzten Sommer sah und hörte ich ihn sogar mal am Wittenbergplatz: die Menge tobte, das politische System wurde gekippt: „Danke, Merkel – wham, bam, thank you Ma’am!“

 

Überschrift inspired by: Hide in Your Shell © Supertramp, 1974

Überschrift also inspired by: Dirge © Death in Vegas, 1999

Bildunterschrift inspired by: der doppelte Admiral – Plastik (Admiral- Ecke Kohlfurter Straße) © Ludmila Seefried-Matejkova (Bildhauerin), 1985

Bildunterschrift also inspired by: We Are the Champions © Queen, 1977

Lyrics: Maid of Bond Street © David Bowie, 1967

Suffragette City © David Bowie, 1972

Beautiful Burnout / I just came here to the Party for the Drugs.

Karl-Marx-Stadt: Architektur und Moral © Kai von Kröcher, 2019

 

This is the room, this is the wall, this is the body I’ve been hoping for. +++ Eine Nacht vor dem Traum mit Jürgen von Jürgen und Zlatko und seinen Geschirrspülern hatte ich von Architektur geträumt: Ich ging durch die Stadt, und plötzlich fand ich den ganzen Schrott auf einmal ganz toll. +++ Das Bild heute, das hatte ich letzten Spätsommer in Chemnitz gemacht: Ich hätte da auch noch eine kleine Geschichte zu zu erzählen, die handelt von der Gnade der frühen Geburt. +++ Ich möchte mit meiner Kunst zum Nachdenken anregen. +++ ‚Meine‘ frühere Barfrau Marlene jedenfalls hatte damals jemanden gesucht, der für das Camp Cosmic in Chemnitz den Artists-Shuttle fährt: Musiker, Künstler und very spezielle Gäste. Das heißt, von Berlin oder vom Flughafen Dresden nach Chemnitz, oder dann mal von Chemnitz nach Schönefeld oder nach Tegel – das muss ich nicht weiter erklären. +++ Auf jeden Fall, ich war zu der Zeit ja schon halberziehender Jungvater und hatte Lust auf ein bisschen Autobahn. Doch schon auf der allerersten Tour von Neukölln, Ecke Karl-Marx-Straße Richtung Süden, bei Kilometerstein 219, wurde mir siedend heiß klar, dass ich mich in Chemnitz nicht die Spur auskennen würde: Der VW-Bus besaß keinen Navi, und ganz davon ab, dass ich mit einem Navi nicht hätte umgehen können – als Fortschrittsverweigerer mit meinem Nokia-Handy wäre ich spätestens an der Chemnitzer Stadtgrenze aufgeschmissen gewesen. In meiner Verzweiflung kaufte ich mir unterwegs einen Falk-Plan, den ich vor meinen V.I.P.s notdürftig versteckte. +++ Bisher ist die Geschichte eigentlich noch gar nicht so wahnsinnig spannend. +++ Es gibt da noch die Episode mit dem unheimlichen Bahnhof, den es in keinem Stadtplan gibt: Allerdings sollte man wissen, wenn oder wann man verloren hat. +++ Tage später jedenfalls meinte Marlene zu mir, das wäre, sinngemäß, auf eine Art doch ein schlüssiges Bild: DJs kreuz und quer aus Europa mit ihren retromäßigen Plattenkoffern – und ein altersmattenbezottelter Shuttlebusfahrer, der im Falk-Plan fieberhaft nach dem Weg sucht. +++ Ganz so hat sie das, glaube ich, seinerzeit nicht gesagt…

 

Überschrift inspired by: Beautiful Burnout © Underworld, 2007

Überschrift also inspired by: Drugs © UPSAHL, 2019

Bildunterschrift inspired by: Architecture & Morality © Orchestral Manoeuvres in the Dark, 1981

Lyrics: A New Stone Age © Orchestral Manoeuvres in the Dark, 1981

M (Roman) © Anna Gien & Marlene Stark/Matthes & Seitz Berlin, 2019

Camp Cosmic | Gelände der Alten Spinnerei | Chemnitz | 6. – 8. September 2019

Whatever happened to Zlatko Trpkovski / Jammern auf notdürftigem Niveau.

