Verworrene Städte / You’ll have to scream louder.

Deep Fuck Records: Karl-Marx-Allee, Neukölln © Kai von Kröcher, 2018/2021

 

Oooh, nothing’s ever gonna really be the same right after this.

 

 

Überschrift inspired by: Verworrene Städte (Lyrik) © Sylvia von Harden, 1920

Überschrift also inspired by: You’ll Have to Scream Louder © Tindersticks, 2020 (Cover) 

Lyrics: Petrol Fumes © Billy Nomates, 2021

Uhlandstraße, zurückbleiben / Du gehörst nicht nach Plus.

Fiktives Vinyl: Fernwärme Chantal – Netto Marken-Discount (für Wolf Klein) © Kai von Kröcher, 2021

 

And I couldn’t awake from the nightmare that sucked me in and pulled me under. +++ Erinnert sich da draußen an den Radiorekordern einer noch an den Plus Markendiscounter am Kottbusser Tor? Ich bin damals ja eher zu Minus gegangen, da gab es wenig fürs Geld. +++ Aber mal ohne Quatsch: Anja Maria erzählte mir einst eine Geschichte, die hat sich als Evergreen in meine Synapsen gebrannt. +++ Ein Faible für Plus seinerzeit hatte auch der von mir sehr geschätzte und hochdekorierte Künstler Wolf Klein – der setzte der Warenhandelsgesellschaft nicht nur nach deren Übernahme durch Netto lange noch wundersame Hommagen. Wolf Klein betrieb auch längere Zeit auf dem U-Bahnhof Möckernbrücke den Blumenladen – eine Galerie ausschließlich mit fotografierten Blumen. Darüber schrieb er dann lustige, böse Geschichten, die endeten stets mit dem Bahnhofsvorsteher: „Uhlandstraße – zurückbleiben, bitte!“ +++ Anja Maria hatte ich auf der U15 von Uhlandstraße nach Kreuzberg zurück kennengelernt, bepackt mit den Weihnachtseinkäufen von ’97: „Schlesisches Tor – zurückbleiben, bitte!“, da schließt sich ein Kreis. +++ Und Anja Maria erzählte halt diese Geschichte, sie erzählte immer sehr tolle Geschichten. Da war sie einkaufen bei Plus am Kottbusser Tor – der war damals da, wenn ich nicht irre, wo heute Dirk Rossmann seine Drogerie hat. Sie stand da relativ weit abgeschlagen in der Schlange zur Kasse, und vorne stockte der Ablauf, ein Tumult bahnte sich an. Ein Kunde beschimpfte, glaube ich, die Kassiererin wegen des Kopftuchs, das sie während der Arbeit trug. +++ Bahnhofsvorsteher? +++ Das zog sich jedenfalls alles sehr hin, da bei Plus. Langsam wurden die Leute unruhig, wollten bezahlen. Der außer sich wetternde Kunde ließ aber nicht locker, die Kassiererin saß wehrlos da und perplex. Lautlos begannen die Leute zu murren, während vorne politische Zustände in der Türkei angeprangert wurden: Mit ihrem Kopftuch gehöre sie hier nicht her, stauchte der Kunde sie zusammen. Und jetzt, nach zähen Stunden des Wartens – da regte sich ein recht runtergekommener dürrer Mann in der Schlange, in meiner Vorstellung schwirrten Fliegen um seinen Kopf. Der bäumte sich sozusagen auf doppelte Körpergröße auf. Für einen Moment lang lag eine gespenstische Stille über der Szenerie. Die Frau mit dem Kopftuch gehörte also nicht nach Deutschland, eine verfahrene Situation. Und jetzt kommt der verlauste Typ mit den Fliegen um den Kopf in Spiel – er hebt seine Stimme. Nachdem der ganze Laden eine gefühlte Ewigkeit lang in einer sprachlosen Blase gefangen war. Die Kassiererin gehört nicht nach Deutschland, wir erinnern uns. Und nun kommt der resolute, trockene Return von dem Typen weit hinten: „Und du gehörst nicht nach Plus!“ +++ Hätten Sie denn die Pointe besser erzählt? +++ Von Facebook vor zwei Stunden der Hinweis: „Die Seite Ihr seid solche Fucker verstößt durch vulgäre Ausdrücke gegen unsere Richtlinien.“ +++ Und Wolf Klein hat heute Geburtstag – herzlichen Glückwunsch! Sollten heute nicht auch Blumenläden und Friseure endlich wieder öffnen?!

