Poverty is picturesque / Bilder gegen den Hunger.

SINFONIE EINER GROßSTADT © KAI VON KRÖCHER, 2018

 

Blur like a rocket, torch like a dying sun. +++ Als ich gestern so abends, die Dämmerung setzte gerade novemberlich ein. Kottbusser Tor leuchtete, Weihnachten stand zögerlich hinter der Tür. So langsam, sagte ich mir, langsam solltest du dich endlich einmal nach einer geringfügig bezahlten Nebentätigkeit umsehen – sonst liegt in diesem Jahr nichts unter dem Baum. +++ Das Bild oben also besteht aus drei verschiedenen Fotos: Alexanderplatz, Otto-„Anne“-Braun-Straße, Friedrichstraße – zwischen den Aufnahmen liegen nicht ganz fünf Minuten. +++ How did he make it? +++ Erinnert ein wenig an den Spirit der Zwanzigerjahre, Hermann am Karstadtplatz soll ja im Original übrigens auch wieder aufgebaut werden…

Überschrift inspired by: Already Over Me © The Rolling Stones, 1997

Überschrift also inspired by: Hunger © Florence and the Machine, 2018

Bildunterschrift: Die Sinfonie der Großstadt (experimenteller Dokumentarfilm) © Walther Ruttmann (Schnitt und Regie), D 1927

Lyrics: Silvery Sometimes (Ghosts) © The Smashing Pumpkins, 2018

The Joshua Three / Bilder gegen den Klimawandel.

SEA OF LOVE No. I (Berlin-Friedrichstraße) © KAI VON KRÖCHER, 2018
SEA OF LOVE No. II (Berlin-Friedrichstraße) © KAI VON KRÖCHER, 2018
SEA OF LOVE No. III (Berlin-Friedrichstraße) © KAI VON KRÖCHER, 2018

Come with me, my love, to the sea, the sea of love.

Überschrift inspired by: The Joshua Tree © U2, 1987

Bildunterschrift/Lyrics: Sea of Love © der Itschie-Bob, 1981 (Cover)

Vagina Dialoques / You’re laughing, we’re carving your name in a tree.

SCHWERE SEE (REVISITED) I © KAI VON KRÖCHER, 2018

SCHWERE SEE (REVISITED) II © KAI VON KRÖCHER, 2018

»Kann man ihn nicht ein bisschen hin und her tragen oder schaukeln?«, fragt Pinneberg. »Ich glaube, ich habe mal gehört, das macht man, wenn kleine Kinder schreien.« »Das fang nur an!«, sagt Lämmchen empört. »Dann können wir überhaupt nichts anderes mehr tun als hin und her zu laufen und ihn wiegen.« »Aber vielleicht heute einmal, wo es sein erster Tag bei uns ist«, bittet Pinneberg. »Er soll es doch nett haben bei uns!« »Ich will dir was sagen«, sagt Lämmchen und ist sehr energisch. »Das fangen wir gar nicht erst an. Hör zu, die Schwester hat gesagt, das Beste ist, ihn durchbrüllen zu lassen, die ganzen ersten Nächte wird er brüllen. Wahrscheinlich …«, schränkt sie das Gesagte mit einem Blick auf ihren Mann noch ein. »Es kann ja auch anders kommen. Und man soll ihn auf keinen Fall aufnehmen. Schaden kann ihm das Brüllen nichts. Und dann gewöhnt er sich daran, dass er durch Brüllen nichts erreicht.« »Naja«, sagt Pinneberg. »Ich finde es aber ziemlich roh.« +++ In einem Punkt muss ich dem Donald Trump, ich finde den ja eigentlich nicht wirklich gut. Aber in der einen Sache, da hat er mal echt keinen Unsinn erzählt: im Winter ist es kälter als im Sommer. +++ Okay, ich hatte neulich geschrieben, den Otto erzögen wir streng nach neuester nationalsozialistischer Erziehungslehre, das war natürlich gelogen. Wer möchte sich ernsthaft vorstellen wollen, sein kleiner Murkel würde später womöglich einmal so wie der Höcke. +++ Bei dem Krawattenbild neulich, da dachte ich hinterher, könnte auch gut und gern eine weibliche Scheide sein: „Muschi aus Spannbeton“ – würde sich super verkaufen. +++ Ginge es nur ums Verkaufen, wäre ich Gebrauchtwagenhändler geworden, das sagte ich schon. +++ Vorgestern ist etwas Großartiges im Leben eines jungen Vaters passiert: Die Gewordene kam abends nach Hause und wollte wissen, was wir den Tag lang so getrieben hätten. „Lustiges Füßchenspiel“, sagte ich – und aus der Erinnerung schlüpfte ich noch einmal in die verschiedenen Rollen und spielte das Spiel in seinem kompletten Dialogverlauf nach. Auftretende Personen: der kleine Otto, Ottos Füßchen („Rechts“ und „Links“), der dicke Walfisch, Helmut Kohl. Und als ich so meine Stimme verstellte, fing Otto plötzlich zum ersten Mal in seinem Leben an, aus vollstem Herzen zu lachen – am Ende lag dann die ganze kleine Familie unter dem Tisch. +++ Das interessiert Sie als Haifischkapitalisten da draußen natürlich nur herzlich wenig, das ist mir schon klar!