Karl-Marx-Stadt, du bist die Stadt roter Blumen © Kai von Kröcher, 2019

 

I’m not the man they think I am at home. +++ Wir schlugen in etwa zeitgleich die Augen auf, ich sagte zu Otto: „Ich habe vielleicht etwas Komisches geträumt – von Geschirrspülern!“ Er sah mich kurz musternd an, dann nickte er. Er wusste genau, was ich meinte. Am Abend zuvor hatte er mir beim Ausräumen der Maschine geholfen, er geht höchst behutsam mit meinem Geschirr um. +++ Hier jedenfalls ist noch immer viel Sand im Getriebe, aber so nach und nach tauchen zumindest schon mal wichtige Fotodateien aus der Cloud wieder auf. Und an Photoshop bin ich ebenfalls dran, da will ich jetzt aufhören zu jammern. +++ Ich bin einfach nicht, da machen wir uns mal nichts vor. Ich bin nicht der Typ, der „was mit Computern“ macht oder so. Das alles braucht Zeit: Don’t let the Betriebssystem get you down! Aber immerhin habe ich letztens zufällig einen fähigen Typen gefunden, der hat mein Ding wieder zum Laufen gebracht. Der sitzt wie ein Alchemist in einem vollgerumpelten Laden, an dem ich anderthalb Jahrzehnte lang immer achtlos vorbeigerannt bin. Er erinnert mich phänomenal an Carlos Santana. +++ Aber zurück zu meinem Traum: Ich sollte von einer Veranstaltung in Rheinsberg berichten, ein Feature oder wie man so sagt für die Süddeutsche. Das Ganze fand in dem nagelneuen Wolkenkratzer einer Hotelkette statt, und Stargast war kein Geringerer als Jürgen von Zlatko und Jürgen aus der ersten Staffel Big Brother. Jürgen war jetzt nicht nur Vertreter für Geschirrspülmaschinen im professionellen Bereich, er war auch der einzige Bewohner des Hotels und hatte mutmaßlich die junge Frau an der Rezeption geschwängert. Davon musste man ausgehen. Im Traum sah er aus wie Jürgen Trittin und besaß eine hypnotisierende Strahlkraft. Für die Süddeutsche schrieb ich in meinem Feature, seit seinem Big Brother-Aufenthalt sei Jürgen für alle nur noch „Jürgen Deutschland“ – was das bedeuten soll, kann ich nicht sagen. Tage vor meinem Traum hatte ich einen Vorabdruck aus Moritz von Uslars Deutschboden-Fortsetzung gelesen – für die Süddeutsche wollte ich jetzt so schreiben wie er. +++ Um die Sache hier abzukürzen: Ich kaufte Jürgen zwei Geschirrspülmaschinen ab. Allerdings wunderte ich mich, dass keine der beiden einen Besteckkorb besaß. Später kamen dann Freunde vorbei, der eine wollte gern Born to Run von Bruce Springsteen hören. Ich sagte: „Die habe ich nicht.“ +++ Das Bild heute ist aus dem letzten Jahr, da war ich auf dem Camp Cosmic in Chemnitz.

 

Überschrift inspired by: Zlotko Trpkovski und Jürgen Milski (Big-Brother, Staffel I) © RTL II, D 2000

Überschrift also inspired by: Jamming © Bob Marley and the Wailers, 1977

Bildunterschrift inspired by: Karl-Marx-Stadt © Megapolis, 1998

Lyrics: Rocket Man © Elton John, 1972

Big City Life © Mattafix, 2005

Deutschboden (eine teilnehmende Beobachtung) © Moritz von Uslar/Kiepenheuer & Witsch, 2010

Born to Run © Bruce Springsteen, 1975

Camp Cosmic | Gelände der Alten Spinnerei | 6. – 8. September 2019 | Chemnitz

Nochmal Deutschboden © Moritz von Uslar/Kiepenheuer & Witsch, Anfang März 2020

Penny Lane / Die Ambivalenz einer sehr beschissenen Bohnensuppe.

