Atlantic City / Sometimes I find myself sitting back and reminiscing.

Landsberger Allee im Schienenersatzverkehr auf Höhe von Krorr-Bremse © Kai von Kröcher, 2025 (Handyfoto)

 

Ich weiß noch, als du da rein kamst – in unsern Rock ’n‘ Roll Club. +++ Gerade habe ich von dem Kaufhaus Karstadt geträumt. Einer dieser Träume, da ist man irgendwo unterwegs, und auf einmal sieht alles so anders aus. Und plötzlich kam ich bei Karstadt am Hermannplatz vorbei, die waren gerade am Schließen. Nicht so am Feierabendmachen einfach nur, die machten komplett die Filiale dicht. Ich fragte, ob ich noch schnell einmal rein könnte, und drinnen war alles schon ausgeräumt. Ich bin dann über menschenleere Räume und Treppenhäuser bis ganz nach oben. Dort in dem leerstehenden Bistro traf ich Rick G., der Anfang des Jahres die Ausstellung im Bethanien by the Wall kuratiert hatte. Er schlug mir vor, am letzten Abend bei Karstadt noch einmal auszustellen. Ich dachte: ‚Super – ich habe eh schon kein Geld, und dann lasse ich wieder einen Haufen Prints anfertigen, und am Ende kann ich das alles wieder mit nach Hause schleppen!‘ So Kleingeistgedanken halt – und so zeigte ich die Bilder einfach in einer Art Diashow. +++ Den Begriff „Dystopie“ ehrlich gesagt hatte ich erstmals 2016 gehört, und heute kommt sich schon der allerletzte hinterwäldlerische Biedermann vor wie in einem Bruce-Springsteen-Song. Ich kenne gar nicht so viele Bruce-Springsteen-Songs, aber das ist das, was man sich so erzählt: In einem Bruce-Springsteen-Song habe man genau zwei Möglichkeiten – entweder man haut ab und verbrennt, oder man bleibt da und versauert. Und überall schließen die Fabriken, und dann steht man da, hat gerade das Mädchen aus seiner Klasse geschwängert, und irgendwie sieht alles gar nicht so allzu toll aus. +++ Sie erinnern sich an meinen Barmann Ben Dougan aus Manchester drüben in der Szenegaststätte der Herzen. Ich weiß noch, wie der eines Tages sein Rad vor dem Club parkte. Mir fielen als erstes seine posh-mäßigen Halbschuhe auf, so was trug niemand in Kreuzberg. Während er sein Fahrrad abschloss, blickte er kurz zur Tür und kam dann entschlossen rein. Ob ich nicht einen Barmann brauchte, er sei aus Manchester und so, und ich brauchte tatsächlich zufällig gerade einen. Am Ende ist Ben dann mit dem Fahrrad von Berlin zurück bis nach London gefahren, und ich denke, er wird seinen Weg wohl gegangen sein. Er wollte da so was studieren, wo man später dann Anwalt wird. +++ Jedenfalls, als ich aufwachte, dachte ich so, in was für dystopischen Zeiten wir heute doch leben. Und da fiel mir Ben Dougan wieder ein, dessen Nachnamen man in etwa „Dügen“ ausspricht. Er selbst sprach ja lupenreines Deutsch annähernd. Und dann ließ er auf einmal den Begriff Dystopie fallen, und da muss ich ihn irgendwie angeschaut haben. Und er meinte, Dystopie sei das Gegenteil im Prinzip von Utopie ungefähr. +++ Den vorigen Post übrigens hatte ich nicht geschrieben, Sie zu beunruhigen: Eigentlich hatte ich nur das Handyfoto mit dem tollen Ausblick aus dem Urbankrankenhaus posten wollen, ich muss jetzt mal ganz verdammt schnell los…

 

Überschrift inspired by: Atlantic City © Bruce Springsteen, 1982

Überschrift also inspired by: Littlest Things © Lily Allen, 2006 

Lyrics: Meine erste Liebe © Udo Lindenberg & das Panikorchester, 1976

Oranienstraße, hier lebt der Koran / dahinten fängt die Mauer an.

