Fiktives Vinyl: Jennifer Bronnen – Teil meiner Legende © Kai von Kröcher, 2012/2022
Still in peaceful dreams I see the road leads back to you. +++ Teil meiner Legende: ein sehr persönliches Album hat die Bronnen da diesmal abgeliefert. Vertonte Essays einer ambivalenten Biografie: Nachts hinterm Tierpark, Auf der U5, Sie warten unten im Lada und vor allem aber diese selbstbetitelte Reminiszenz namens Bronnen – musikalische Reisen zurück in die Zeit, da spielte im Jahn-Sportpark noch ein Lutz Eigendorf – und die mächtigsten Augenbrauen der Welt saßen im Kreml und gehörten zu Leonid Breschnew. +++ Auf der Admiralbrücke gestern am Abend kurz vor der Dämmerung, da erinnerte ein Typ mich spontan sehr extrem an den Fußballspieler Christoph Kramer. Offensichtlich ein Amerikaner, allerdings tat er ein bisschen lispeln. Weshalb ich ihn anfangs für einen Deutschen hielt, der einfach sehr gutes Englisch spricht. Er war jung, pausbäckig-euphorisch, saß auf dem Bordstein, trug abgeschnittene Jeans und einen rotblonden Schnauzbart. Natürlich musste ich zwangsläufig an das Endspiel von Rio denken, wie Kramer da zum Schiedsrichter geht. Hatte man beim Spiel damals noch alles natürlich nicht mitgekriegt: „Entschuldigen Sie, ist das hier das Endspiel von Rio?“ Und der Schiedsrichter schnurstracks zur deutschen Bank – und macht mit dem Finger an seiner Stirn ganz bestimmt diese Geste mit dem Vogelgezwitscher: „Sagt mal Leute – mit eurem Jungen, da stimmt doch was nicht?!“ +++ Apropos: Das Foto der Bronnen (oben), das hatte ich nämlich gemacht – da war ich noch vor dem Aufstehen zu Hause raus und ins Auto. Und ziellos bin ich dann gegen Osten gefahren. Osten währt am längsten, das wissen Sie ja. Und vor den Toren der Stadt, bereits Märkisch-Oderland – da habe ich etwas getan, das würde ich heute nur noch im Notfall tun: Bei McDonald’s hineingesetzt, Kaffee getrunken und (wahrscheinlich) ein Stückchen Erdbeerkuchen verputzt. Und dabei heimlich das Bild von der Bronnen gemacht – und draußen hinter den Bäumen geht gerade die Sonne auf. +++ Die Bronnen ist natürlich gar nicht die Bronnen – die Bronnen war irgendeine, die auch gerade bei McDonald’s herumsitzt. Und diesen Dreckskonzern zu dem macht, was er heute ist. +++ Ich auf der Brücke da gestern musste mir jedenfalls ziemlich das Schmunzeln verkneifen – die Geschichte mit Christoph Kramer ist ja nun echt nicht die unlustigste, die ich in meinem Leben gehört habe. +++ Zum Schluss wieder so ’n Ding mit der Duplizität: Auf den Namen der Sängerin (oben) bin ich gekommen, mein alter Schulfreund Ben Hackett hatte sich damals da drüber beölt. Hatte sich gar nicht mehr einkriegen können. Ben Hackett hatte ein Buch gelesen, ich glaube, ein Jugendbuch – wir gingen ja noch zur Schule. Und in dem Buch jedenfalls taucht einer auf, der heißt Bronnen: der Fußballer Bronnen. +++ „Bronnen“ – darüber konnte Hackett sich totlachen. Ich fand das auch super. Und Hackett hatte am 20. April immer Geburtstag, wie früher der Führer – und an einem 20. April vor zehn Jahren habe ich auch das Foto oben gemacht, Gänsehaut…
Überschrift inspired by: Geh nicht in die Stadt (heut‘ Nacht) © Juliane Werding, 1984
Überschrift also inspired by: Teil meiner Legende © Jennifer Bronnen, 2022
Lyrics: Georgia On My Mind © Ray Charles, 1960 (Cover)
Lutz Eigendorf (* 16. Juli 1956 in Brandenburg an der Havel; † 7. März 1983 in Braunschweig), Fußballnationalspieler der DDR, mutmaßlich umgebracht durch das MfS
Leonid Iljitsch Breschnew (* 19. Dezember 1906 in Kamenskoje; † 10. November 1982 in Moskau), Staatsoberhaupt der UdSSR ukrainischer Nationalität
Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark: Sportanlage im Prenzlauer Berg
Christoph Kramer (* 19. Februar 1991 in Solingen), dt. Fußballweltmeister in Diensten von Borussia Mönchengladbach
Osten währt am längsten © Deutsch Amerikanische Freundschaft, 1980