What’s her name / Virginia Plain.
I left my home in Georgia. +++ Vor einigen Jahren, da trat ich an einem sonnigen Nachmittag durch die offene Tür des Goldenen Hahn – wie ein gähnender Mund hatte sie offen gestanden und mich sozusagen verschluckt. Ich setzte mich an den Tresen und bestellte ein Bier, hinter mir in der Ecke saßen vier oder fünf Männer und Frauen. Am riesigen runden Holztisch unter dem Fenster ließen sie ihren Gedanken freien Lauf. In der Werbung, meinte der eine. Da zeigen sie immer nur schöne Menschen. Und dass die nur dazu da ist, den Konsum anzukurbeln. Ich trank noch ein Bier, dann ging ich wieder hinaus. +++ Die erste Woche im Kindergarten war übrigens toll. Otto blieb sogar für ein Stündchen ohne den Helikopterpapa dort. Ohne zu murren. Ein anderer Junge dagegen ist ständig am Flennen. Ich sehe ihn schon als Erwachsenen vor mir – Projektleiter in einem Großraumbüro in einem sechsundzwanzigsten Stock irgendwo herumcholerikierend in Frankfurt am Main. Der sophisticateste Name hier im Kindergarten ist Maximiliane, und zu meinem Entsetzen gibt es auch einen weiteren Otto. Der ist neun Monate alt und demnach ein Epigone. Im Prinzenbad neulich lief ebenfalls ein zweiter Otto am Kleinkinderschwimmbecken herum. Und hörte ich am Kottbusser Damm nicht gerade erst vorgestern einen Jungvater mit Buggy vor Denny-Boys Bioladen über einen ominösen „Otto“ herumfabulieren? +++ Es gibt nur ein‘ Rudi Völler. +++ Als ich gestern Abend rausgezogen bin, weitere Fotos vom Himmel zu machen. Da stand ich unter dem U-Bahnhof Prinzenstraße und fummelt gerade an den Einstellungen meiner Kamera herum. Da lief Markus W. von der Berliner Zeitung mit einem langen Teleobjektiv an mir vorbei, ich hatte ihn gar nicht kommen sehen. Wir fixierten uns kurz in den Augen, dann guckten wir wieder weg. Ich hätte gerne gesagt: „Hey, Markus, kennst du mich noch?!“ Über der Gitschiner Straße allerdings hing eine tiefstehende Sonne, und anscheinend wollte er gerade die Autoschlangen in Zeiten des abnehmenden Abendlichts fotografieren. Ich verdrückte mich schnell rüber zur anderen Seite der Straße. +++ Hatte selber genügend zu tun. +++ Vor einigen Jahren war ich mit einer Freundin auf dem Tempelhofer Feld. Wir spazierten da rum, und irgendwo saß da im hohen Gras ein Fotograf und hatte in etwa drei Metern Entfernung irgendeinen anscheinend seltenen Vogel direkt vor der Linse. Der Vogel reglos auf einem Zweig, der Fotograf den Finger am Abzug. Und sie dann so – die Luft durch die geschlossenen Zähne einsaugend schlug ich die Hände vors innere Auge. Und sie direkt auf den zu und polternd von oben herab: „Boah, so ein großes Objektiv, da haben Sie ja bestimmt jede einzelne Feder auf dem Bild!“ +++ Oder so.
Überschrift inspired by: Virginia Plain © Roxy Music, 1972
Bildunterschrift inspired by: Heaven Up Here © Echo and the Bunnymen, 1981
Lyrics: (Sittin‘ On) The Dock Of The Bay © Otis Redding, 1967
Zum Goldenen Hahn | Heinrichplatz | 10999 Berlin
In Zeiten des abnehmenden Lichts (Roman) © Eugen Ruge, 2011