Irgendwie Ilse Aichinger: Stockwerk mäßig ein Abstieg, für den Ausblick muss man sich aus dem Fenster lehnen © Kai von Kröcher, 2020

 

Ich sitz’ am Kai und seh’ die Möwen um die Kräne immer kreisen, bis ich weine. +++ Da sieht man jetzt mal, wie sehr man ohne den ganzen Photoshop-Firlefanz mittlerweile gar nicht mehr lebensfähig ist: Das Bild heute kommt nämlich ganz unbearbeitet direkt aus der Kamera – dafür sah der Moment (oben) in echt echt ein bisschen so aus wie ein Film früher mit Herbert Herrmann oder auch mit dem anderen, der war ja so ähnlich, nämlich Bernd Herzsprung. +++ Apropos ‚Herzsprung‘: In einem inspirativen, literativen Moment kurz nach dem Umzug hatte ich seinerzeit ein paar Zeilen Prosa auf einen Zettel gebracht, den geh‘ ich mal suchen. +++ Anderthalb Monate ohne Laptop waren zwar ganz entspannt; beinah wie früher, ein Film mit Bernd Herzsprung. Obwohl Herbert Herrmann auf Fotos mich heute doch eher an unseren Promiarzt erinnert, finden Sie nicht? Angeblich plant der ja, seine Praxis aufzugeben, das hat mir im Herbst mal ein Promi gesteckt. +++ Die Zeit jedenfalls, die einem sonst Facebook und Google und Photoshop wegfraßen, die hat man nun einfach mit seinem Sohn bei den Schwänen verbracht. Und jetzt, wo das Laptop zurück ist – weil übrigens ohne Quatsch Explosions- oder Feuergefahr bestand, jetzt hat man ein halbes neues Gerät in der Hand. Und da sich daher anscheinend die Identifikation oder so geändert hat, da kommt man dann nicht mehr in seine eigenen Programme und kann nicht mehr arbeiten – kreativ fühlt man sich da, das gebe ich offen zu: Man fühlt sich da eingeengt und -gezwängt wie in einem Kastenstand, falls Sie die klaustrophobische Metapher verstehen. +++ Das muss jetzt ganz schnell mal einer wieder in Ordnung bringen. +++ Ich habe den Zettel gefunden, wenigstens schreiben kann man mit meinem Laptop noch – das hätte auch meine Erika-Schreibmaschine seinerzeit hingekriegt: „Dieses kurze Stück Weg, wo der Blick sich öffnet, der Kanal liegt plötzlich da wie ein Fluss. Ich habe die Ufer gewechselt: Vom dritten Stock, Sonnenseite, in einen Nachkriegsbau mit Blick auf den Krankenhausparkplatz. Im Erdgeschoss eine Kita, die Kinder spielen manchmal im Hof. Auf dem Weg zu den Mülltonnen vorhin ging ich an einer der Gärtnerinnen vorbei, selbst noch ein halbes Kind. Ich habe mir ein Brötchen zum Frühstück gemacht: ein Brötchen mit Marmelade und stehe am Fenster.“

 

Überschrift inspired by: Penny Lane © The Beatles, 1967

Lyrics: Zwei Jungs am Hafen © Manfred Maurenbrecher, 1981

Wo ich wohne © Ilse Aichinger, 1963

In the Air tonight / Totgesagte sterben leise.

