Damien / New York Mining Disaster 1941.

 

Fiktives Vinyl: Damien – Auf die Gier folgt die Panik © Kai von Kröcher, 2013/2022

 

You’re all that’s left to hold on to, I’m still waiting. +++ Die Jüngeren unter uns werden sich nicht mehr erinnern, aber heute vor exakt neunundfünfzig Jahren fand etwas statt – und „stattfinden“ ist dabei der denkbar falscheste Ausdruck. Ein halbes Jahr ziemlich genau vor meiner Geburt, und beinahe vom Feeling her fühlt es sich an, als hätte ich die Bilder von damals noch immer in mir. +++ Das Cover (oben) hatten wir irgendwann hier schon einmal, doch drückt es die Stimmung von damals aus wie kein zweites. Unsere Gegend war ja nun eher ein Land, das von der Landwirtschaft lebt: Ackerbau, Automobilbau, das waren die Säulen. Sägewerke zum Beispiel gab es im Umkreis auch, obwohl man „wald“ bei uns nicht einmal groß schrieb. Wenige Kilometer südlich, wenn man hier außerhalb des Bildes scharf links an der Schmiede vorbei in den Engelnstedter Weg einbiegt, da gab es die Reichswerke Hermann Göring, die wurden tatsächlich immer noch so genannt. Im Rücken des Fotografen liegt nächtlich-verlassen der Sportplatz, hier habe ich tausende von Nachmittagsstunden akribisch verkickt. Und wenn man nicht abbiegt, der Straße stattdessen nach links weiter folgt, die Ortschaft nach Westen verlässt – in ungefähr fünf Minuten mit dem Auto ist man in Lengede. +++ Sogar in Berlin gibt es – das muss da in Reinickendorf irgendwo sein, oberhalb vom Kurt-Schumacher-Platz. Da gibt es eine Lengeder Straße, das hatte im Zufall mich einmal erstaunt: Lengede hat ja nun gerade einmal vielleicht 5.000 Einwohner und liegt 250 Kilometer westlich von Reinickendorf im flachesten Niedersachsen. +++ Lengede war Bergbau, früher jedenfalls, obwohl es bei uns keine Berge gab – und heute vor 59 Jahren stürzte der Schacht Mathilde ein. Es gab viele Tote, es gab aber auch eine dramatische Rettungsaktion, die sich über Tage hinzog und weltweit verfolgt worden ist – ein paar wenige Bergleute hatten sich in einer Luftblase vor einflutenden Wassermassen gerettet, die haben darin überlebt. Wurden unterirdisch geortet. Und schließlich gerettet. +++ Verfilmt worden ist Das Wunder von Lengede später mit Heike Makatsch und Nadia Uhl. Heino Ferch – und ich glaube auch Jan Josef Liefers. Katharina Wackernagel und dem mürrisch dreinblickenden Georg-Maria Halmer (?) als mürrischem Grubenchef oder so. Insgesamt super besetzt. Ich erinnere mich, auch die Requisite muss ganz tolle Arbeit geleistet haben – im Film trinken da alle das originale Wolters Pilsener in den originalen Flaschen von damals, man kann die Zeit förmlich schmecken. +++ An genau diesem Tag, als der Schacht Mathilde einstürzte und einen ganzen Landstrich in die Verzweifelung riss. Genau an diesem Tag nämlich, einige tausend Kilometer weiter östlich im fernen Kirgisien (Kirgisistan/Anm.d.Red.) – im finsteren Reich der Finsternis – erblickte mein Kumpel der Russe das Licht der Welt. Auch wenn er diese Zeilen hier wahrscheinlich eher nicht lesen wird, möchte ich ihm auf diesem etwas verschlungenen Wege doch alles Gute wünschen. Weil wir uns so selten nur sehen – und wenn wir uns sehen, weil wir dann immer denken, ach schade, dass wir uns so selten nur sehen. +++ Und Red Hill Mining Town dürfte durchaus mein heimlicher Lieblingssong von U2 sein, das darf man ja heute schon gar nicht mehr sagen…

 

Überschrift inspired by: Auf die Gier folgt die Panik © Damien, 2022

Überschrift also inspired by: New York Mining Disaster 1941 © The Bee Gees, 1967

Lyrics: Red Hill Mining Town © U2, 1987

Das Wunder von Lengede (2-teiliger Fernsehfilm mit u.a. Sylvester Groth, Armin Rohde, Axel Prahl und Martin Brambach als Otto) © Sat.1/Kaspar Heidelbach (Regie), D 2003

Polizeifunk ruft / Scheitern als Waffe.

Fucking Deep Postcards: Reinickendorf (MV) © Kai von Kröcher, 2018/2021

 

And if life’s the aim in a decent way, indecent in all its ways it starts. +++ Wie man über Katzen sagt: Wenn sie das Ende fühlen nahen. Nahen fühlen, dann werden sie unsichtbar, ziehen sich lautlos zum Sterben zurück. +++ Es heißt, das sei Quatsch. +++ Die Sache mit Hockney allerdings, das hat schon gesessen – das kann man nicht leugnen. +++ Und bevor sich der Plagiatsjäger Weber zu allem Überfluss auch noch an meine Fersen heftet: Ja, ich kenne die Boring Postcards von Martin Parr – die fand ich vor vielen Jahren super, dann haben wir uns aus den Augen verloren. +++ Aus irgendeinem Grund hatte ich neulich mich an diesen Streifenpolizisten auf dem Motorrad zu erinnern geglaubt. Und dazu nichts gefunden (Ihr seid solche Fucker berichtete). Wenn man im Netz also nicht weiterkommt, schickt einem der ältere Bruder vielleicht einen Wikipedia-Link: Den Polizisten auf der BMW gab es tatsächlich und er hieß wirklich Hartmann. Allerdings spielte die Serie auf den Straßen der Hansestadt Hamburg. Und nicht auf der Bundesautobahn zwischen München und Frankfurt am Main – wie ich nebulös immer vor Augen gehabt hatte.

 

Überschrift inspired by: Polizeifunk ruft (52-teilige Krimiserie) © ARD, D 1966 – 1970

Überschrift also inspired by: Scheitern als Waffe © Kai von Kröcher, 2021

Lyrics: Things Ain’t Changed © L.A. Salami, 2020

Boring Postcards © Martin Parr (Hrsg.), 1999

Boring Postcards USA © Martin Parr (Hrsg.), 2000

Langweilige Postkarten – Deutschland © Martin Parr (Hrsg.), 2001

Stefan Weber (* 14. Juni 1970 in Salzburg), österreichischer Kommunikationswissenschafter, Publizist und Plagiatsgutachter