 

Überschrift inspired by: Uhlandstraße, zurückbleiben © Wolf Klein, (?)

Überschrift also inspired by: Du gehörst nicht nach Plus!

Lyrics: So Real © Jeff Buckley, 1994

Plus Warenhandelsgesellschaft mbH (1972 – 2019), Tochter der Tengelmann Warenhandelsgesellschaft KG mit Sitz in Mühlheim an der Ruhr

Netto Marken-Discount | Urbanstraße 122 | 10967 Berlin-Kreuzberg

https://www.instagram.com/wolf.klein

Berechtigungsschwein / All you’ve got to do is win.

Fiktives Vinyl: God Morning / Warum bist du so hart zu dir selbst © Kai von Kröcher, 2019/2021 (Weiße Siedlung)

 

Und jeden Mittwoch die Zwölferpackung Eis, hat für uns drei grad so gereicht – unsere Welt schien hier ewig zu sein. +++ Da hatte der Lektor beim letzten Post wohl geschlafen: Sehen Sie sich mal die Überschrift an, die ergibt keinen Sinn. +++ Als gestern die Post kam, ein Brief ohne Absender. Wie immer die kurz aufflackernde Hoffnung, ein Schreiben von der Gesellschaft zur Aufspürung verkannter Genies: Einzelausstellung in den Deichtorhallen – und ich soll mir hunderttausend Euro abholen, Deutsche Post Filiale Kottbusser Damm bis achtzehn Uhr morgen Abend. Dann im Briefkopf aber das deutsche Hoheitssymbol, sagt man das so? Bundesadler, Schwarz, Rot, Gold. Jetzt haben Sie mich dran wegen meines Aufrufs zum Mord am brasilianischen Präsidenten letztens – ich dachte schon, der verhallt ungehört. Aber auch das nicht: Stattdessen 2×6 Gutscheine für „Masken mit hoher Schutzwirkung“ – ich gehöre jetzt zu den Privilegierten. +++ Wissen Sie, woher das Wort „Backfisch“ kommt? Habe ich neulich irgendwo gehört oder gelesen. Der Ausdruck, wie nennt man das eigentlich, wenn ein Begriff eine zweite Bedeutung bekommt, die mit der ersten im Prinzip nichts zu tun hat? Obwohl genau das nun auch wieder nicht stimmt. Aber in diesem Fall nämlich doch: Was hat denn ein junges Mädchen mit einem, sagen wir mal, Schlemmerfilet à la Bordelaise zu tun? Sehen Sie? Nun aber die erstaunliche wie auch befreiende Erklärung: Das Synonym nämlich stammt nicht aus dem Deutschen, sondern „Back Fish“ ist im Englischen ein Fisch, den man zurück ins Wasser wirft, weil er noch nichts auf den Rippen hat – und somit also zu jung zum Vernaschen ist. +++ Die Überschrift gestern, das mit dem Waldorf-Typ. Bezog sich darauf, dass Otto jetzt abends schon immer sagt, morgen schauen wir wieder Dekker. Dekker ist Ottos erstes mediale Idol, „das ist ein Tüüüüp!!!“ Und nicht etwa auf dem Laptop – für Dekker muss es schon der Zehntausend-Zoll-Flachbildfernseher sein, darunter läuft nichts. Tatsächlich das aller-, aller-, allererste Mal, dass ich zusammen mit meinem Sohn an der Glotze klebe, wie man früher gesagt hat, im Pantoffelkino sozusagen. +++ Hat man nicht einmal früher gesagt.

