Jefferson Flagship / Für usszeschnigge.

PAULE BREITNER © Kai von Kröcher, 2018

Theirs is to win if it kills them, they’re just humans with wives and children. +++ Fußball war zu der Zeit ziemlich out, zumindest in unseren Kreisen. Junge Männer, die öffentlich vor der Pizzeria Stresa skandierten, sie führen nach Berlin, die schienen so wirken zu wollen, trotz Mitte zwanzig – die wollten so wirken wie Ende vierzig, und das taten sie letztlich dann auch. Sie trugen Schnauzbärte und arbeiteten in der MIAG. Keine Ahnung, was das genau eigentlich war, „die MIAG“. Fußball war bei uns nicht so das Thema. Gab zwar auch an der Schule Leute, die mal ins Stadion gingen, am nächsten Morgen aber dann war die Sache in zwei bis drei Sätzen abgehakt. +++ Vielleicht sollte ich überhaupt erstmal erklären, wer Toni Schumacher ist oder war: Toni Schumacher war Torwart beim 1. FC Köln, und als deutscher Nationaltorhüter wurde er zum Inbegriff des „hässlichen Deutschen“, als er, ich glaube bei der WM ’82 in Spanien, als er dem einen Franzosen die Zähne austrat, sich nicht dafür entschuldigte – und hinterher spottete, er könne ja gern dessen Jacketkronen bezahlen. Was immer das ist. Toni Schumacher sah aus wie Uli Stein. Nicht der Zeichner, sondern der Keeper beim HSV. +++ Morgen Ausstellung, kommen Sie alle – außer Nazimobschweine, das wäre mir lieb! +++ Auch Jürgen Nestlé besser nicht – und gerne auch nicht Rüdiger Glyphosat! +++ Okay. +++ Batiston hieß der, glaube ich, dieser französische Nationalspieler, ich google jetzt nicht die Rechtschreibung. +++ Wenn Sie nun aber sagen, „was soll ich auf dieser Ausstellung, da morgen?“ Wenn Sie sagen, „die Bilder sind doch sowieso alle scheiße – der hat doch schon lange nichts Vernünftiges mehr auf die Beine gestellt.“ +++ Wissen Sie was? +++ Wir machen heute mal etwas noch nie zuvor Dagewesenes, ein Experiment, sensationell: Ich poste hier heute ein Foto, das belasse ich in einer etwas besseren Auflösung. Das können Sie sich herunterladen, und wenn Sie dann immer noch Bock haben, können Sie sich ein Kaleidoskop draus zusammenschustern – mal sehen, ob Sie dann immer noch sagen, „der Typ hat nichts drauf.“ +++ Wow, das ist ja echt eine super Idee: Da könnte man eine Verlosung draus machen – die schönste Einsendung gewinnt! +++ Den Tresen morgen Abend „macht“ eine alte Kiezgröße, da wird es das ein oder andere Hallo geben. +++ Aber zurück jetzt nochmal zu Toni Schumacher, da habe ich nämlich noch Jahre später drüber nachgedacht. Ich kann mich in etwa noch dran erinnern. War noch gar nicht so spät am Abend, eigentlich ging man immer erst gegen zwölf los. Vom Feeling her war es im Nachhinein damals aber erst so irgendwas zwischen zehn und elf. Ich kam also in unsere New-Wave-Diskothek, da war ja alles eher ziemlich hell. Und gleich kurz hinter dem Eingang – eigentlich gingen wir immer direkt weiter nach hinten durch, Richtung Tanzfläche. Jedenfalls, gleich am ersten Stück Tresen steht Toni Schumacher. Der 1. FC Köln hatte am Nachmittag – 15:30 Uhr, wie sich das damals so schließlich gehörte – da hatte der 1. FC Köln also in Braunschweig gespielt. Und, wie gesagt, ich glaube, ich bin selber im Stadion gewesen. Himself, sozusagen. Und dann, das ist die Frage, auf die es immer wieder hinausläuft: Warum?! +++ Es könnte übrigens zu einem veritablen Wettlauf kommen zwischen der Ausstellung und dem kleinen Otto – denn so wird er heißen, der Bub: Gestern Abend setzten die ersten „Probewehen“ ein, berichtet die Werdende. Jetzt werden Sie denken: „Das ist aber ein abgeklärter Hund – den bringt ja nichts aus der Ruhe.“ Mitnichten! Ich bin nur geistig damit überfordert: Ich kann mir das alles noch immer nicht vorstellen. Das ist vielleicht von der Natur so eingerichtet, wer weiß – dass man auf der Zielgeraden nicht noch die Nerven verliert und sich aus dem Staub macht… +++ Der Itchie-Bob kommt morgen auch, heißt es. +++ Also zurück zu Toni Schumacher: Der steht da allein in Braunschweig in einer New-Wave-Diskothek. In einem ordentlichen Pulli am Tresen. Hat der nach dem Spiel, als sie vom Duschen aus der Kabine kamen. Hat er da beim Einsteigen in den Mannschaftsbus gesagt: „So, Leute, fahrt mal alleine zurück nach Köln, ich bleibe heut‘ Abend in Braunschweig – ich gehe ins Leukoplast.“ +++ Das hat er wirklich gesagt?!!

