Fatigue de l’été / I can feel the Fear in the Western World.

Der Sommer einst im Südosten: La Dupaquier, Tati © Kai von Kröcher, 2020

 

Is it wrong to understand the fear that dwells inside a man. +++ Neulich am Sonntag im hiesigen Radio – sie spielten die einhundert besten fremdsprachigen Lieder. Bei Platz Numero 81 hatte ich zufällig kurz einmal reingezappt: Mina mit Se telefonando sagte mir gar nichts, klang aber vom Feeling her nach sehr großem Gefühl. Wie Dummköpfe es gerne tun, imitierte ich im Playback den Pathos schmachtender Sänger, vor Gänsehaut schossen mir Tränen ins Auge, Otto spielte mit Duplosteinen zu meinen Füßen. Deutlich konnte ich den eigenen Kopf hinter seiner frühpubertären Stirn arbeiten sehen – sollte es tatsächlich sein, dass ein Bub heutzutage mit noch unter zwei Jahren schon den eigenen Vater infrage stellt? +++ Fremdsprachige Lieder: außer Englisch, natürlich – das wäre sonst Quatsch. +++ Der beste fremdsprachige Song allerdings, meiner Meinung nach, definitiv: Das Video kam gestern per Post. Da reift eine Sängerin heran von internationalem Rang, das prophezeie ich einfach mal. Zeitloser französischer Elektropop einmal mehr also aus der Reichenberger Ecke Ohlauer Straße: Fatigue de l’été – eine Produktion aus den Corona-Studios der Herren und Damen Tati/Dupaquier. +++ So sieht es mal aus. +++ Wieso eigentlich sagen selbst intelligent wirkende Menschen – warum sagen die wie unter Zwang immer „franntzössíesch“, wenn es um irgendetwas aus Fronnkraaisch geht – das macht man doch auch nicht mit Englisch oder mit Polnisch oder mit Afrikanisch oder mit – okay, mit Schwyzerdütsch oder mit Holländisch oder Japanisch vielleicht? +++ Im Schein der untergegangenen Abendsonne gestern war ich noch einmal ans Ufer getreten, sonst ist der Sommer bald wieder vorbei. Jemand rief meinen Namen und bremste sein Fahrrad knapp von hinten in mich hinein: Ob ich bereits wieder umarme? (In Zeiten der Auflagen im Zusammenhang mit Corona/Anm.d.Red.) „Du bist die Erste seit Monaten“, sagte ich, dann schloss ich die Hoffnung der erotischen Club-Literatur vorsichtig in den begrüßenden Arm. +++ Auf der Admiralbrücke in respektvoller Höhe flog später der sagenumwobene Kormoran über mich hinweg, diesmal pinkelte er mir nicht auf den Kopf. Am nordwestlichen Ende der Brücke spielte einer auf seinem Kassettenrekorder T. Rex.

 

Überschrift inspired by: Fatigue de l’été © Graf Tati & Cécile Dupaquier, 2020

Überschrift also inspired by: Fear in the Western World © Ultravox, 1977

Lyrics: Cosmic Dancer © T. Rex, 1971

Mina © Se telefonando, 1966 (orchestrated and conducted by Ennio Morricone)

M (Roman) © Anna Gien/Marlene Stark, Matthes & Seitz Berlin Verlagsgesellschaft, 2019