Überschrift inspired by: The Vagina Monoloques (Theaterstück) © Eve Ensler, 1995

Überschrift also inspired by: Aural Sculpture © The Stranglers, 1984

Textauszug aus: Kleiner Mann – was nun? (Roman) © Hans Fallada/Rowohlt Verlag, 1932

Hans Fallada (bürgerlich Rudolf Ditzen, *1893 in Greifswald, †1947 in Berlin), dt. Schriftsteller

Björn Höcke (*1972 in Lünen), dt. Politiker

Helmut Kohl (*1930 in Ludwigshafen, †2017 ebenda), dt. Bundeskanzler

White tie, white noise / I know it’s gonna happen someday.

SCHLANGENBADEN (Krawattenversion) © KAI VON KRÖCHER, 2018

No colours anymore, I want them to turn black. +++ Puh, das Leben kann ziemlich öde sein – fragen Sie Charlie Watts, der kann Ihnen ein Lied davon singen: Immer am selben Bild herumschrauben, da schlafen einem auf Dauer die Füße ein. +++ Da Otto irgendwann ganz sicher nach einer neuen Winterjacke aus lebend gerupfter Canada Goose-Daune verlangen wird – okay, ich hör ja schon auf. +++ Aber mal ganz ohne Quatsch: Erst kommt der Hummer, dann die Moral: Aktuell bin ich gerade am Überlegen, ob ich nicht Krawatten-Designer werden soll. Das Motiv aus der Schlangenbadeanstalt unten in Wilmersdorf – der Schlips böte sich doch für feierliche Anlässe förmlich an. +++ „Förmlich“ ist gut. +++ Apropos, kurz vor Weihnachten 1995, das ist jetzt auch schon wieder 23 Jahre her, kann das sein? Da war ich nämlich tatsächlich, das fällt mir jetzt ein. Da musste ich runter nach Mailand. Ich sollte einen Fernsehbeitrag machen über einen italienischen Krawattenhersteller, der trug selbst keinen Schlips, das sollte der Aufhänger sein. +++ Das war vielleicht ein Fiasko, sage ich Ihnen. +++ Mein Kameramann fuhr einen alten Jaguar, an jeder Seite ein Tank. Der Krawattenhersteller selbst kam natürlich mit Krawatte zum Dreh, ich musste ihn erst noch schnell überreden. Er hatte ein paar Jahre in Deutschland gelebt, ich führte das Interview also als Gimmick auf Deutsch. Beim Sichten des Materials stellten wir hinterher fest, man verstand fast kein Wort. Zwischendrin rief ständig der Redaktionsleiter auf meinem Diensthandy an, ob er schon was zum „Thema Sex“ gesagt hätte. Der Typ war ein stilvoller älterer Herr, ich würde ihn ganz bestimmt nicht zum „Thema Sex“ befragen. +++ Sat.1 nehme den Beitrag ohne Sex aber nicht ab, tobte der Chefredakteur. Dann brach der Winter über Italien ein, auf der Autobahn glaubte ich ständig, der Kameramann würde den Jaguar jeden Moment in die Leitplanke setzen. +++ Am Ende ging aber alles gut: Sat.1 nahm den Beitrag nicht ab, und so wurde ich erst einmal Schuhverkäufer.