Elfter Januar: Der letzte Vollmond über dem Fraenkelufer (feat. Chemtrail) © Kai von Kröcher, 2020

 

Walking in the breeze on the plains of old Sedona, Arizona, among the trees. +++ Bei Sandokan, dem Tiger von Malaysia – bei dem muss das früher ähnlich gewesen sein: Der war nicht tot, der hatte nur geschlafen. Fünfhundert Jahre lang auf dem Meeresgrund oder so – ich selber habe das damals gar nicht geguckt. +++ Im Gegensatz zum Tiger von Malaysia schlief ich allerdings nicht auf dem Meeresgrund – ich hatte ganz einfach zwei verheerende Totalabstürze kurz nacheinander. Laptop ist havariert. Langweilig, das zu erzählen, aber ich komme nicht mehr in meine Programme, finde wichtige Dateien und Fotos nicht wieder – die sprichwörtliche Kuh vorm neuen Scheunentor, falls Sie der Redewendung etwas abgewinnen können. +++ Im letzten unvollendeten, unveröffentlichten Post hatte ich kurz meinen Traum angerissen, da sollte ich mit Phil Collins auf eine Art Welttournee gehen. Phil war auf jeden Fall sehr okay, man spottet ja gern über den Mann. Im Traum wurde mir außerdem klar, dass er wohl kaum unter Flugangst leidet wie vielleicht andere Leute. Erinnern Sie sich noch, dass er einmal am selben Tag gleichzeitig in London und später in Philadelphia aufgetreten ist? Die Stadt – das ist jetzt mit einem Zwinkern –, die wurde dann ja auch bald schon nach ihm benannt: Philadelphia. +++ Verstehen Sie nicht? +++ Verstehen Sie Spaß? +++ Irgend so eine Live-Aid-Geschichte damals, der Genschmänn der Popmusik sozusagen. +++ Und während mein Laptop dank Catalina bitterlich kollabiert war, bin ich himself still und heimlich von einer Uferseite auf die andere gezogen –  auch schon wieder wie Genschmänn. +++ Lieber wäre ich Lindner. +++ Mal sehen, wie das Leben am anderen Ufer nun ohne Facebook und Photoshop und ohne Bilder so weitergeht. +++ Das Foto (oben) übrigens, man ahnt es anhand der Bildunterschrift schon: Das war damals der letzte Vollmond, den Otto und ich aus dem Küchenfenster abends am Fraenkelufer beobachtet haben – ein Zeitdokument!

 

Überschrift inspired by: In the Air Tonight © Phil Collins, 1981

Lyrics: Havalina © Pixies, 1990

Sandokan – Der Tiger von Malaysia (Minifernsehserie) © I/D/F 1976

Hans-Dietrich Genscher (* 21.3.1927 in Reideburg; † 31.3.2016 in Pech), ehem. deutscher Außenminister

Live Aid: Wohltätigkeitskonzert aus Anlass der Hungersnot in Äthiopien, 13. Juli 1985, London und Philadelphia

Fies on Earth (pa-rum-pum-pum-pum) / die Vergeltung klingelt in Gestalt eines Amazon-Zustellers.

Melanchthongemeinde: Der evangelische Pastor, der in den Tannenbaum stieg und verschwand © Kai von Kröcher, 2019

 