Kreuzberg zwischen den Zeiten: der Fotograf Kai von Kröcher, Kunstquartier Bethanien © Ugur Yildirim, 2025

 

Computer terminals report some gains in the values of copper and tin, while American businessmen snap up Van Goghs for the price of a hospital wing. +++ Inmitten der altehrwürdigen Hospitalflügel des Bethanien fühle ich mich regelmäßig an den Hitchcock-Film Rebecca erinnert. +++ Was ja okay ist. +++ Das Foto wurde gestern während der Vorbereitungen zum THE CITIES WRAPPED AROUND OUR BODIES-Art Festival im Kunstquartier Bethanien aufgenommen, es ist sehr gelungen. +++ Wir müssen jetzt nicht noch einmal über Inhalte sprechen: Eröffnung im Kunstquartier Bethanien heute Abend um 18:00 Uhr!

 

Überschrift inspired by: Berlin © Ideal, 1980

Überschrift also inspired by: Berlin © Ideal, 1980

Lyrics: Nothing Ever Happens © Del Amitri, 1989

Rebecca (Psychothriller) © Alfred Hitchcock, USA 1940

The Cities Wrapped Around Our Bodies | Kunstquartier Bethanien | Mariannenplatz 2 | 25.01. – 29.01.2025 | Eröffnung: heute 18:00 Uhr

Narzissten und Kakteen / Deutsch-Imperialismus wird in den Flammen der Revolution untergehen.

Bilder aus der Serie „Kreuzberg – zwischen den Zeiten“ © Kai von Kröcher, 1995 – ’97

 

Der Mariannenplatz war blau, so viele Bullen waren da.* +++ Los geht es also nun diesen Samstag mit der international besetzten Kunstschau im altehrwürdigen Bethanien am Mariannenplatz: The Cities Wrapped Around Our Bodies, wo es unter anderem dann Fotografien aus meiner Serie „Kreuzberg – zwischen den Zeiten“ aus den Jahren 1995 – ’97 zu sehen gibt. Teils als größerformatige Fine Art Prints, teils sind die Bilder eingefügt in eine atemberaubende Videoarbeit des kanadischen Architekten und Künstlers Codrin Talaba. Über letztere weiß ich bislang nicht mehr, als dass er Kamerafahrten mit einem 3D-Scanner von Leica dafür unternommen hat, der Gebäude wie ein mobiles Röntgengerät skelettiert. Ich schätze Kunst sehr, die zu verstehen ich nicht imstande bin, und unter diese Kategorie fallen zweifellos Codrin Talabas Arbeiten. +++ 1970, und da erzähle ich Ihnen vermutlich nichts Neues: 1970 hatte es Pläne gegeben, das vormalige Krankenhaus Bethanien abzureißen und durch mordende Wohnsilos zu ersetzen. Der berühmte Rauch-Haus-Song erzählt aus dieser Epoche. +++ Aufstände hatte es allerdings auch in den Revolutionsjahren 1848/49 schon gegeben, wo Friedrich Wilhelm IV. in letzter Konsequenz auf Demonstrierende schießen ließ – und die Verletzten zur ärztlichen Versorgung ins Bethanien gebracht worden sind. Zu dieser Zeit arbeitete ein gewisser Theodor Fontane als Apotheker in der heute nach ihm benannten und teilweise im Original erhaltenen Apotheke. +++ In jüngster Vergangenheit unterhielt eine Gruppierung führender Braunschweiger Exil-Intellektueller unter dem verschwörerischen Namen „Zonenrandwaver“ einen zwischenzeitlichen Stammtisch – im Restaurant 3 Schwestern im mondänen Westflügel des Gebäudes. +++ The Cities Wrapped Around Our Bodies geht über fünf Tage und beginnt diesen Samstag um 18:00 Uhr mit einer feierlichen Eröffnung.

 

Überschrift inspired by: Narzissen und Kakteen © Element of Crime, 2001

Überschrift also inspired by: Deutsch-Imperialismus wird in den Flammen der Revolution untergehen – Spruchbandparole, 1. Mai © TKP/ML, 1997

Lyrics: Rauch-Haus-Song © Ton Steine Scherben © 1972

The Cities Wrapped Around Our Bodies | 25. – 29.01.2025 | Kunstquartier Bethanien | Mariannenplatz 2 | 10997 Berlin

Bethanien: 1845 – 1847 erbaut als Central-Diakonissen-Hospital unter planerischer Mitwirkung König Friedrich Wilhelms IV.