Überschrift inspired by: Black Tie, White Noise © David Bowie, 1993

Überschrift also inspired by: I Know It’s Gonna Happen Someday © David Bowie, 1993

Lyrics: Paint It, Black © The Rolling Stones, 1966

Sex

Amoureux solitaires dans une ville morte / Dreams of bathing a Snake.

AMOUREUX SOLITAIRES © KAI VON KRÖCHER, 2018

You make a fool of death with your beauty. +++ Man kennt mich als aufrechten Dissidenten, als Kunstskeptiker aber werde ich öffentlich bisher noch nicht wahrgenommen. Zu Recht, doch das soll sich bald ändern: Gerade nämlich kam mir ein bahnbrechender Einfall. +++ Western kann man tatsächlich gut ohne Ton sehen, das hätten Sie nicht gedacht! +++ In Zukunft werde ich keine neuen Bilder mehr machen und werde damit die Kunstwelt revolutionieren. +++ Sagt man das so? +++ Apropos: Karl Lagerfeld, und ich hoffe, ich kriege das ungefähr noch zusammen. So schwer ist es nun auch wieder nicht: Karl Lagerfeld nämlich hat mal gesagt, und ich dachte, da scheint mir wirklich was dran zu sein. Man muss, sagt Karl Lagerfeld – man muss sein Geld zum Fenster hinauswerfen, damit es zur Tür wieder hereinkommt. +++ Cool. +++ Mein Denkfehler bei der Sache allerdings war, er meinte wohl eher nicht, man soll sich abends am Späti mal eine Flasche Rotwein leisten für 13 Euro, und dann setzt man sich schön vor den Fernseher; ich glaube, das meinte er nicht. +++ Das Bild heute, das trug jedenfalls mal den Arbeitstitel Amoureux solitaires – Bloglesern mit der Gnade der frühen Geburt, denen wird da was klingeln. +++ Schade, die Idee ist wirklich gut: Bis an sein Lebensende immer und immer wieder nur noch dasselbe Foto in immer neuen Variationen.

Überschrift inspired by: Amoureux solitaires © Lio, 1980

Überschrift inspired by: How to bath a snake

Lyrics: Hunger © Florence and the Machine, 2018

Karl Lagerfeld (*1933 in Hamburg), in Paris lebender dt. Modeschöpfer, Designer, Fotograf

Bad in der Schlange / This town ain’t big enough for the both of us.