 

Überschrift inspired by: Berechtigungsschein 1 / Berechtigungsschein 2 (für je 6 Schutzmasken) © die Bundesregierung, 2021

Überschrift also inspired by: Win © David Bowie, 1975

Lyrics: Karlshorst © Sind, 2020

Weiße Siedlung | Dammweg/Sonnenallee | Berlin-Neukölln

Deichtorhallen | Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst und Fotografie | Deichtorstraße 1 – 2 | 20095 Hamburg

Deutsche Post Berlin | Filiale Yildirim & Yildirim | Kottbusser Damm 13 | 10967 Berlin

Vielleicht ist es anders als du denkst © Sind, 2020

This Here Island © Dekker, 2019

Deep Fuck Records © Kai von Kröcher, 2021

 

 

Micha, und ich geh / Ein „Ich-bin-ja-mehr-so-der-Waldorf-Typ“-Typ knickt ein.

Deep Fuck Records: Kelly Peters Trio (No. 1 in Holland) © Kai von Kröcher, 2019/2021

 

Liebe wird verboten, denn Liebe bringt Gefahr für den neuen Staat. +++ Vom Feeling her so vor ungefähr dreißig Jahren. Oder einunddreißig, besser gesagt. So unmittelbar nach der Wende, da gab es die East Side Mall an der Warschauer Brücke noch nicht. War ’ne schaue Zeit damals. Obwohl, die East Side Mall ist bestimmt auch super, ich war noch nicht drin. +++ Die Frage ist ja immer, ob den Leser so was interessiert. +++ Eigentlich ist es mein unausgesprochenes Dogma, dass mir Sachen intuitiv gefallen müssen, bevor ich sie zeige. Aber die Plattenhülle heute ist so dermaßen scheiße, dass ich tatsächlich ratlos bin. +++ ‚Vielleicht‘, dachte ich eben beim Aufwachen: ‚Vielleicht muss man sich auch im Fußball am Erfolg messen lassen‘, dachte ich jedenfalls. Wegen Preetz, ich habe mich gestern gefragt, ob der jetzt schlecht drauf ist. Wie man ja selber genauso schlecht drauf ist, wenn’s mal nicht läuft. Und draußen dann vielleicht auch noch Schneeregen. Der Unterschied zwischen Preetz und einem selber ist wahrscheinlich die Kohle – man sagt ja, die macht’s einem leichter. Obwohl ich nicht weiß, ob das stimmt. +++ Vom Feeling her so vor einunddreißig Jahren jedenfalls, da kam ich morgens aus Köpenick-Friedrichshagen. Als Zugereister aus dem Zonenrandgebiet damals wusste man gar nicht, dass es das gab – und sowieso nicht, wo das liegt. Schöne Zeit damals gewesen, aber auch das wusste man nicht. Ein ganz toller Frühlingsmorgen, Bornholmer Straße mit dem Polo Fox zurück über die Grenze. Und worauf ich hinaus will, im Radio jedenfalls lief ein Stück der Lightning Seeds, das ist mir gestern irgendwie wieder eingefallen. Die sagten im Radio, ein Stück von den Lightning Seeds und so weiter. ‚Waaaaas, echt?‘, dachte ich: ‚Das soll Blixa Bargeld sein?!‘ +++ Wenn man, dachte ich gerade. Wenn man Gemütszustände in Plattencovern ausdrücken könnte, einfach mal so auf den ersten Blick: Dann wäre das Cover heute Michael Preetz, wie er sich eben beim Frühstück fühlt – nur so’n Gedanke.

 

Überschrift inspired by: Du hast den Farbfilm vergessen © Nina Hagen und Gruppe Automobil, 1974

Überschrift also inspired by: Ein Waldorf-Typ knickt ein © Kai von Kröcher, 2021

Lyrics: Liebe wird verboten © Peter Maffay, 1980

East Side Mall | Einkaufszenrum an der Warschauer Brücke | Tamara-Danz-Straße | Berlin-Friedrichshain (Bauzeit: 2016 – 2018, Baukosten: 200.000.000 €)

Michael Preetz (* 17. August 1967 in Düsseldorf)

The Good Son © Nick Cave & the Bad Seeds, 1990

 

Islands in the Stream / Wissenschaft und Hedonismus.

