Micha, und ich geh / Ein „Ich-bin-ja-mehr-so-der-Waldorf-Typ“-Typ knickt ein.

Deep Fuck Records: Kelly Peters Trio (No. 1 in Holland) © Kai von Kröcher, 2019/2021

 

Liebe wird verboten, denn Liebe bringt Gefahr für den neuen Staat. +++ Vom Feeling her so vor ungefähr dreißig Jahren. Oder einunddreißig, besser gesagt. So unmittelbar nach der Wende, da gab es die East Side Mall an der Warschauer Brücke noch nicht. War ’ne schaue Zeit damals. Obwohl, die East Side Mall ist bestimmt auch super, ich war noch nicht drin. +++ Die Frage ist ja immer, ob den Leser so was interessiert. +++ Eigentlich ist es mein unausgesprochenes Dogma, dass mir Sachen intuitiv gefallen müssen, bevor ich sie zeige. Aber die Plattenhülle heute ist so dermaßen scheiße, dass ich tatsächlich ratlos bin. +++ ‚Vielleicht‘, dachte ich eben beim Aufwachen: ‚Vielleicht muss man sich auch im Fußball am Erfolg messen lassen‘, dachte ich jedenfalls. Wegen Preetz, ich habe mich gestern gefragt, ob der jetzt schlecht drauf ist. Wie man ja selber genauso schlecht drauf ist, wenn’s mal nicht läuft. Und draußen dann vielleicht auch noch Schneeregen. Der Unterschied zwischen Preetz und einem selber ist wahrscheinlich die Kohle – man sagt ja, die macht’s einem leichter. Obwohl ich nicht weiß, ob das stimmt. +++ Vom Feeling her so vor einunddreißig Jahren jedenfalls, da kam ich morgens aus Köpenick-Friedrichshagen. Als Zugereister aus dem Zonenrandgebiet damals wusste man gar nicht, dass es das gab – und sowieso nicht, wo das liegt. Schöne Zeit damals gewesen, aber auch das wusste man nicht. Ein ganz toller Frühlingsmorgen, Bornholmer Straße mit dem Polo Fox zurück über die Grenze. Und worauf ich hinaus will, im Radio jedenfalls lief ein Stück der Lightning Seeds, das ist mir gestern irgendwie wieder eingefallen. Die sagten im Radio, ein Stück von den Lightning Seeds und so weiter. ‚Waaaaas, echt?‘, dachte ich: ‚Das soll Blixa Bargeld sein?!‘ +++ Wenn man, dachte ich gerade. Wenn man Gemütszustände in Plattencovern ausdrücken könnte, einfach mal so auf den ersten Blick: Dann wäre das Cover heute Michael Preetz, wie er sich eben beim Frühstück fühlt – nur so’n Gedanke.

 

Überschrift inspired by: Du hast den Farbfilm vergessen © Nina Hagen und Gruppe Automobil, 1974

Überschrift also inspired by: Ein Waldorf-Typ knickt ein © Kai von Kröcher, 2021

Lyrics: Liebe wird verboten © Peter Maffay, 1980

East Side Mall | Einkaufszenrum an der Warschauer Brücke | Tamara-Danz-Straße | Berlin-Friedrichshain (Bauzeit: 2016 – 2018, Baukosten: 200.000.000 €)

Michael Preetz (* 17. August 1967 in Düsseldorf)

The Good Son © Nick Cave & the Bad Seeds, 1990

 

Deep Fuck Records / Someone told me not to cry.

Fiktives Cover: Ludmilla und Bernhardt („Interdisziplinär“) © Kai von Kröcher, 2020/2021

 

Wie soll ich dir das beschreiben, ich kann nicht tanzen, ich warte nur. +++ Die Idee mit den Covern ist sicher nicht neu. Wie eine Nacht sich im Kaufhaus einschließen lassen – die sind ja zurzeit eh alle dicht. +++ Ludmilla und Bernhardt – ein Duo aus Bregenz/Vorarlberg. Ludmilla war bis Corona längere Jahre in einer Beziehung mit Diether Nur, nicht zu verwechseln mit dem Satiriker. Bernhardt ist dabei der Nachname des Keyboarders und Drummers Lutz Bernhardt. +++ Mein Sohn schnappt jetzt neuerdings Wörter aus dem Radio auf. Vor Weihnachten sprach er plötzlich „Weihnachtsmann“ aus einer Discounter-Werbung nach und strahlte übers ganze Gesicht. Gestern sagte er, während er spielte: „Ich warte nur“ – eine Zeile von Thomas Brasch aus dem Song Geister von Masha Qrella. +++ Die Platte (oben) hätte, wenn man’s sich jetzt mal kurz überlegt: So hätte die Platte nämlich genauso gut heißen können: „Ich warte nu(h)r, Dieter“ – das wäre ein kryptischer Name gewesen, auf die Verkaufszahlen gezielt. +++ Oder „Deep Fuck“, das Cover zeigt ein Hochhausghetto, über das man in Wuhan sicherlich schmunzeln würde: Zu sehen ist die Weiße Siedlung (Neukölln) am Silvesternachmittag vergangenen Jahres – der Fotograf mit der S-Bahn ohne Ziel unterwegs zum Einkaufszentrum Berlin-Schöneweide, im Volksmund nicht zu unrecht „Schweineöde“ genannt.

 

Überschrift inspired by: Fiktive Platten © Kai von Kröcher, 2021

Überschrift also inspired by: Wake Up © Arkade Fire, 2005

Lyrics: Geister © Masha Qrella, 2020 (Text: Thomas Brasch/Suhrkamp)