Born to Boogie / Fensterplatz am Meer.

Aliens incognito: Reisende soll man nicht aufhalten (No. 3731) Berlin, Alexanderplatz) © Kai von Kröcher, 2019

 

All I got is a photograph and I realize. +++ So viel und so oft schon daran herumgeschrubbt an den Fotografien dieser Serie da oben. Ich würde sie gerne einmal überlebensgroß in einer Ausstellung sehen. Vielleicht sind sie großartig – wahrscheinlich aber schon völlig zerschunden, und der Inder müsste sich kurz einmal dransetzen. Hat jemand die Nummer von dem?  +++ Besser noch: Email-Adresse – ich telefonier‘ doch so ungern. +++ Diesen Ringo-Starr-Song da oben im Liedtext-Zitat: den musste ich eben nicht einmal hören, und schon war ich über den Daumen gleich wieder zehn Jahre. Wer sich erinnert, war nicht dabei – vom Feeling her direkt wieder tausend Kindheitsgefühle vor Augen! +++ Wussten Sie, dass Ringo Starr nicht nur Schlagzeuger der Beatles war, sondern zum Beispiel auch bei der großartigen T.-Rex-Konzert-Doku Born to Boogie Regie geführt und gleichzeitig den Film produziert hat? +++ Okay, und bevor das nach hinten losgeht – die Sache mit dem Inder war mal so ’ne Art Privat-Joke: Es gab da angeblich in Indien irgendwo jemanden, dem konnte man seine ganzen Fotos schicken – und der hat die dann nach Strich und Faden professionell bearbeitet, wenn man nicht weiterkam.

 

Überschrift inspired by: Born to Boogie (Konzertfilm mit T. Rex, Elton John, Ringo Starr) © The Beatles‘ Apple Films/Ringo Starr (Produktion und Regie), GB 1972

Überschrift also inspired by: Fensterplatz am Meer © Decathlon, 2019

Lyrics: Photograph © Ringo Starr, 1973

Richard Starkey (* 7. Juli 1940 in Liverpool), britischer Musiker, Songschreiber, Schauspieler und Filmregisseur und -produzent

Junge, komm bald wieder / Auf ewig Dein.

Wer einen Pelz hat, trägt ihn, wer keinen hat, trägt keinen: Berlin, Alexanderplatz (Oktapolaris, remastered) © Kai von Kröcher, 2020

 

Meine einzige Geliebte ist jetzt das Morphium. Sie ist böse, sie quält mich unermesslich, aber sie belohnt mich auch über jedes Begreifen hinaus. +++ Das war vermutlich das letzte Bild vom letzten Jahr: Silvesternachmittag, mehr als 300 Einzelaufnahmen (oben). +++ Nächstes Jahr, 1929, wirds noch kälter. +++ Habe ich Ihnen eigentlich schon einmal von meinem Sohn erzählt? +++ Telefonieren tue ich bekanntlich nur ungern und äußerst selten. Früher, zu Zeiten der Szenegaststätte der Herzen, war das einzige Telefonat in der Woche das mit dem Getränkelieferanten, das ließ sich unmöglich umgehen. +++ Okay, ich hatte vor einer Weile mal eine Geschichte. Angefangen, irgendetwas mit Casolare. Und wo ich noch immer mit Männergrippe im Bett liege, vielleicht erzähle ich die nun einfach endlich zu Ende. +++ Es begab sich in den ersten Monaten nach Ottos Geburt, und für einen spätgebärenden Jungvater ohne Vorahnung ist das vor allem eine herausfordernde, anstrengende Zeit. Es wird ein Spätwintertag gewesen sein, ich kam von meinem eingeborenen Sohn, die nächsten Stunden hatte ich ‚frei‘. An der Admiralbrücke entschloss ich mich ganz spontan zu einer Belohnung, einer Pizza im Il Casolare. Das war lange vor Coronita, und mehr noch als die meistgehasste Pizza der Stadt mochte ich diese geschäftige Stimmung dort drinnen am Nachmittag, die noch nicht in das abendliche Gekreische übergegangen war. Immer schon knapp davor, dass man keinen Tisch mehr bekam, dennoch kontemplativ irgendwie. +++ Ich trat also ein – und was ich noch nie erlebt hatte: der Laden war leer. Fünf, sechs Leute vom Personal drückten sich vorne am Tresen herum und schauten mich an. Manch eine*n von denen kennt man ja seit – keine Ahnung, seit mindestens zwanzig Jahren. Stutzend verunsichert blieb ich zaghaft im Eingang stehen: „Ist geschlossen?“ +++ Jetzt muss ich den Bogen kriegen: sie meinten, ich könne mir irgendeinen Tisch suchen, ich nahm einen kleinen am Fenster. Draußen der schmucklose Spätwintertag, drinnen die herzerwärmende Wärme des Steinofens. +++ Meine Pizza war schon gekommen, noch immer saß ich alleine da. Ich kam mir vor wie in einer dieser Folgen im Fernsehen über unerklärliche Phänomene mit dem Typen der aussieht wie Freddy Quinn und stümperhaft synchronisiert ist. +++ Genüßlich aß ich von meiner Pizza, ich glaube, es war eine Philadelphia mit Pilzen. Irgendwann traten zwei Gäste ein und setzten sich an den Tisch direkt neben mir. Sie saßen in meinem Rücken, ich konnte mich nicht nach ihnen umdrehen. Er oder sie meinte, er oder sie habe kein Bargeld dabei*, der oder die andere meinte: „kein Problem!“ +++ Vielleicht lasse ich einfach das Bild oben wirken und trinke entspannt eine Tasse Kaffee.

