Junge, komm bald wieder / Auf ewig Dein.

Wer einen Pelz hat, trägt ihn, wer keinen hat, trägt keinen: Berlin, Alexanderplatz (Oktapolaris, remastered) © Kai von Kröcher, 2020

 

Meine einzige Geliebte ist jetzt das Morphium. Sie ist böse, sie quält mich unermesslich, aber sie belohnt mich auch über jedes Begreifen hinaus. +++ Das war vermutlich das letzte Bild vom letzten Jahr: Silvesternachmittag, mehr als 300 Einzelaufnahmen (oben). +++ Nächstes Jahr, 1929, wirds noch kälter. +++ Habe ich Ihnen eigentlich schon einmal von meinem Sohn erzählt? +++ Telefonieren tue ich bekanntlich nur ungern und äußerst selten. Früher, zu Zeiten der Szenegaststätte der Herzen, war das einzige Telefonat in der Woche das mit dem Getränkelieferanten, das ließ sich unmöglich umgehen. +++ Okay, ich hatte vor einer Weile mal eine Geschichte. Angefangen, irgendetwas mit Casolare. Und wo ich noch immer mit Männergrippe im Bett liege, vielleicht erzähle ich die nun einfach endlich zu Ende. +++ Es begab sich in den ersten Monaten nach Ottos Geburt, und für einen spätgebärenden Jungvater ohne Vorahnung ist das vor allem eine herausfordernde, anstrengende Zeit. Es wird ein Spätwintertag gewesen sein, ich kam von meinem eingeborenen Sohn, die nächsten Stunden hatte ich ‚frei‘. An der Admiralbrücke entschloss ich mich ganz spontan zu einer Belohnung, einer Pizza im Il Casolare. Das war lange vor Coronita, und mehr noch als die meistgehasste Pizza der Stadt mochte ich diese geschäftige Stimmung dort drinnen am Nachmittag, die noch nicht in das abendliche Gekreische übergegangen war. Immer schon knapp davor, dass man keinen Tisch mehr bekam, dennoch kontemplativ irgendwie. +++ Ich trat also ein – und was ich noch nie erlebt hatte: der Laden war leer. Fünf, sechs Leute vom Personal drückten sich vorne am Tresen herum und schauten mich an. Manch eine*n von denen kennt man ja seit – keine Ahnung, seit mindestens zwanzig Jahren. Stutzend verunsichert blieb ich zaghaft im Eingang stehen: „Ist geschlossen?“ +++ Jetzt muss ich den Bogen kriegen: sie meinten, ich könne mir irgendeinen Tisch suchen, ich nahm einen kleinen am Fenster. Draußen der schmucklose Spätwintertag, drinnen die herzerwärmende Wärme des Steinofens. +++ Meine Pizza war schon gekommen, noch immer saß ich alleine da. Ich kam mir vor wie in einer dieser Folgen im Fernsehen über unerklärliche Phänomene mit dem Typen der aussieht wie Freddy Quinn und stümperhaft synchronisiert ist. +++ Genüßlich aß ich von meiner Pizza, ich glaube, es war eine Philadelphia mit Pilzen. Irgendwann traten zwei Gäste ein und setzten sich an den Tisch direkt neben mir. Sie saßen in meinem Rücken, ich konnte mich nicht nach ihnen umdrehen. Er oder sie meinte, er oder sie habe kein Bargeld dabei*, der oder die andere meinte: „kein Problem!“ +++ Vielleicht lasse ich einfach das Bild oben wirken und trinke entspannt eine Tasse Kaffee.

 

Überschrift inspired by: Junge, komm bald wieder © Freddy Quinn, 1962

Überschrift also inspired by: Tatort – Auf ewig Dein (Fernsehkrimi, mit u.a. Florian Bartholomäi) © ARD, D 2014

Bildunterschrift inspired by: Berlin Alexanderplatz – die Geschichte vom Franz Biberkopf (Roman) © Alfred Döblin, 1929

Textauszug aus: Der Trinker (Graphic Novel nach Motiven u.a. aus Hans Falladas gleichnamigen Roman) © Jakob Hinrichs, 2015

Freddy Quinn (* 27. September 1931 in Wien als Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl), östrr. Schlagersänger und Schauspieler mit Wahlheimat Hamburg

Il Casolare | Cucina Casalinga Popolare | Grimmstraße 30 | Berlin-Kreuzberg

* keine Kartenzahlung

Postcards from Nowhere / Heinz Erhardt der Kanzlerkandidatur, der.

