Popperle / Wenn die Kirschbäume blüh’n.

Fiktives Vinyl: Klassenfeind – Wenn die Kirschbäume blüh’n © Kai von Kröcher, 2017/2022

 

For just one moment in time I hear the holy back beat. +++ Was weder mein Sohn noch ich aber wissen konnten, und da war sie auch wieder schon, unsere tägliche Dosis Duplizität. Ich spreche jetzt nicht von der Sache mit Kubicki, tragisch, darüber wann anders mehr. Für alle gebürtigen Braunschweiger natürlich ein Schock, der Mann war ja wahnsinnig beliebt. +++ Worauf ich stattdessen aber hinaus will: Ob Rattelschneck nämlich eventuell wohl auf diesem Ausflugsdampfer da saß, der an uns mittags vorbeifuhr (Ihr seid solche Fucker berichtete). Eine nicht uninteressante Frage. Meinem Sohn hatte ich damals geantwortet, das sei durchaus möglich – am Ende aber nicht sehr wahrscheinlich. Am Abend allerdings, Interhotel spielten im Polnischen gerade ihren vielbeachteten Support, der Sohn lag vermutlich schon langsam im Bett. In diesem Moment öffnete sich kaum merklich die Tür, besagter Herr Rattelschneck trat inkognito ein, lauschte der Show unerkannt. +++ Wie gefällt Ihnen die heutige Schallplattenhülle? Das Foto entstand auf der Nordseeinsel Pellworm seinerzeit, Sie ahnten es sicher bereits: der einzige Ort außerhalb Groß-Berlins, den ich die letzten Jahre bereist habe. +++ Lief wohl nicht so besonders, dafür ist der Fußabdruck aber okay – ich liebe dieses Bild, es erzählt viel von Sehnsucht. +++ Die Großraumstörung am Internet hier als Luxusproblem abzutun, das war ja recht großzügig von mir. Nervte aber gewaltig: Ich hatte die erste Version meines Posts gestern gerade veröffentlicht – und der Text strotzte vor Fehlern, vor Witze-Erklärerei, kaum zu ertragen. An jedem Post feile ich mindestens immer noch fünfzehnmal, nachdem er schon draußen ist. Operation am offenen Herzen, die gläserne Molkerei. Und dann aber, zack, ausgerechnet in diesem Moment gestern plötzlich das Internet wieder kaputt. +++ Das fühlt sich vom Feeling her dann so an, als hätte man eben eine Apotheke überfallen und säße nun wieder zu Hause und gucke die Tagesthemen. Und dann stellt man fest, man hat seinen Personalausweis am Tatort liegen gelassen, aber es fährt jetzt kein Bus mehr – das macht einen irre. +++ Bei Lilian & Manzur Samstagabend im Polnischen machte das perfide Gerücht plötzlich die Runde, sie spielten ausschließlich Coverversionen. Und jeder begann krampfhaft zu grübeln, warum man dann peinlicherweise jetzt keinen einzigen dieser Songs hier erkannte. Was vor allem ernüchternd war, da sie mindestens drei oder vier regelrechte Knaller dabeihatten – dystopische Popperlen Pop-Perlen, die hauten einen direkt schon beim ersten Mal Hören um. Das Gerücht war im Sturm der allgemeinen Empörung dann alsbald aber als solches enttarnt, der Streuer zur Rede gestellt: alles Eigenkompositionen also – und alle wieder zufrieden. +++ Als ich die Apotheke gestern ausgeraubt hatte und plötzlich das Internet ausfiel. Da setzte ich mich in einen schattigen Schankgarten in Friedrichshagen, beobachtete eingehend drei Ameisen auf dem Tisch hin- und herlaufen und stellte mir Fragen: Ob so kleine Geschöpfe, so wundersam sie auch sein mögen. Ob Ameisen zum Beispiel eine eigene Persönlichkeit besäßen – oder ob sie, auf eine Art ferngesteuert, doch eher nur vorgegebenen Mustern folgen. Dann trat die Sonne hinter dem Giebel eines gegenüberliegenden Hauses hervor, und schlagartig erkannte ich die Einzigartigkeit des Universums.

 

Überschrift inspired by: Meister Eder und sein Pumuckl (Kinderreihe über einen rothaarigen Kobold als Hörspiel) © Ellis Kaut, 1962

Überschrift also inspired by: Wenn die Kirschbäume blüh’n © Klassenfeind, 2022

Lyrics: In Trance as Mission © Simple Minds, 1981

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Club der polnischen Versager | Ackerstraße 169 | Berlin-Mitte