 

Überschrift inspired by: Junge, komm bald wieder © Freddy Quinn, 1962

Überschrift also inspired by: Tatort – Auf ewig Dein (Fernsehkrimi, mit u.a. Florian Bartholomäi) © ARD, D 2014

Bildunterschrift inspired by: Berlin Alexanderplatz – die Geschichte vom Franz Biberkopf (Roman) © Alfred Döblin, 1929

Textauszug aus: Der Trinker (Graphic Novel nach Motiven u.a. aus Hans Falladas gleichnamigen Roman) © Jakob Hinrichs, 2015

Freddy Quinn (* 27. September 1931 in Wien als Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl), östrr. Schlagersänger und Schauspieler mit Wahlheimat Hamburg

Il Casolare | Cucina Casalinga Popolare | Grimmstraße 30 | Berlin-Kreuzberg

* keine Kartenzahlung

Schuhe aus dem Darknet / Nildelta-Blues.

Fiktives Vinyl: Froh ist, wer jetzt ein Zuhause hat (Alexanderplatz) © Kai von Kröcher, 2020/2021

 

How was she to know just how much he cared. +++ Bis vor kurzem noch sagte so mancher Früh- bis Mittelfrühgeborene zu meinem Sohn, „Mensch, du siehst ja aus wie Brian Connolly!“ (Brian Connolly: Sänger der Sweet, Träger der Brian-Connolly-Frisur/Anm.d.Red.). +++ Mittlerweile aber tragen wir beide, Otto und ich – wir tragen jetzt beide stolz und zufrieden den auch in dieser Saison wieder modernen und flotten Lockdown-halb-über-die-Ohren-Haarschnitt: Auch bei mir ist am Sonntag die Altersmatte endgültig gefallen. +++ Mein Korrekturprogramm übrigens streicht „Brian Connolly“ nicht an – im Gegensatz zum Beispiel zu „Martenstein“. +++ Vorgestern Abend, besagter Sonntag. Nach Einbruch der Dunkelheit führte ich meine Lockdownfrisur eine Runde durch den literarisch gesprochen kniehohen Schnee, an solchen Tagen kann man nicht einfach zu Hause herumsitzen. Auf dem Heimweg zurück vom Admiralbrückenspäti, relativ betrachtet waren fast keine Menschen unterwegs: Am Planufer kam mir die Silhouette eines Mannes entgegen, in einiger Entfernung folgte ein Hund. Der sich bei näherer Betrachtung allerdings als ein Wolf ein Fuchs entpuppte; entspannt und gelassen trottete er in Streichelnähe (Mindestabstand nach der virologischen A-H-A-Regel) unbeeindruckt an mir vorüber. Zweihundert Jahre früher hätte ich ihn erlegt wegen des kostbaren Pelzes, den er trug. +++ Wie war doch gleich nochmal der Running Gag von mir immer zu meinem Sohn? „Man kann über den Papa sagen, was man will – aber ein Schwein ist er nicht!“ +++ Bei der Begegnung mit dem Fuchs jedenfalls – ich weiß ja nicht, ob man im Nildelta „den Blog“ regelmäßig liest, aber ganz liebe Grüße!