Deep Fuck Records: Wissenschaft und Hedonismus © Kai von Kröcher, 2020/2021

 

How can we ever be the way we were. +++ Mein Sohn ist jetzt Dekker-Fan, wer auch immer das ganz genau sein mag, der Dekker. Denn auch wenn ich doch eher der Waldorf-Typ bin, wir mussten das Video uns gestern noch einige hundert Male gemeinsam reinpfeifen, um es mal flapsig zu sagen. Otto jedesmal ganz begeistert: „Da kommt er wieder – das ist vielleicht ein Tüüüüp!!!“ +++ Hier zum Reinschnuppern das Video: This Here Island (anklicken). +++ Hatte ich mal erwähnt, was ich bei Islands In the Stream Anfang der Achtziger immer verstanden hab? Eyeless industries, that is what you are. „Ah“, dachte ich damals: „Dolly Parton und Kenny Rogers klagen an!“ +++ Übrigens aus der Feder der Bee Gees, das wusste ich auch nicht – B-Seite „in den Staaten“: I Will Always Love You

 

Überschrift inspired by: Islands in the Steam © Kenny Rogers & Dolly Parton, 1983

Überschrift also inspired by: Wissenschaft und Hedonismus © Frischfleisch, 2021

Lyrics: This Here Island © Dekker, 2019

Dwelling High and Beautiful / You Can’t Keep a Good Man Down.

Deep Fuck Records: A Boy at the Time (Hohenschönhausen) © Kai von Kröcher, 2018/2021

 

Den 20. Jän­ner ging Lenz durchs Gebirg. +++ Das wäre dann morgen gewesen.

 

Überschrift inspired by: High And Dry © Radiohead, 1995

Überschrift also inspired by: Dig In © I Like Trains, 2020

Textauszug aus: Lenz (Erzählung) © Georg Büchner, 1835

If the bottom drops out / I will never keep you from an open door.

Fiktives Vinyl: Nuttenbrosche („Wherever you are or anywhere“) © Kai von Kröcher, 2020/2021

 

I wanna be there when the wild wave comes and we’re swept away. +++ Das mit den fiktiven Covern ist besser als alle Süchte zusammen. Außer Crystal vielleicht (Meth/Anm.d.Red.). +++ Wussten Sie, dass man den Aludeckel vom Joghurtbecher o.ä. abmachen muss, bevor man dann beides in die Wertstofftonne tut? Lässt sich sonst nicht gut trennen. +++ Vorhin musste ich an den Club denken, den in der Ohlauer Straße. Weil, vorhin im Radio, da liefen die Future Islands. Und da hatte da damals nachts mal eine Frau am Tresen gesessen, die kannte ich zwar von woanders her, aber hier war die beinahe nie. Und genau genommen war sie atemberaubend attraktiv, das hatte ich vorher wohl irgendwie immer übersehen, weil, sie hatte einen so völlig bescheuerten Namen. So was wie Horst, bloß halt für ’ne Frau. Ob ich jedenfalls was von den Future Islands hätte, so als wär‘ das der heißeste Scheiß. Naja, aber geht so. Und vorhin liefen die gerade mal wieder im Radio, und das ist ja nun eher so Bierzeltgeschunkel mit Synthie. +++ Im nächsten Post erzähle ich Ihnen vielleicht was über die Band Mietminderung, ich hatte mich damals gefragt: Wie kommt man denn auf so einen Namen? Aber die Platte von denen gefiel mir ganz gut, kann man sich downloaden.

 

Überschrift inspired by: This Here Island © Dekker, 2019

Überschrift also inspired by: For Sure © Future Islands, 2020 

Lyrics: Violent Sun © Everything Everything, 2020

Hiervon unberührt © Mietminderung, 2017