SCHLANGENBADENER STRAßE (MAGRITTE) © KAI VON KRÖCHER, 2018

SCHLANGENBADENER STRAßE (ROBERT MITCHUM) © KAI VON KRÖCHER, 2018

Bodies, I’m not an animal. +++ Soll ich Ihnen mal was verraten? In meinem Kopf ist kein Platz für Steve McQueen und Clint Eastwood gleichzeitig. Denke ich an den einen, fällt mir der andere nicht mehr ein. Oder halt umgekehrt – ein merkwürdiges Phänomen. +++ An den Song Bodies, um vielleicht doch noch ganz kurz vor dem Weihnachtsgeschäft auf den Zug mit dem – wie nennt man das, wenn man im Internet was über Babies schreibt und sich direkt einen zweiten Flatscreen-Bildschirm davon kaufen kann? Den Song Bodies jedenfalls von den Sex Pistols habe ich manchmal am Wickeltisch auf den Lippen, wenn Otto zum Beispiel den Body vollgespuckt hat. Zwar geht er jetzt regelmäßig zum Spanisch, aber ansonsten benimmt er sich oft wie ein Kind. +++ Was wollte ich sagen? +++ Die Bilder heute, daran würde ich eines Tages verzweifeln, dachte ich oft. Das Foto selbst ist ja schon von Anfang September, da hatte ich mich ein bisschen in Steglitz herumgetrieben. Schlangenbadener Straße, ich alter Abenteurer. Ist das noch Steglitz, oder ist das schon Wilmersdorf? +++ Okay. +++ Irgendetwas daran erinnert mich jedesmal an Magritte, dieses Bild mit der Melone. Aber ich frage Sie ernsthaft, wo sehen Sie da einen Hut? +++ Jedenfalls, in der Filmsendung auf radioeins gestern hatten sie etwas über die neue Regiearbeit Steve McQueens gefachsimpelt. Ich lasse das Radio immer in der Küche laufen, wenn ich nebenan über den Bildern sitze, man versteht meistens nur Bahnhof. Dann aber fiel mir ein, der echte Steve McQueen hat sich doch längst in die See streuen lassen. +++ Der Song Bodies jedenfalls, und das wusste ich nicht. Der Song Bodies dreht sich um eine Frau aus Birmingham, die hat ihr Kind abtreiben lassen. Und Johnny Rotten, wie ich ihn damals noch nannte. Johnny Rotten und seine Freundin, die hatten gerade ein Ungeborenes verloren. Und Johnny hat einen Song darüber gemacht, anscheinend weder contra Abtreibung noch pro – wenn Sie das interessiert, können Sie das googeln, das empfehle ich in solchen Fällen immer. Einfach „sex pistols bodies abortion“ eingeben – aber nehmen Sie Ecosia, das ist nachhaltiger, wo hier schon eh alles den Bach runtergeht. +++ Okay, letzte Nacht jedenfalls, etwa um zwölf, da schaltete ich spontan den Fernseher ein und erwischte genau den Anfang von einem Western mit Steve McQClint Eastwood: Hängt ihn höher hieß der, ich ließ ihn komplett ohne Ton laufen – Otto lag schlafend in meinem Schoß und träumte von Das lustige Füßchenspiel mit Otto und seinem Papa

Überschrift inspired by: This Town Ain’t Big Enough For Both of Us © Sparks, 1974

Lyrics: Bodies © Sex Pistols, 1977

Widows © Steve McQueen (Regie), UK/USA 2018

Million Dollar Baby © Clint Eastwood (Regie), USA 2004

Hang ‚Em High (w/ Clint Eastwood) © Ted Post (Regie), USA 1968

Andrea Sawatzki / and the Wiremen.

AND THE WIREMEN (MARIE-ANTOINETTE, BERLIN) © KAI VON KRÖCHER, 2018

Merkst du denn, wie weit der Horizont sich neigt / das leise Zittern, wenn das Schiff ganz langsam in die Höhe steigt / wie eine alte Frau, die sich mit Mühe aus dem Sessel hebt. +++ Das lustigste an der Geschichte mit Dellwo, das hatte ich ganz vergessen. Ich hatte gestern nicht mehr gewusst, wohin mit all diesen Infos. Die Massen an Text immerzu, das ganze Geschwafel – die Menschen wollen Fakten, Sex und schnelles WLAN, sie sehnen sich förmlich danach. +++ Im übrigen bin ich mir sicher, die Empörung wäre wesentlich größer, stünde in fünf Jahren nicht der Klimakollaps vor der Tür, sondern in fünf Jahren gäbe es noch immer kein flächendeckendes – wie heißt das Internet der Zukunft? K5, oder so? +++ Keine Ahnung: Weltuntergang jedenfalls egal, Hauptsache Breitbandkabelanschluss für alle und überall! +++ Aber lustig an der Sache mit Dellwo nämlich war: Als ich endlich kapiert hatte, nicht der Schauspieler Schüttauf käme zum Filmabend als Podiumsgast, sondern der Dellwo, das ehemalige Mitglied der RAF – als menschenscheuer Fotograf kriegte ich da gleich wieder kalte Füße: Wenn der Terrorist ist, dachte ich so, wahrscheinlich schnauzt der mich sofort an, wenn ich ihn fotografiere. +++ Stattdessen war er dann dann umwerfend sympathisch – wenn ich da im Vergleich an die Nasse-Meyfarth denke… +++ Okay. +++ Jedenfalls spielten am Montag die Wiremen in Berlin. Eigentlich And the Wiremen, aber ich sage immer „die Wiremen“. So richtig warm geworden war ich mit denen bisher nicht, irgendwie spürte ich da immer so eine Art intellektuelle Kälte. Zwischen den Strophen meinte ich immer heraushören zu können, ich sei sowieso nicht gebildet genug, ihre Musik zu verstehen. +++ Naja, ich kam gerade vom Fotografieren, das Bild Schwere See gestern zum Beispiel. Draußen war es sowieso ziemlich kalt, drinnen konnte es nicht noch wesentlich kälter sein. Die Wiremen waren einzig für diesen einen Abend aus New York nach Europa gekommen, spielten anfangs komplett Songs ihres kommenden Albums. Die Überraschung: Die neuen Sachen gefielen mir, da war plötzlich nichts mehr von der künstlerischen Überheblichkeit. Ich bin ja kein Musikkritiker: Selbst Thomas Stern, der am Mischpult gestanden hatte, meinte draußen bei einer After-Show-Zigarette, er könne sich den Unterschied zu den früheren Songs bisher auch nicht erklären.