Ooh wa ooh wa ooh wa ooh wa ooh. +++ »Oder, anders gefragt: Hat Ihr Großvater Feinde?« Die fiktive Vernehmung meines hervorragenden Sohns Otto durch den erdachten Ermittler einer eingebildeten Sonderkommission ›Günter Grass‹ am diesjährigen Heiligen Abend geriet unmissverständlich ins Stocken: »Wenn wir hier von meinem Va…ter reden – natürlich hat er überall Feinde, ich verstehe die Frage nicht. Suchen Sie in den Lagern der bürgerlichen Parteien und derer am äußeren rechten Rand. Dringen Sie ein in das Dickicht der Lobbyistenverbände, gehen Sie in den Schrebergarten der Höckes. Stellen Sie unserem Scheuer-Andi entlarvende Fragen, trinken Sie Wein mit der pfälzischen Weinkönigin, fahren Sie nach Gelsenkirchen und bohren Sie nach im Fall Tönnies!« +++ Was war am Heiligen Abend geschehen? +++ Okay. +++ Am Heiligen Abend hatte ich gegen Mittag mit Otto und Kinderwagen das Haus über die Hintertüre verlassen und schnell noch zum Einkauf am Kottbusser Tor hinauf- oder hinunterschieben wollen. Einkaufen am Heiligen Abend ist ein unübertroffen entspanntes Erlebnis – als Hiergebliebener darf man seinen Makel als Zugezogener über die Weihnachtstage beinahe. Hm. Um die Geschichte hier jedenfalls abzukürzen: Irgendjemand hatte uns anonym ein Päckchen geschickt – von Amazon als Geschenk eingepackt, ohne Absender. Nachmittags gingen wir in das Krippenspiel der Melanchthongemeinde am Planufer, eine schöne Kirche der Nachkriegsjahre (Foto). +++ Bleiben Sie eingeschaltet, die Geschichte nimmt nach und nach Fahrt auf! +++ Ottos Mama jedenfalls hatte festlich gekocht, danach war Bescherung. Erwachsene bekommen bei solcher Gelegenheit gern feuchte Augen, Kinder himself sind da zielorientierter. Diese Art der Geschenkeverschickung durch den Internetanbieter Amazon übrigens hatte ich bis dahin nicht gekannt, diesmal allerdings waren für Otto in dieser Form gleich zwei optisch identische Päckchen gekommen: Eines von meinem ältesten Freund, von dem war ein Gruß drin. Im zweiten Paket eine Blechtrommel, anonym, dazu nur der diabolische Satz: »Enjoy your Gift!« +++ Ich weiß: man nennt das Situationskomik, das lässt sich nicht witzig nacherzählen. +++ Wer auch immer uns das aber angetan hat, man muss doch dazusagen: Otto hat mit Hingabe begeistert auf dieser Trommel gespielt, bis wir sie ihm nach drei Minuten entgeistert entrissen… +++ Fürs neue Jahr verspreche ich Ihnen keine trübsinnigen Herbstfotos mehr – und eine Verrohung der Sprache.

 

Überschrift inspired by: Peace on Earth/Little Drummer Boy © David Bowie & Bing Crosby, 1977

Überschrift also inspired by: Die Vergeltung (Ballade) © Annette von Droste-Hülshoff, ca. 1840

Lyrics: Who Are You © The Who, 1978

Melanchthonkirche (erbaut 1954/55), Planufer 83 | 10967 Berlin

Der Dieter Nuhr der Zigeunersoße / All You’ve Got to Do Is Win.

Die große Ihr seid solche Fucker Weihnachtsauslosung © Kai von Kröcher, 2019

Die große Ihr seid solche Fucker Weihnachtsauslosung © Kai von Kröcher, 2019

Die große Ihr seid solche Fucker Weihnachtsauslosung © Kai von Kröcher, 2019

Die große Ihr seid solche Fucker Weihnachtsauslosung © Kai von Kröcher, 2019

 