 

Überschrift inspired by: Intro © Jan Delay, 2021

Überschrift also inspired by: Robert Leroy Johnson (* 8. Mai 1911 als Robert Leroy Dodds in Hazlehurst, Mississippi; † 16. August 1938 in Greenwood, Mississippi), König des Delta Blues‘

Lyrics: Alexander Graham Bell © The Sweet, 1971

Bohemian Rhapsody © Queen, 1975

Haircut 100 / die Verwandlung.

Herbst – the Dark Side of the Moon © Kai von Kröcher, 2019

 

Out upon the ocean waves subside. +++ Gestern ist uns vielleicht was passiert, Otto und mir – kennen Sie Kafka? +++ Beim Aufwachen heute wurde mir klar: in all den Jahren, auch früher nicht – nicht ein einziges Mal habe ich je drüber nachgedacht, was Haircut 100, also der Bandname – was der wohl für eine Bedeutung, welchen Hintergrund hat. +++ Aber fangen wir vielleicht einfach ein kleines Stück weiter vorn an: Über das Wochenende nämlich war meine Nichte zu Besuch gewesen, Ottos Cousine aus den Bergen sozusagen. Und nicht einmal nur ’sozusagen‘: Ich glaube, die haben da alles so um die Zwei- bis Dreitausender – ein hochgelegenes Kerbtal mit fünf Dörfern und ringsherum Zwei- bis Dreitausender! Ottos Cousine jedenfalls musste dann gestern wieder zur Bahn, und beim Umsteigen am Alex – ich bin ja nun wirklich nicht der Gunnar Schupelius des Internet-Blogs, aber wenn Sie im Rollstuhl sitzen oder mit dem Kinderwagen unterwegs sind: Katastrophe! Jedenfalls stehen wir da schon eine ganze Weile, und der Fahrstuhl fährt voll vorbei von oben nach unten – und dann wieder voll vorbei von unten nach oben. Und vor uns erst noch eine Reihe Mütter mit ihren Kindern, dann endlich stehen wir auf der Pole Position, sagt man das so? Um das mal abzukürzen, hier kommt jetzt ein gewisser Niko oder Nico ins Spiel. Beziehungsweise kommt er fluchend, einen leeren Puppenwagen vor sich her schiebend, mit einer Bierflasche in der Hand direkt auf uns zu geschlurft. Dann drängelt er sich zwischen uns und den Fahrstuhl. Ich bin nun wirklich nicht überheblich gegenüber Menschen, bei denen es im Moment vielleicht gerade nicht so gut läuft. Aus der Situation heraus jedoch verhielt ich mich eher undifferenziert – ich sagte : „Verpiss dich hier, du Idiot!“ +++ Okay, die Geschichte wird sich noch etwas ziehen, vielleicht spulen wir schon mal ein paar Kapitel vor. Als wir nämlich die Nichte bzw. Cousine in den Zug zurück in die Berge gesetzt hatten, da sind Otto und ich wieder zum Alexanderplatz. Otto liebt den Fernsehturm, und aus meinem Küchenfenster sehen wir nur den oberen Teil der Antenne. Ich finde das trotzdem erstaunlich mit seinen gerade mal vierzehn Monaten: Er bringt diese Antennenspitze nämlich schon mit dem kompletten Fernsehturm in Zusammenhang, und das nicht erst seit gestern. +++ Lange Rede, kurzer Sinne: Am Alex steht ja zurzeit gerade der Weihnachtsmarkt, und ohne zu übertreiben darf man mich gern den Gunnar Schupelius der Weihnachtsmärkte nennen. Zumindest, was den am Alexanderplatz angeht. Jedenfalls steht da dieses große Kinderkarussell, und ich habe erst mit Otto ein paar Runden im Kinderwagen drumherum gedreht, dann sind wir in den DM-Markt. +++ Am Alex gibt es übrigens zwei DM-Märkte, und der eine hat – aber das wusste ich seinerzeit nicht und habe mich da einmal dumm und dämlich gesucht: der eine hat nämlich keine Babynahrungsabteilung, was eher merkwürdig ist für einen Drogeriemarkt, aber egal. Auf dem Rückweg jedenfalls blieben wir wieder am Karussell stehen – und diesmal kaufte ich uns beiden ein Ticket. Die Fahrkartenverkäuferin meinte, von null bis hundert – hier dürfe ein jeder mitfahren! +++ Wow, wir haben uns in eine Kutsche gesetzt, das war super: Um uns herum Pferde aus Holz, und während wir uns drehten, sahen wir die Kugel des Fernsehturms am Himmel oben vorbeiziehen und die Trambahnen über den Platz und den Fernverkehr hinten am Bahnhof und die ganzen bescheuerten Leute und alles! +++ Und jetzt aber geht die Geschichte wieder in ihre Niederungen: Weil die Begegnung mit Niko unten am Fahrstuhl nämlich nicht so schön gewesen ist – Niko hatte angefangen, mich wüst zu beschimpfen und meinen Kindern den Tod zu wünschen, was ich schon mal für einen ganz großen Fehler hielt. Die Security-Leute, die ihn mit Namen ansprachen, was ich übrigens sehr menschlich und nett fand, die haben sich dazwischengestellt und versucht, die Sache zu deeskalieren. Und als unser Fahrstuhl dann endlich kam, gerade noch rechtzeitig, da schrie die Frau unter den Security-Leuten plötzlich auf: „Mensch, Nico – was machst du denn da?!