Überschrift inspired by: Andrea Sawatzki (*1963 in Kochel am See), dt. Schauspielerin

Überschrift also inspired by: Night Cracks Harbour © And the Wiremen, 2019

Lyrics: Schwere See © Element of Crime, 1993

Schwere See / Als die Bilder laufen lernten.

SCHWERE SEE © KAI VON KRÖCHER, 2018

Denn in dieser kleinen Blauen Stunde, die so selten ist / Fühlt man sich so glücklich, weil man da in fernen Welten ist. +++ Ursprünglich hatte der Post hier „Andrea Sawatzki“ heißen sollen, aber dann hätten Sie sich wieder gefragt. Sie hätten gedacht, was hat der Post hier heute mit Andrea Sawatzki zu tun. Manche von Ihnen hätten vielleicht gar nicht gewusst, wer Andrea Sawatzki überhaupt ist. Ich kenne auch Leute, die finden sie doof. +++ Der Post heute hier heißt nun in der Teilüberschrift „Schwere See“. +++ Soll ich Ihnen mal eine lustige Geschichte erzählen? Die Direktorin vom Neiße-Filmfest, Frau Staszel. Die kenne ich schon seit fast zwei Jahrzehnten. Auf ihrem Gartenfest im Sommer in Tempelhof sind wir uns nach langer Zeit wieder begegnet, und zu späterer Stunde meinte sie, im Herbst solle ich bitte fotografieren – wenn nämlich der Dellwo kommt. +++ Apropos ‚Fotos‘: Die Bilder der letzten Ausstellung im Kovac Flagship Store neulich, das war ja, als ich im Anschluss direkt Frischgebackener wurde. An dem Abend, man hat es mir sicherlich angemerkt. Ich war da sehr angespannt, und dann bin ich ja auch Hals über Kopf in den Kreißsaal. Jedenfalls ging die Ausstellung nur einen Abend, und am Ende bin ich dann halt einfach so abgehauen. Und ein paar Tage später, als ich zurück an den Ort des Geschehens kam, da war ich nicht nur Frischgebackener – da hingen auch alle Bilder noch wie am ersten Tag an der Wand. +++ Lange Rede, kurzer Sinn: Im Januar „geht“ die Ausstellung, wie wir Künstler so sagen. Ende Januar also, da geht sie komplett runter nach München. Nicht direkt Guggenheim, weil, München hat – soweit ich mich erinnere, hat München kein Guggenheim: Ich habe mir da etwas anderes einfallen lassen. +++ Jedenfalls standen wir da so auf dem Gartenfest, und im Herbst sollte ich also den Dellwo fotografieren. Bloß, wer war jetzt eigentlich „der Dellwo“ schon wieder?! Ich nämlich dachte an den Frankfurter Tatort-Kommissar Fritz Dellwo, gespielt von Jörg Schüttauf. +++ Also, ich fand das im Nachhinein lustig. +++ Die Bilder werden in München so eine Art Gastspielreise machen: Erst sind sie für einen Abend im Kooks zu sehen, das ist der Club des kanadischen Comedian und Filmemachers Matt Devereux. Something that Sticks, Sie erinnern sich – meiner Meinung nach ein kleines Juwel. Danach ziehen die Bilder dann für eine längere Verweildauer rüber in die Dreimühlenstraße, und zwar in das Tagträumer-Café. +++ Da sitzt übrigens oft, das bleibt jetzt aber mal unter uns: Mein grauhaariger Doppelgänger vom Tatort in München trinkt dort gern seinen Frühstückskaffee. +++ Nicht Batic, der Jugoslawe, sondern der Dings. +++ Wie auch immer, das Bild heute heißt „Schwere See“, in Wahrheit aber ist es der Alexanderplatz. Der war mir am Montag zur Blauen Stunde vor die Kamera gelaufen, um es mal scherzhaft auszudrücken. +++ Es gibt in Der Mann, der vom Himmel fiel diese Szene, wo er da auf das Bild mit dem Schiff im Sturm deutet und irgendwas sagt. Geht da irgendwie um einen geheimnisvollen „Besucher“, der in den Fluten versinkt – aber ich glaube, ich habe die Stelle nie richtig verstanden. +++ Der Schüttauf und die Sawatzki, die sollen sich ja übrigens nicht ausstehen können…