…while American businessmen snap up Van Goghs for the price of a hospital wing. +++ Um 10:47 Uhr und ungefähr einer halben Minute heute am Vormittag waren die Würfel gefallen: Eine schier endlos erscheinende Zeit hatte der unabhängige Ziehungsbeamte Otto G. sich von der physischen Existenz der Kugeln im KochLostopf überzeugt, dann entschied er sich blind für die Nummer zwölf. +++ Der Spruch mit der Zigeunersoße gestern hätte natürlich gut und gern, das war mir im Nachhinein regelrecht unangenehm – der hätte gut und gern echt auch von Dieter-„wir sind eine Verhinderungsgesellschaft – was darf man denn heute noch sagen?!„-Nuhr sein können, der kam etwas altbacken und müde. +++ Wie heißt doch gleich noch mal die Frohnatur, die im Fernsehen immer die Lottozahlen zieht? Jedenfalls sagt die jedes Mal, sie drücke einem die Daumen – obwohl ich nie Lotto spiele: ich habe ihr das nie ernsthaft abgenommen. +++ Bei unserem Weihnachtspreisrätsel hier allerdings, das muss ich echt zugeben – ich hätte ohne Quatsch jedem Teilnehmer den tollen Hauptgewinn gegönnt. +++ Jedenfalls muss man einfach nur einmal im Leben Glück haben, das kann es nämlich schon sein. Kein Geringerer als ich selber beispielsweise, ich fand gestern in meinen Mails die folgende Nachricht von Sergeant Anthony Roberts von der US-Army. Die lese ich Ihnen gerne mal vor, da werden Sie mit den Augen schlackern vor Neid: „Hello, I am Sgt. Anthony Roberts, US Army responding to treatment after a bomb blast that hit our camp in Afghanistan. Can you be trusted? Can I entrust $10,000.000.00 Ten Million US Dollars in your care? Thanks, Sgt Anthony Roberts“ +++ Can you be trusted – da fällt mir mein Lieblings-Heinz-Rühmann-Joke ein. Das ist eine Szene aus dem Film Der Kapitän oder so, muss ich mal googeln. Heinz Rühmann spielt da jedenfalls einen Kapitän auf einem Passagierdampfer, und an Bord gibt es da so ein ganz junges Pärchen, so richtige Turteltauben. +++ Ich erinnere mich nicht mehr, vielleicht sind die irgendwie durchgebrannt. Eines Nachts jedenfalls, da turteln die so über Deck. Und dann sind sie auf einmal spontan wildentschlossen zu heiraten. Und sie rennen zur Kajüte von Heinz Rühmann und trommeln den aus dem Bett. Und der steht da im Nachthemd, reibt sich schlaftrunken die Augen und öffnet vorsichtig die Tür. Und da stehen dann eben just jene Turteltauben davor und turteln aufgeregt durcheinander: „Herr Kapitän, Herr Kapitän – wir wollten nur fragen, ob Sie uns trauen!“ Und Heinz Rühmann steht noch immer schlaftrunken da und reibt sich die Augen und guckt: „Warum sollte ich Ihnen nicht trauen?“ +++ Kannten Sie schon, das hätte ich mir gleich denken können. +++ Die Losnummer 12 heute übrigens entfiel auf die zwölfte richtige Einsendung zu meinem Rätsel, auf Christina Christmann* aus der Dingsstraße im östlichen Ringgebiet in BS nämlich: aus einem knapp halben Hundert an Einsendungen across the Nation und darüber hinaus – herzlichsten Glückwunsch, Bild steht zur Abholung bereit!

 

Überschrift inspired by: Dieter Nuhr (* 1960 in Wesel), renommiertester dt. Kabarettist seit Annegret Kramp-Karrenbauer

Überschrift also inspired by: Gypsy © Fleetwood Mac, 1982

Überschrift inspired by: Win © David Bowie, 1975

Lyrics: Nothing Ever Happens © Del Amitri, 1989

Der Kapitän (u.a. mit Heinz Rühmann, Monika Lundi, Horst Janson, Günter Pfitzmann, Joseph Offenbach, Horst Tappert) © Kurt Hoffmann (Regie), D 1971

*Klarname d. Red. bekannt

Gattin aus Holzabfällen / Der Fänger hinter der Autobahn.

Thimo Sander, Tourposter © Kai von Kröcher (Foto)/Thimo Sander, 2019

 