Gruß aus Berlin: Adlershof © Kai von Kröcher, 2021

 

I love the mess that you made, I don’t need no songs about the sun. +++ Inspiriert durch den großen Erfolg meiner fiktiven Schallplatten (Deep Fuck Records/Anm.d.Red.), kam mir neulich der Einfall zu einer gefaketen Postkarten-Serie. +++ Vorletzte Woche hatte ich einen Film in der Mediathek gesehen, generell bin ich ja eigentlich eher so der lineare Typ. Der jedenfalls brachte mich rein vom Feeling her zurück in die Zeit, als ich noch Szenegastwirt der Herzen war. Neben einigen bekannteren Schauspielern und einigen anderen bekannteren Leuten spielen da auch ein paar bekanntere Bekannte mit: Ganz am Anfang Klaus Cornfield, der spielt sich zum Beispiel selbst, oder – ebenfalls relativ zu Beginn – Volker „the fabulous Main Bird“ Hauptvogel als Bierlieferant. +++ Hier jedenfalls erstmal der Link: Leif in Concert – Vol. 2 +++ Bei der Gelegenheit fiel mir eine mysteriöse Geschichte wieder ein, da war mein Sohn vielleicht gerade mal ein paar Wochen alt: Von den ungewohnten Pflichten eines jungen Vaters wollte ich mich erholen, und da habe ich mich um die Mittagszeit im Herbst 2018 ins Casolare gesetzt. Mancher von Ihnen da draußen an den Empfängern wird nun sicher erbosen und mir die Internetfreundschaft aufkündigen, aber ich liebe es, mittags da zu sitzen. Auch wenn ich jetzt ewig nicht mehr dagewesen bin. Das ist immer ein bisschen wie wegtauchen, verschwinden. Jedenfalls wollte ich mich belohnen (wegen der ungewohnten Pflichten/Anm.d.Red) und trat ein. +++ Ein Teil dieser Geschichte würde die Bevölkerung verunsichern, aber das stimmt nicht. +++ Ich sitze jetzt schon seit etwa vier Stunden an diesem Post und komme nicht weiter. Und würde viel lieber endlich mal raus an die Luft gehen. +++ Um hier vielleicht schon mal einen Cliffhänger für spätere Gelegenheiten einzubauen: In der Casolare-Geschichte kam ich mir vor wie in den alten schwarzweißen Folgen der Twilight Zone, und der Schauspieler Florian Bartholomäi spielt darin eine entscheidende Rolle. Im Casolare seinerzeit, meine ich. Und der spielt ja in Leif in Concert auch mit – aber so aufregend wie ich dachte, ist meine Geschichte nun doch wieder nicht.

 

Überschrift inspired by: Postcards from Italy © Beirut, 2005

Überschrift also inspired by: Armin Laschet (* 18. Februar 1961 in Aachen, Ortsteil Burtscheid), dt. Politiker

Lyrics: Songs About the Sun © Orchestre Miniature in the Park, 2015

Leif in Concert – Vol. 2 © Christian Klandt (Regie), D 2019

Il Casolare | Cucina Casalinga Popolare | Grimmstraße 30 | 10967 Berlin

„Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ (Thomas de Maizière, Hannover, 17. November 2015)

The Twilight Zone (Science-Fiction- und Mystery-Serie) © USA 1959 – 1964, 1985–1987, 2002–2003, 2019–2020

Heinz Erhardt (* 20. Februar in Riga, Russisches Kaiserreich; † 5. Juni 1979 in Hamburg), dt. Komiker, Musiker, Schauspieler, Kabarettist, Komponist, Dichter