Überschrift inspired by: Schwere See © Element of Crime, 1993

Überschrift also inspired by: Mad Movies (dt. Als die Bilder laufen lernten) © Bob Monkhouse (Moderator), USA/GB 1965 – ’67

Lyrics: Eine Blaue Stunde © Greta Keller, ca. 1963

Andrea Sawatzki (*1963 in Kochel am See), dt. Schauspielerin, u.a. im Frankfurter Tatort

Jörg Schüttauf (*1961 in Karl-Marx-Stadt), dt. Schauspieler, u.a. im Frankfurter Tatort

Karl-Heinz Dellwo (*1952 in Opladen), ehem. Terrorist, heute Filmemacher und Gastwirt

Kooks | Geyerstraße 18 | 80469 München

Tagträumer | Dreimühlenstraße 17 | 80469 München

Something that Sticks (w/ James Devereux, Matt Devereux, Anabelle Lachatte u.a.) © James (Drehbuch/Regie) und Matt Devereux (Drehbuch), D 2006

Udo Wachtveitl (*1958 in Müchen-Pasing), dt. Schauspieler, u.a. im Münchner Tatort

The Man Who Fell to Earth (w/ David Bowie, Rip Torn, Candy Clark) © Nicolas Roeg (Regie), GB 1976

Une jeunesse allemande / Freitags ab eins macht Holger seins.

DIE SIEBEN KRISTALLKUGELN © KAI VON KRÖCHER, 2018

KROKODIL, VORFÜHRRAUM © KAI VON KRÖCHER, 2018

DAS HÄSSLICHSTE AUTO DER WELT © KAI VON KRÖCHER, 2018

FOYER, KROKODIL © KAI VON KRÖCHER, 2018

KARL-HEINZ DELLWO © KAI VON KRÖCHER, 2018

ULRIKE MEINHOF © KAI VON KRÖCHER, 2018

DELLWO © KAI VON KRÖCHER, 2018

IM SAAL GEHEN DIE LICHTER AN © KAI VON KRÖCHER, 2018

FACHGESPRÄCHE I © KAI VON KRÖCHER, 2018

FACHGESPRÄCHE II © KAI VON KRÖCHER, 2018

LUCIE, DER SCHRECKEN DER STRAßE © KAI VON KRÖCHER, 2018

WODKA © KAI VON KRÖCHER, 2018

LUCIE HOLLMANN (SCHAUSPIELERIN), OLA STASZEL (NEIßE FILMFESTIVAL) © KAI VON KRÖCHER, 2018

SCHÖNHAUSER ALLEE I © KAI VON KRÖCHER, 2018

SCHÖNHAUSER ALLEE II © KAI VON KRÖCHER, 2018

 