… and secretaries turn off typewriters and put on their coats. +++ Die Ziehung des Großen Weihnachtshauptgewinns 2019 werde ich heute mit keiner Silbe erwähnen, ich schwöre. +++ Die Wahlbeteiligung war echt überwältigend, dafür, dass es kein echter Van Gogh war. +++ Fayzen sagte mir vorher gar nichts, aber das Tourposter von Thimo Sander ist echt schön geworden. Bei seinem Konzert neulich hier in Berlin – mir fiel da spontan eine sehr treffende Beschreibung für ein: Es gibt wohl kaum jemanden, dessen Songs. Nee, das klingt schon wieder blöd: Ich hätte Werbetexter werden sollen – dorthin werden wir gleich einen Bogen, wie sagt man? +++ Bei einem Schulpraktikum damals in Braunschweig, zehnte oder elfte Klasse. 1981 war das. Ich hatte als Wunsch angegeben, ich wolle in eine Werbeagentur oder so. Irgendwas mit Medien. Sie haben mich dann in eine Firma für Messebau gesteckt, Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Das war da hinten in einem Gewerbegebiet am Ende der Hamburger Straße, direkt neben der Autobahn. Wo es nach Veltenhof/Hafen geht, da kommen die Gurken her. Braunschweig war früher mal Gurkenweltmeister. Max Goldt sieht aus wie Max Schmeling. Mein Rechtschreibprogramm kennt Max Schmeling nicht, vielleicht ist es in Echt gar kein richtiges Rechtschreibprogramm. +++ Es war jedenfalls irgendwie kurz vor Weihnachten, hin und wieder fiel Schnee. Irgendwo fuhr immer ein Typ auf einem Gabelstapler herum. Alles schon deprimierend genug, aber eine Sache hat mich echt fertiggemacht. Das klingt jetzt gerade wie aus einem Roman, der Fänger im Roggen vielleicht: „Aber eine Sache hat mich echt fertiggemacht!“ +++ Nee, aber eine Sache hat mich wirklich echt fertiggemacht: Die Rückseite der Bude nämlich, also da war so ein Anlieferungstor für die Tischlerei. Holzgeruch überall, kalter Holzgeruch. Einmal war die Heizung ausgefallen, und als ich morgens im Dunklen durch den Schnee gestapft kam, sagten sie, sorry, heute sind hier drin nur acht Grad. Und ich so von draußen aus der Dezemberluft und denke noch so: Richtig schön kuschelig hier. Aber acht Grad sind nur acht Grad, die relativieren sich schnell. +++ Aber was mich wirklich fertiggemacht hat: Dieses Anlieferungstor für die Tischlerei, das öffnete genau Richtung Rückseite vom Braunschweiger Schlachthof, dazwischen lag nur ein kleiner Acker. Und man musste dahinten immerzu irgendwas machen, irgendwelches Holz holen und so. Und draußen die Kälte, der Acker, und morgens noch dunkel. Und dann die ganze Zeit das Geschreie der Tiere. Rinder, Schweine und Schafe, diese ganzen geschundenen Seelen. Wie sie vom Viehtransporter runtergeprügelt werden, weißgeflieste, blutige Gänge, Elektroschocker. Alles verängstigt, überall Kot und psychisch verrohte Aushilfsschlachtergesellen. Man konnte das Elend nicht sehen, nur hören. Das hat einen schon fertiggemacht. +++ Und genau dieses Bild hatte ich immer vor Augen, wenn ich vom „Schweigen der Lämmer“ irgendwo las oder hörte – bei lebendigem Leibe gehäutete Schafskinder, dann lange Zeit Stille, den Film konnte ich mir einfach nicht ansehen. +++ Mögen Sie Tiere? – Ja, schön mit Zigeunersoße. +++ Als Kind war ich tatsächlich einmal in einem Schlachthof, irgendwo in Salzgitter – „Ach, daher!“, werden Sie sagen. +++ Sagt man das eigentlich noch: ‚Zigeunersoße‘?

 

Überschrift inspired by: Gattin aus Holzabfällen © Max Goldt/Rowohlt, 2010

Überschrift also inspired by: The Catcher in the Rye (Der Fänger im Roggen, Roman) © J.D. Salinger, 1951

Lyrics: Nothing Ever Happens © Del Amitri, 1989

Maximilian Adolph Otto Siegfried Schmeling (* 1905 in Klein Luckow, Brandenburg; † 2005 in Wenzendorf, Landkreis Harburg), dt. Schwergewichtsweltmeister