“ Und Nico oder Niko stand ohne Quatsch neben dem nächsten Eisenstützträger mit heruntergelassenen Hosen und kackte im Stehen gemächlich einen matschigen Haufen, er hatte uns seinen Po zugedreht. Sicherlich deshalb hatte er sich beim Fahrstuhl vordrängeln wollen, das tat mir jetzt leid – Otto schlief. +++ Und nun kommt der (für Sie) lustige Teil der Geschichte: Um uns ein nochmaliges Aufeinandertreffen mit Nico zu ersparen, fuhren Otto und ich eine Station mit der S-Bahn bis Jannowitzbrücke und stiegen dort um. Auch von dort hat man einen sehr schönen Blick auf den Fernsehturm, und ich liebe die alten Fotos unten in der U-Bahnstation. +++ Bevor es gleich aber lustig werden kann, kommt erstmal kurz noch eine recht finstere Episode – wer da etwas zarter besaitet ist, der möge noch einmal vorspulen: Als wir unten aus dem Fahrstuhl stiegen, fiel mir im Augenwinkel etwas in einer Nische auf, das konnte ich erst nicht so recht einordnen. Man ist ja nun schon etwas hartgesottener geworden in all den Jahren hier unterwegs. Otto zum Beispiel haut so schnell nichts um, aber er guckte eh irgendwo anders hin. Und als ich genauer hinsah, und das musste ich ehrlich gesagt mehrmals tun. Da saß nämlich einer im Rollstuhl, dem fehlten ein oder zwei Beine. Und oben herum konnte ich nicht so recht erkennen, was das genau war, was ich da sah. Mit einer Spritze stocherte er in seinem Arm herum, bloß konnte man den Arm nicht mehr als Arm identifizieren. Da fehlte in etwa ein ganzes Pfund Fleisch, alles war offen und blutig, wie nach einem Bombenattentat. Man sah den komplett nackten Knochen. Und da bohrte er jetzt mit der Spritze drin rum auf der Suche nach einem Einstichloch, oder wie man das nennt. +++ Und dennoch wird es (für Sie) jetzt recht lustig: Mit der Frage nämlich, ob Heroin wirklich so geil ist, dass man da alles super findet und erste Sahne gut drauf ist und denkt, was für ein schöner Tag  – obwohl man unten irgendwo in der U-Bahn lebt und aussieht wie ein schlecht bezahlter Komparse aus einem Horrorfilm mit ein oder zwei fehlenden Beinen und einem Arm, der einem bei lebendigem Leibe wegfault. Mit diesen Gedanken im Kopf also stieg ich in die U8, und man muss dazusagen, es war einer der neuen Züge, die haben wohl anscheinend ein anderes Beschleunigungsverhalten als die Wagen der alten Baureihe, das war mir vorher nie aufgefallen. Ferner sollte ich noch erwähnen, dass Otto von seiner Cousine zu Weihnachten schon vorab einen sportlichen Kinderwagen geschenkt bekommen hat, der rollt wesentlich leichter als unser alter verbogener. Das alles sollte man wissen. Ich stieg also ein auf den letzten Drücker und zog aus Bequemlichkeit die Bremse am Kinderwagen nicht an. Dann wollte ich gerade sanft in die Hocke gehen, mit Otto das Kinderkarussell noch einmal Revue passieren zu lassen. Und genau in diesem Moment zog die Bahn an. Ich verlor die Balance, versuchte, mich am Kinderwagen festzuhalten – doch dda waren die Bremsen ja gar nicht angezogen und er machte sich selbstständig! Ich also kippte in Zeitlupe nun rückwärts der Länge nach in den Gang und blieb auf dem Rücken liegen. Ich dachte, wie peinlich, und wollte schnell wieder aufstehen. Da aber hatten mich vom Feeling her schon drei Männer von hinten gepackt und wollten mir aufhelfen. Aufgeregt schrie einer: „Kommen Sie, setzen Sie sich hin!“ Ich kam mir vor wie ein alter Zausel, der einfach mal kurz in der U-Bahn umfällt. Ich wollte mich aufstützen, die Situation irgendwie retten. Ruderte mit den Händen aber in der Luft, die hielten mich ja in ihrem elenden Polizeigriff. Ich fluchte: „Jetzt lassen Sie mich endlich los!“ Dann stand ich auf und versteckte mich voller Scham hinter Otto. +++ Ob die weiße Altersmatte für Hundertjährige wirklich so frisch und kreativ rüberkommt, wie es mir bisher immer vorkam – ich muss da mal drüber nachdenken.