Theodor Fontane (* 30. Dezember 1818 in Neuruppin; † 20. Dezember 1898 in Berlin), dt. Schriftsteller, Journalist, Kritiker und ehemaliger Apotheker

Zonenrandwaver (Aufzeichnungen 1984 – ’85) © u. emdee, 2019

* die West-Berliner Polizei trug 1970, im Gegensatz zu späteren Jahren, noch blaue statt grüner Uniformen 

 

Begin the Beguine / From Langley Park to Memphis.

Bethanien 25. – 29. Januar 2025: The cities wrapped around our bodies © Kai von Kröcher (Foto), 2025/1995 – ’97

 

Did I forget, forget to mention Memphis? Home of Elvis and the ancient Greeks.

 

Überschrift inspired by: Begin the Beguine © Julio Iglesias, 1981 (Coverversion)

Überschrift also inspired by: From Langley Park to Memphis © Prefab Sprout, 1988

Lyrics: Cities © Talking Heads, 1979

The cities wrapped around our bodies: A hybrid festival challenging hegemonic narratives, Bethanien Studio 1, Berlin

Theme for Great Cities / The Year of the Cat.

Kottbusser Tor: The cities wrapped around our bodies (I) © Kai von Kröcher, 2025 (Handyfoto)

Kottbusser Tor: The cities wrapped around our bodies (II) © Kai von Kröcher, 2025 (Handyfoto)

Kottbusser Tor: The cities wrapped around our bodies (III) © Kai von Kröcher, 2025 (Handyfoto)

 

You go strolling through the crowd like Peter Lorre contemplating a crime. +++ Das fängt ja gut an: Auf dem Schulweg kommen Otto und ich jetzt immer an dieser Plakatwand vorbei. Mein Sohn also staunte nicht schlecht, als ich ihn neulich den letzten Namen da in dem oberen Block vorlesen ließ. Erst passiert sozusagen jahrelang nichts – ich muss ja nur meinen Sohn anschauen, um zu wissen, wann die letzte Ausstellung war: Die letzte Ausstellung nämlich wurde eröffnet, Sie erinnern sich, als dann gegen zehn Uhr abends ganz legendär das Telefon klingelte und ich in den Kreißsaal abberufen worden bin. Und jetzt geht der Bub also schon in die erste Klasse! +++ Schreibt, ganz nebenbei, nur Einsen – ausnahmsweise aber wollen wir heute einmal nicht über den Nachwuchs reden, sondern über meinen Traumstart ins neue Jahr: Erst die Ankündigung zu meiner Ausstellung mit den fiktiven Schallplatten im Februar in Treptow – und jetzt die Beteiligung an einer international besetzten Ausstellung im Kunstquartier Bethanien. Wobei das tatsächlich sehr spannend werden wird, ich kollaboriere da zum einen mit dem kanadischen Architekten Codrin Talaba aus Vancouver – eine hochinteressante Angelegenheit, so viel sei verraten. Außerdem wird das Bethanien eine kleine Auswahl hochwertiger Prints aus meiner 90er-Jahre-Kreuzberg-Serie zeigen. +++ Zu dem Year of the Cat aus der Überschrift hätte ich zum Abschluss hier noch zwei überflüssige Anmerkungen: Erstens habe ich im letzten Herbst die Vorzüge (aber auch Fallstricke) von Katzenvideos kennen- und lieben gelernt. Zum anderen laufen bei Al Stewarts Song sofort und unwillkürlich vor meinem geistlichen Auge Bildfetzen aus der Aula unserer Schule seinerzeit ab: Der erste Sommer auf dem Gymnasium in der mittleren Großstadt, das erste Mal heimlich verschossen bis in die Haarspitzen, die ersten Sechsen in Mathe. +++ Aber wem erzähle ich das – ich finde das „irgendwie komisch“, wie der beliebte Bürgermeister Schulz es gewohnt fröhlich ausdrücken würde.

 

Überschrift inspired by: Theme for Great Cities © Simple Minds, 1981

Überschrift also inspired by/Lyrics: Year of the Cat © Al Stewart, 1976

Bildunterschrift: The cities wrapped around our bodies | 25.01. – 29.01. | Kunstquartier Bethanien | Mariannenplatz | 10997 Berlin

Fake Records : Fiktives Vinyl | 07.02. – 01.03 | Galerie Kungerkiez | Karl-Kunger-Straße 15 | 12435 Berlin

Olaf Scholz (* 14. Juni 1958 in Osnabrück), dt. Politiker