AM SOGENANNTEN RECHNER © KAI VON KRÖCHER, 2018

Sous mes doights t’emmènera vers de lointains au-delà. +++ Sie werden sich jetzt vielleicht wundern, aber Ulrike Meyfarth bin ich nur ein einziges Mal in meinem Leben begegnet. Sie war einen Kopf größer als ich, es war im Rahmen der Bewerbung als Austragungsort der olympischen Spiele 2000 – am Rande einer Fernsehsendung von Erich Böhme, Herbst ’93 im Hilton-Hotel an der Mohrenstraße. +++ Ich mag ein populistischer Dissident sein, aber um Gottes Willen nicht pubertär. +++ Mohrenstraße bleibt! +++ Morgen, am Dienstagabend, spielen die New Yorker And the Wiremen im Marie-Antoinette (und nicht im Regenbogen, wie fälschlicherweise von mir behauptet): Los geht’s, wenn der Schiri pfeift – vermutlich um acht. +++ Jedenfalls saß ich da so als Zuschauer in der Sendung von Erich Böhme, und für meinen Radiosender sollte ich ein paar Prominente befragen zur Olympiabewerbung Berlins. Wie die Sendung hieß, weiß ich nicht mehr, aber vom Sendeplatz her und den Quoten in etwa vergleichbar mit Anne Will. +++ Worauf will ich hinaus? +++ Im Kino Krokodil auf der Greifenhagener Straße Freitagnacht jedenfalls war es schön gewesen: Erst hatten sie Das hässlichste Auto der Welt gezeigt, eine anrührende Geschichte, wie eine 94jährige gemeinsam mit ihrem Sohn das Zwangsarbeitslager sucht, in das sie im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschleppt worden war. Später die RAF-Dokumention Une jeunesse allemande, dazu sprach Karl-Heinz Dellwo im Anschluss ein paar kluge Worte. Leider kann ich nicht zuhören, während ich fotografiere, das ist ja bekannt. Ein sehr sympathischer Mensch jedenfalls. Hier im Blog vorher hatte ich ihn auf sein Vorleben als Terrorist reduziert, das ist halt sehr plakativ – seit seiner Haftentlassung macht er Filme, doch davon mal wieder kein Wort. +++ Kurz vor der Fernsehsendung mit Erich Böhme hatte ich dreihundert Kilometer entfernt, „drüben in Westdeutschland“. Jedenfalls hatte ich eine Frau kennengelernt, die sollte tatsächlich meine langjährigste Beziehung werden. Doch jetzt war sie zum ersten Mal zu Besuch in Berlin. Ich nahm sie mit in die Sendung, und während die halbe Nation zu Haus vor den Bildschirmen saß, hatte sie damals, drüben in Westdeutschland, noch einen Mann, der sollte die Sendung vielleicht besser nicht sehen! +++ Ich ging mit dem Mikrofon meines Privatsenders in der Hand also zu Ulrike Meyfarth und sagte: „Frau Meyfarth, können Sie mir ein paar Gedanken zum Thema Berlin und Olympia … „, da schnauzte sie mich erst einmal an, sie hieße gefälligst Nasse-Meyfarth, pipapo, was für ein dämlicher Name – Freunde sind wir an dem Abend nicht mehr geworden. +++ Die U-Bahn jedenfalls nach dem Kino war ganz schön voll, das wunderte mich. Es ging ja nun locker auf zwei zu, und alle hatten Bierflaschen in der Hand. Irgendwann wurde ein Platz neben mir frei, und eine junge Italienerin setzte sich zu mir. Nach einer Weile sagte sie: „Schöne Kamera“, und ich erzählte ihr von Karl-Heinz Dellwo, der sei sehr sympathisch gewesen. Mit der RAF kannte sie sich erstaunlich gut aus, und erst am Kottbusser Tor schaute ich wieder auf: „Oh, tut mir leid – hier muss ich raus!“ +++ Da musste ich direkt mal an Tim und Struppis Kristallkugeln denken, ich elender Kindskopf.

Überschrift inspired by: Une jeunesse allemande (Dokumentation) mit Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Holger Meins, Horst Mahler, Gudrun Ensslin © Jean-Gabriel Périot (Réalisation), F 2015

Überschrift also inspired by: Holger Meins (* 1941 in Hamburg, † 1974 in Wittlich), deutscher Terrorist und früherer Filmemacher

Lyrics: La décadanse © Serge Gainsbourg feat. Jane Birkin, 1971 

Ulrike Nasse-Meyfarth (* 1956 in Frankfurt/M.), deutsche Hochspringerin und zweifache Olympiasiegerin

