Time Waits for No One / Every Day is Silent and Grey.

Fiktives Vinyl: DJ Schkopau – Wenn es nicht aufhoert © Kai von Kröcher, 2022/2023

 

Down in space it’s always 1982, the joke we always knew. +++ Wie lange dieser Zustand damals wohl angedauert haben mag, der vor dem Urknall? Da muss das Universum, wenn ich das auf die Schnelle richtig verstanden habe. Zusammengepresst zu einem Stück Kohle – oder besser noch: ein Diamant! Aber die Frage allein ist natürlich schon Quatsch: Wenn es keine Zeit gegeben hat, kann etwas ja nicht, in welcher Form auch immer, gedauert haben. „Ein Paradoxon“, wie Clemmie nachts im Club, nach dreieinhalb Gläsern Elbling, mit diabolischem Grinsen immer zu fabulieren begann. +++ Neulich hatte ich etwas geschrieben, so von wegen, der M41er machte seinem Namen alle Ehre. Oder so. Gestern Nachmittag war ich fürs Wochenende einkaufen gewesen am Hermannplatz. Lebensmittelabteilung von Karstadt oder bei Lidl, das können Sie sich aussuchen. Als ich heraus kam, war es noch etwas zu früh für die Sportschau. Ich kam auf den gar nicht so uninteressanten Lösungsansatz, den M41er einfach ein Stück in die entgegengesetzte Richtung zu nehmen. Dorthin, wo es wehtut. Und dann zurück in die andere Richtung nach Hause – Reiseziel: Punktlandung Sportschau. +++ „Wo kommste so spät jewesen“, wie Schulfreund Ben Hacket in ostpreußischem (?) Dialekt seinerzeit immer wissen zu wollen pflegte. +++ Jedenfalls, ich setzte mich in den halbwegs leeren M41er Ziehharmonikabus Richtung Südosten. Ein Schatten von einem Mensch setzte sich neben mich und rauchte, heimlich unter den Sitz gebeugt, eine elektrische Zigarette. Dann aß er mit den Fingern eine Art Ziegenkopfsuppe aus einem Tuppertopf. Dann stand ich auf und schlich mich auf diese Drehscheibe da in der Mitte, wo man(n) sich immer vorkommt wie in einer Fernsehshow in den 70er Jahren: „Und hier ist er nun! Sie kennen ihn alle – begrüßen Sie mit mir, äh, Karl-Heinz Schibulski!“ +++ Ich fuhr also bis kurz hinter S-Bahnhof Sonnenallee, zu Füßen des neuen Estrel stieg ich aus. Freute mich auf einen leeren Bus in der Gegenfahrtrichtung. Genau an der Stelle, wo der neue Streckenabschnitt der A100-Stadtautobahn für logistische Komplikationen sorgt, genau an der Stelle war jetzt auch noch die Straße gesperrt. Der Verkehr wurde durch enge Neuköllner Wohngebietsstraßen umgeleitet. Ich wähnte mich in diesem Film mit dem Stau, keine Ahnung, wo ständig gehupt wird: Gefangen im M41er Bus für die Ewigkeit, Zeit existierte nicht mehr. Menschen erstaunlich gelassen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Endlich zu Hause, ging in der Sportschau gerade die Zweite Liga zu Ende, der Abend konnte beginnen.

 

Überschrift inspired by: Time Waits For No One © The Rolling Stones, 1973

Überschrift also inspired by: Everyday Is Like Sunday © Morrissey, 1988

Lyrics: Slip Away © David Bowie, 2002

Wenn es nicht aufhoert © DJ Schkopau, 2023

club49 | Ohlauer Straße 31 | 10999 Berlin

Tim und Struppi – Reiseziel Mond (Objectif Lune, Comicband) © Hergé, 1953

Acht Milliarden Träumer / There Is No Time.

Fiktives Vinyl: Valérie Jusquart – Novitchok © Kai von Kröcher, 2010/2022

 

Jetzt müsste man ’nen Knopf haben, und alles bleibt, wie es ist. +++ Wir hatten ja neulich über Das Fahrrad gesprochen. Die letzten Tage musste ich daran denken, und ich habe mich gefragt: Was mögen wohl Ihre Höhepunkte des Films sein? Ich zum Beispiel liebe die komplette Anfangssequenz, die Kamera nimmt sich Zeit! Ganz toll, wo sie an der Ampel neben dem Laster stehen. Sagen wir mal, bis da, wo sie gerade im Kindergarten ankommen. Könnte ich mir, mit der Musik und ganz ohne Quatsch, in Dauerschleife angucken. +++ Twentyfourseven. +++ Apropos – durch den alltäglichen Alltag mit meinem Sohn erfahre ich nebenbei – nennen wir es ‚Dinge‘. Erfahre ich Dinge, die mir sonst verborgen geblieben wären. Die in der Schule entweder nicht behandelt worden sind, oder wo ich aus juveniler Überheblichkeit zum Beispiel nicht zugehört habe: Dass es in der Zeit, die noch vor der Zeit von vor 13,8 Milliarden Jahren liegt, keine Zeit gegeben haben soll. Ist das nicht verrückt: keine Zeit?! +++ Großartig finde ich auch die Szene, wo abends der Typ von der Versicherung bei ihr an der Tür läutet, um die dreizehn Mark Beitrag zu kassieren. Und ihr Kind fragt aus dem Off: „Mama, wer is’n das?“ Und der Typ von der Versicherung zeigt ins Dunkel, so ungefähr Richtung Kinderzimmer, und sagt wie nebenbei: „Soll schlafen!“ Und sie leicht unterschwellig genervt: „Ja, ja – ’soll schlafen’…!“ +++ Wussten Sie, dass Sergej Lawrow Geburtstag am 21. März hat, genau wie ich? Und Lothar Matthäus – wir drei?! +++ Aber das mit der Zeit finde ich wirklich krass – am Ende sind 13,8 Milliarden Jahre dann ja doch eben nicht unendlich lang, das ist im Prinzip überschaubar. Und nun stellen Sie sich das einmal vor: keine Zeit!

 

Überschrift inspired by: Acht Milliarden Träumer © Matthias Reim, 2021

Überschrift also inspired by: There Is No Time © Lou Reed, 1989

Filmzitat: Susanne (Heidemarie Schneider) zu Thomas (Roman Kaminski) in Das Fahrrad, DEFA-Film (Gruppe Babelsberg) von 1982

Das Fahrrad (sog. Frauenfilm mit Heidemarie Schneider, Roman Kaminski – und Anke Friedrich als Kind) © Evelyn Schmidt (Drehbuch/Regie)/DEFA, DDR 1982

Novitchok © Valérie Jusquart, 2022