 

Überschrift inspired by: Fantastic Day © Haircut One Hundred, 1982

Überschrift also inspired by: Die Verwandlung (Erzählung) © Franz Kafka, 1912

Bildunterschrift inspired by: The Dark Side of the Moon © Pink Floyd, 1973

Lyrics: Silver Moon © David Sylian, 1986

Gunnar Schupelius (* 1963 in Berlin-Wilmersdorf), Kolumnist der BZ

Vagina Dialoques / You’re laughing, we’re carving your name in a tree.

SCHWERE SEE (REVISITED) I © KAI VON KRÖCHER, 2018

SCHWERE SEE (REVISITED) II © KAI VON KRÖCHER, 2018

»Kann man ihn nicht ein bisschen hin und her tragen oder schaukeln?«, fragt Pinneberg. »Ich glaube, ich habe mal gehört, das macht man, wenn kleine Kinder schreien.« »Das fang nur an!«, sagt Lämmchen empört. »Dann können wir überhaupt nichts anderes mehr tun als hin und her zu laufen und ihn wiegen.« »Aber vielleicht heute einmal, wo es sein erster Tag bei uns ist«, bittet Pinneberg. »Er soll es doch nett haben bei uns!« »Ich will dir was sagen«, sagt Lämmchen und ist sehr energisch. »Das fangen wir gar nicht erst an. Hör zu, die Schwester hat gesagt, das Beste ist, ihn durchbrüllen zu lassen, die ganzen ersten Nächte wird er brüllen. Wahrscheinlich …«, schränkt sie das Gesagte mit einem Blick auf ihren Mann noch ein. »Es kann ja auch anders kommen. Und man soll ihn auf keinen Fall aufnehmen. Schaden kann ihm das Brüllen nichts. Und dann gewöhnt er sich daran, dass er durch Brüllen nichts erreicht.« »Naja«, sagt Pinneberg. »Ich finde es aber ziemlich roh.« +++ In einem Punkt muss ich dem Donald Trump, ich finde den ja eigentlich nicht wirklich gut. Aber in der einen Sache, da hat er mal echt keinen Unsinn erzählt: im Winter ist es kälter als im Sommer. +++ Okay, ich hatte neulich geschrieben, den Otto erzögen wir streng nach neuester nationalsozialistischer Erziehungslehre, das war natürlich gelogen. Wer möchte sich ernsthaft vorstellen wollen, sein kleiner Murkel würde später womöglich einmal so wie der Höcke. +++ Bei dem Krawattenbild neulich, da dachte ich hinterher, könnte auch gut und gern eine weibliche Scheide sein: „Muschi aus Spannbeton“ – würde sich super verkaufen. +++ Ginge es nur ums Verkaufen, wäre ich Gebrauchtwagenhändler geworden, das sagte ich schon. +++ Vorgestern ist etwas Großartiges im Leben eines jungen Vaters passiert: Die Gewordene kam abends nach Hause und wollte wissen, was wir den Tag lang so getrieben hätten. „Lustiges Füßchenspiel“, sagte ich – und aus der Erinnerung schlüpfte ich noch einmal in die verschiedenen Rollen und spielte das Spiel in seinem kompletten Dialogverlauf nach. Auftretende Personen: der kleine Otto, Ottos Füßchen („Rechts“ und „Links“), der dicke Walfisch, Helmut Kohl. Und als ich so meine Stimme verstellte, fing Otto plötzlich zum ersten Mal in seinem Leben an, aus vollstem Herzen zu lachen – am Ende lag dann die ganze kleine Familie unter dem Tisch. +++ Das interessiert Sie als Haifischkapitalisten da draußen natürlich nur herzlich wenig, das ist mir schon klar!