Talk im Turm (politische Talkshow, u.a. mit Erich Böhme) © Sat.1, D 1990 bis ’99

Night Cracks Harbour © And the Wiremen, vorauss. 2019

Marie-Antoinette | Holzmarktstraße 15 – 18 | Mitte

Kino Krokodil | Greifenhagener Straße 32 | Prenzlauer Berg

Das hässlichste Auto der Welt © Grzegorz Szczepaniak (Regie), PL 2017

Karl-Heinz Dellwo (* 1952 in Opladen), ehemaliger RAF-Terrorist und jetziger Filmemacher, Verleger und Gastwirt

Ulrike Meinhof (* 1943 in Oldenburg, † 1976 in Stuttgart-Stammheim), deutsche Journalistin und Terroristin

Neiße Filmfestival (NFF), zeigt im deutsch-polnisch-tschechischen Ländereck Filme aus Osteuropa (seit 2004)

Ola Staszel | Programm- und Festivaldirektorin | Neiße Filmfestival

Lucie Hollmann (* 1993 in Berlin), dt. Schauspielerin, u.a. in LOMO – The Language of Many Others, D 2017

Luzie, der Schrecken der Straße (sechsteilige Fernseh-Kinderserie) © Ota Hofman/Jindrich Polák (Idee), BRD/CSSR 1980

Tintin – Les sept boules de cristal © Hergé, 1948

Papa was a Rodeo / Baader kommt ganz groß in Mode.

MÜLLERSTRAßE © KAI VON KRÖCHER, 2018

I like your questioning eyebrows, you’ve made it pretty clear what you like. +++ Neulich, da hatte das Science-Magazin eine Studie veröffentlicht, ich kriege das nicht mehr zusammen. Es gab dazu ein Interview mit irgendwem irgendwo. Ich habe das Thema also sehr gründlich recherchiert, aber egal. Die Quintessenz jedenfalls ungefähr: „Von einer halben Million untersuchter Künstler sind insgesamt nur 240 spät entdeckt worden“, das heißt in etwa so viel wie, als Spätgebärender kannst du den ganzen Quatsch genau so gut sein lassen. Vielleicht besser gleich einen anständigen Beruf annehmen, davon gibt es ja heutzutage ausnehmend viele. +++ Oder, um es mit Old Billy Wilder zu sagen: „Die Lage ist hoffnungslos aber nicht ernst.“ +++ Okay. +++ Aber eigentlich wollte ich die wenige Zeit heute mal nutzen, ein bisschen Werbung in uneigennütziger Sache zu machen. Im Club der anständigen Herzen lautet das Motto nämlich am Abend: Plattendrehen mit Yoko Mono aus Hamburg. +++ Und wissen Sie was? Nächste Woche kommen dann sogar auch noch Spit & Sawdust, das sind ja nun auch Long lost alte Bekannte! +++ Ach, so: Die Fernsehwerbung des Versandhauses Bader war mir neulich so unvermittelt im Kopf umhergeschwirrt, an die erinnert sich wohlweislich kaum niemand. Die Gnade der frühen Geburt. Weit hergeholt jedenfalls auch wieder so ’ne Form der Duplizität der Ereignisse. Weil, a) fotografiere ich heute Abend den Terroristen Dellwo, und b) konnte unser Sohn Otto, und das ist kein Quatsch. Unser sehr junger und sehr supimäßiger Sohn Otto jedenfalls konnte bereits einen Endorsementvertag mit dem Otto-Versand Hamburg unterzeichnen, genau genommen per mündlicher Absprache – unter Edelleuten zählt noch immer das Wort! +++ Gibt es Bader eigentlich noch – oder auch Quelle?  +++ Ist ja egal, in fünf Jahren geht hier eh langsam das Licht aus.

Überschrift inspired by/Lyrics: Papa Was A Rodeo © The Magnetic Fields, 1999

Überschrift also inspired by: Bernd Andreas Baader (*1943 in München, †1977 in Stammheim), deutscher Terrorist

„Bader kommt ganz groß in Mode“, Werbeslogan des Versandhauses Bader

Eins, Zwei, Drei (mit Horst Buchholz, James Cagney, Liselotte Pulver u.a.) © Billy Wilder (Regie), USA 1961

Karl-Heinz Dellwo (*1952 in Opladen), ehemaliger deutscher Terrorist

Five Years © David Bowie, 1972

CLUB49 | Ohlauer Straße 31 | Berlin