Anita in Steel / Die Wiederentdeckung der Welt.
I watched it for a little while, I love to watch things on TV. +++ Letztlich ging es ja um nicht viel weniger als die Entdeckung der künstlichen Intelligenz, das mit dem Holländer gestern. +++ Vor vielen Jahren fiel mein Blick einmal auf ein Buch in meinem Regal, einem Paperback, wie man so sagt: ‚Ich und Kaminski?‘, dachte ich irritiert – ‚wo kommt das denn jetzt her?‘ Ich fing an zu lesen, und nach einigen Seiten dämmerte mir, ich kannte es schon. Ein gutes Buch übrigens, schafft man an einem Tag. Neulich lag ich mit Männergrippe darnieder, da habe ich es mir direkt noch ein drittes Mal vorgenommen. +++ Wenn Sie das nicht interessiert, können Sie gerne auch rausgehen, ist schön draußen: Klare Winterluft, minus fünf Grad, Sonnenschein – wer weiß schon genau, wann es so etwas noch einmal gibt. +++ Ich kannte tatsächlich mal einen Kaminski, der war okay. Vielleicht hatte ich es mir deshalb gekauft, ganz ohne Quatsch wegen des Titels – und direkt einen Volltreffer gelandet. +++ Aber darum soll es nicht gehen. +++ Ich hatte Ihnen doch neulich erzählt, das Nilpferd meines Sohnes hieße Carl Friedrich Gauß – benannt nach dem Braunschweiger Mathematiker. Das Kuscheltier war ein Geschenk aus der Löwenstadt, und als wir vor Jahren einmal zusammen in meiner Heimat waren, da haben wir eher zufällig auch das Gauß-Denkmal am Inselwall irgendwo gekreuzt – daher also der Name. +++ Während ich mich hier wieder um Kopf und Kragen schreibe, rechnet mein Rechner per künstlicher Intelligenz an einem neuen fotografischen Meilenstein herum – und ob Sie es glauben oder nicht: das Ergebnis ist leider komplett unbrauchbarer Schrott. +++ Was völlig an mir vorbei gegangen sein muss: Daniel Kehlmann scheint ein überaus bekannter Autor zu sein, seine Vermessung der Welt immerhin wurde als das weltweit am zweitmeisten verkaufte Buch des Jahres 2006 geführt – bis heute insgesamt über sechs Millionen Exemplare, nicht schlecht. Dabei handelt es sich um eine Art fiktionale Biografie der beiden Wissenschaftler Humboldt und Gauß. +++ Erstaunlich, was besagte Herren Gelehrte so alles entdeckt haben. Vor etwa vier Wochen übrigens habe ich dann auch etwas entdeckt: dass man diese pfandpflichtigen Einweg-Bierflaschen aus Plaste und Elaste, die man bei Lidl gekauft hat. Bei Lidl heißen sie Perlenbacher, bei Netto zum Beispiel Schloss Edel. Man zahlt also fünfundzwanzig Cent, wenn man sie kauft. Wenn man sie dann leer zurückbringt und in den Pfandautomaten steckt, werden sie zu Pellets geschrotet und man bekommt an der Kasse sein Geld wieder. Und was ich jetzt entdeckt habe, das bleibt unter uns: Man kann die Flaschen von Lidl nämlich auch bei Netto in den Automaten stecken, erstaunlich. Das heißt, bei Lidl hat man den Pfand beim Einkauf entrichtet – und Netto muss einem das Geld dann wieder auszahlen. Bringt das Gleichgewicht der Welt ins Wanken – für eine Handvoll Plastikmüll. Anfangs fühlte ich mich dabei schlecht, mittlerweile bin ich da hardboiled und abgebrüht: Mein Motto für das Jahr 2023 lautet „Relax!“ +++ Ich möchte mich nur ungern mit Humboldt und Gauß auf eine Stufe stellen – die zweite bahnbrechende Entdeckung aber, die ich heute gemacht habe: künstliche Intelligenz in der Parkplatz-Fotografie bringt den Planeten nicht weiter, hier ist Handwerk gefragt.
Überschrift inspired by: Anita in Steel – neuartiges Pfandsystem im Testbetrieb © Rewe/das Frankfurter Start-up Circolution, 2023
Überschrift also inspired by: Die Vermessung der Welt (Roman) © Daniel Kehlmann, 2005
Lyrics: Satellite of Love © Lou Reed, 1972
Ich und Kaminski (Roman) © Daniel Kehlmann, 2003