Überschrift inspired by: The Vagina Monoloques (Theaterstück) © Eve Ensler, 1995

Überschrift also inspired by: Aural Sculpture © The Stranglers, 1984

Textauszug aus: Kleiner Mann – was nun? (Roman) © Hans Fallada/Rowohlt Verlag, 1932

Hans Fallada (bürgerlich Rudolf Ditzen, *1893 in Greifswald, †1947 in Berlin), dt. Schriftsteller

Björn Höcke (*1972 in Lünen), dt. Politiker

Helmut Kohl (*1930 in Ludwigshafen, †2017 ebenda), dt. Bundeskanzler

Stop Wars / Lebst du noch, oder stellst du schon aus.

ALEXANDERPLATZ © Kai von Kröcher, 2018

The words come out like rats leaving a sinking ship. +++ Irgendwie gefiel es mir besser, als ich euch noch siezte – jetzt fühle ich mich ein bisschen wie Herr IKEA. +++ Aber die Welt ist im Umbruch, das muss ich Ihnen nicht erst erklären. Auch der oder das Blog wird noch etwas Gewöhnung bedürfen, z.B. weiß ich vorher nie ganz genau, wie es hinterher auf dem Bildschirm aussieht. Das Erscheinungsbild ändert sich mit jedem Laptop oder Mobiltelefon, wenn Sie verstehen, wie ich das meine. +++ Aber gut, ich wollte ja auf etwas ganz anderes heute hinaus. Die Katze aus dem sprichwörtlichen Sack lassen, die sprichwörtliche Katze. +++ Die Ausstellungsvorbereitungen laufen: etwas anderes zu behaupten, wäre gelogen. +++ Im Sommer irgendwann, der war ja unendlich lang, dieses Jahr. In Gedanken jedenfalls schritt ich die Jahre der Jugend ab. Wissen Sie, was überhaupt fies ist: Als ich gestern nach Einbruch der Dunkelheit den Kanal mit der Werdenden hinunterspazierte. Da sprach uns ein Flaschensammler an, wollte den Weg zum Moritzplatz wissen. Ich sage, bis dahinten zur Brücke, dann rechts die Prinzenstraße runter, pipapo, und einfach immer nur geradeaus. Da sieht er sich prüfend die Werdende an, deutet auf mich und meint, der Großvater sei wohl schon ganz schön aufgeregt. +++ Aber zurück zur Jugend: Mir war aufgefallen, dass Manzur und ich uns diesen September seit ohne Quatsch vierzig Jahren kennen. Neulich erst hatte ich darüber sinniert, dass es wohl kaum unterschiedlichere Menschen geben könne als uns zwei. Ist vielleicht ein bisschen übertrieben – macht die Sache aber auch für die Medien interessant! +++ Ich finde das übrigens ohne Quatsch ziemlich gut, dass Helene Fischer sich öffentlich gegen diesen ekligen Nazischeiß momentan hier überall positioniert hat: das dürfte wohl mehr bringen, als wenn Campino schon wieder eine Bühne bespringt. +++ Wobei das natürlich völlig o.k. ist, wenn er das tut. +++ Naja, jedenfalls nehmen Manzur und ich diese vierzig Jahre zum Anlass, am 14. September im Headquarter of Robert Kovac Fußballgott eine gemeinsame Ausstellung zu eröffnen. Um sie am selben Abend dann wieder zu schließen – erlesener geht es wohl kaum. +++ Was ist eigentlich ein „Codeschnipsel“?

 

Lyrics: Sinking Ship © Balthazar, 2012

40 Years – Just For One Day | Manzur Kargar & Kai von Kröcher | Kovac Flagship Store | Ohlauer Str. 31 | Freitag, 14.9. | 19:00 Uhr