 

Überschrift inspired by: White Rabbit © Jefferson Airplane, 1967

Überschrift außerdem inspiriert durch: Für usszeschigge! © BAP, 1981

Lyrics: Race for the Prize © Flaming Lips, 1999

Kargar & Kröcher | Malerei & Fotografie | Kovac Flagship Store | Ohlauer Str. 31 | 10999 Berlin | morgen, 19:00 Uhr

Mitropa / taz lügt.

40 YEARS JUST FOR ONE DAY © Henrik Drescher, 2018

Ich sehe dich nicht in dieser Welt, hier spuckst du kein Feuer aus, hier gehörst du nicht hin – hör‘ auf damit und sei wo ich bin. +++ Kurz vor dem Aufstehen heute hatte ich einen Traum, das kennt man ja schon: Jemand hatte mir einen Job zugeschanzt, einen Artikel sollte ich schreiben für die taz. Das Café M feierte irgendein Jubiläum, und mich hielten sie aus irgendeinem Grund für den richtigen Mann. Ausgerechnet. Dabei, und das ging mir schon während des Schlafens durch den Kopf. Jedenfalls gehörte ich ja noch nicht einmal – ich kam ja so spät nach Berlin. Ich konnte den Laden ja noch nicht einmal „Mitropa“ nennen wie die richtigen Insider. Ich wäre mir regelrecht blöd dabei vorgekommen. Und so saß ich im Traum an einem Tisch voller Leute – überall Bierfützen, dass der Kugelschreiber kaum noch schrieb. Ich kratzte Sätze ins feuchte Papier. +++ „Ironie ist die Wahrheit der Gehemmten“, dachte ich neulich still vor mich hin – kann aber auch Unfug sein. Weil, im letzten Post wusste man zum Schluss gar nicht mehr, was war nun ernstgemeint und was nicht. +++ Das Foto im letzten Post fand ich echt nicht so gut. +++ Vielleicht sollten Sie einfach zu unserer Ausstellung kommen am Freitag: Wenn Sie gute Bilder sehen wollen, sind Sie dort genau richtig. Danke an Henrik Drescher für die Gestaltung der Einladungskarte! +++ Jedenfalls saß ich da an diesem Tisch, und das M war echt proppenvoll. Sah allerdings eher aus wie eine urige Bauernpinte. Mir fielen echt gute Sätze ein. Und weil ich kein Insider der frühen Stunde war, musste ich bluffen: Zum Beispiel schrieb ich dann, und das habe ich mir nicht einmal ausgedacht. Weder jetzt noch im Traum. Doppelt wahr, sozusagen. Ich schrieb, dass in meiner Stammdiskothek in Braunschweig früher, und ich kann nicht mal mehr sagen, wie wir das nannten: „Diskothek“ haben wir ganz bestimmt nicht gesagt, darauf verwette ich meinen Arm. Aber „Club“ gab es ja im Prinzip damals auch noch nicht. Ein Ort ohne Bezeichnung. Jedenfalls hatte es da mal einen Abend gegeben, da stand einer neben mir, der sah aus wie Toni Schumacher. Und das Ding war, dass an dem Tag ohne Quatsch Eintracht Braunschweig gegen den 1. FC Köln gespielt hatte. Ich glaube, ich war da sogar im Stadion gewesen, das war, glaube ich, damals null zu null ausgegangen. Und dann stehe ich da später in meinem coolen Stammladen in Braunschweig und Toni Schumacher steht neben mir und nuckelt an seinem Bier, ganz allein. +++ Aber warum?

 

Überschrift inspiriert durch: Café M | Goltzstraße | Schöneberg

Überschrift ferner inspiriert durch: taz | Rudi-Dutschke-Straße | Kreuzberg

Lyrics: Kamchatka © Fee Reega, 2014

40 Years – Just For One Day | Kargar & Kröcher | Ausstellung | Kovac Flagship | Ohlauer Str. 31 | Freitag, 19:00 Uhr