Not Dark Yet / Hinter Kohlenpottkulissen.

Fiktives Vinyl: Irm Karma – Hart für Grzimek © Kai von Kröcher, 2013/2022

 

Beim Anblick der Infrastruktur und der verkniffenen deutschen Gesichter fühlte er sich sofort zu Hause. +++ Sicherlich eine der verstörendsten Platten der vergangenen Wochen: Irm Karma mit ihrem Debüt Hart für Grzimek, da machen wir uns mal nichts vor. +++ Draußen kläfft ein Hund. +++ Die Abende, oder besser gesagt – die Tage: Die Tage werden jetzt wieder kürzer. Im Moment trete auch ich etwas kürzer, da mit einer veritablen Männergrippe gesegnet. Aber essen will der Mensch trotzdem, und so ging es im Schongang gestern zum DelikatessNettoMarkendiscount, versteckt an der Urbanstraße gelegen. „Erst das Essen, dann die Doppelmoral“, wie es bei DJ Doppelmoral neulich so trefflich bemerkt. Auf dem Rückweg setzte ich mich kurz auf die Parkbank da oben am Wrangelbrunnen. Und plötzlich – niemand kann heute noch sagen, woher – plötzlich schoss mir der alte Klaus Lage mit seinem Titelsong aus einem Schimanski-Film über die Lippen. Mein ganz privater Krimi, ein hartnäckiger Ohrwurm – und da hatten Irm Karma endlich den passenden Albumtitel. +++ Ursprünglich hatte die Scheibe heißen sollen „halbtrocken“, aber was soll das sein? +++ Gesellschaftskritik, Kritik an denen da oben? Patrick Lindner, und dass die Grünen, die stets uns den Moselwein predigen. Dass die ihre Kinder dann aber doch mit dem SUV in die Schule fahren? +++ School’s out 4 ever. +++ Das Textzitat (oben) übrigens stammt aus dem Roman Becks letzter Sommer von Benedict Wells – ausgelesen habe ich den jetzt die Tage, da ich sterbend darniederlag. Ein gutes Buch für Menschen mit Affinität zur Musik und zum Leben. Für Lehrer – und für A&Rs natürlich aus Reihen der Industrie. Für Bob-Dylan-Fans und seine Hasser. Ein paar Mal, und das bleibt unter uns: ein paarmal habe ich ohne Quatsch Tränen gelacht. +++ Genau: Irm Karma sind eine Band, die kann man sich merken – warum ich kein Porsche-Grün für die Schrift eingesetzt habe?!

 

Überschrift inspired by: Not Dark Yet © Bob Dylan, 1997

Überschrift also inspired by: Faust auf Faust © Klaus Lage Band, 1985

Textauszug aus: Becks letzter Sommer (Roman) © Benedict Wells, 2008 (Diogenes)

Erst das Essen, dann die Doppelmoral © DJ Doppelmoral, 2022

Zahn um Zahn (Schimanski-Kinofilm mit Götz George) © Hajo Gies (Regie)/WDR, D 1985

Bernhard Klemens Maria Hofbauer Pius Grzimek (* 24. April 1909 in Neiße, Oberschlesien; † 13. März 1987 in Frankfurt am Main), dt. Tiermediziner, Zoologe, Verhaltensforscher, Tierschützer, Tierfilmer

School’s Out © Alice Cooper, 1972

Look Beck in Tanger / Greetings from Dog Heaven.

Fiktives Vinyl: Frühling in Pasadena – Seelenstriptease © Kai von Kröcher, 2014/2022

 

Every word her siren’s sung: believe in no one. +++ Bevor ich heute nun wieder nur hirnrissigen Unfug erzähle, mit Hitler und so, da belasse ich es einfach (oben) beim Schallplattencover! +++ Und gehe mal draußen spazieren. +++ Um den Kanal morgens ist es besonders schön. +++ Sagt Ihnen zufälligerweise der Name Rauli Kantas etwas, beziehungsweise – haben Sie ihn je einmal spielen gehört? +++ Letztens träumte ich von der Frau mit dem Hund. Die kennen Sie ja: Die, die auf der Admiralbrücke manchmal die jungen Leute anschnauzt, sie sollen gefälligst verschwinden. Wie ich seit längerer Zeit weiß, hat die Frau mit dem Hund auch einen Vornamen – und vor knapp dreißig Jahren hatte sie tatsächlich auch einen Hund. Damals schon wurde sie zusehends immer merkwürdiger, rannte den ganzen Tag mit dem Tier um den Hafen. Jemand erzählte, sie habe ihr Kurzzeitgedächtnis verloren, das schien mir plausibel. Dem Hund tat das nicht gut, diese ewige Rumrennerei. Er wirkte zunehmend verwahrloster und verfilzt. Ausgezehrt bis auf die Knochen – und eines Tages war er dann nicht mehr da. +++ Okay. +++ Die Frau mit dem Hund hat, das sollten Sie vielleicht wissen – verschiedene Aggregatzustände, könnte man sagen: Normale Konstitution, wenn sie irgendwo an der Hausecke steht und dich freundlich grüßt. Vor ominösen Glasscherben warnt, die angeblich da irgendwo liegen. Alles im grünen Bereich. Unheimlich wird sie mir, wenn sie einfach nur in der Ecke herumsteht, wie eine Verfolgte sich die ganze Zeit umsieht und dir im Wahn Blicke zuwirft. +++ Wozu erzähl‘ ich das alles? +++ In ihren lichten Momenten aber hat sie Humor, einen guten Humor. Dunkel erinnere ich mich, da war draußen die ganze Straße mit den Lastkraftwagen einer Filmproduktion zugeparkt. Auch wieder schon Jahre her – ich glaube sogar, ein Tatort mit Meret Becker. Und überall in den Hausfluren hingen Zettel, man danke für das Verständnis und so. Und die Frau mit dem Hund steht draußen und feixt sich einen – und dann sagt sie etwas, ich kriege das nicht mehr zusammen. Aber sehr lustig: Irgendetwas so von wegen, wahrscheinlich drehen die eh nur schwarzweiß. +++ Und neulich jedenfalls habe ich von ihr geträumt: Ich sollte ihr die Steuererklärung machen. +++ Ich. +++ Die Steuererklärung. +++ Der Frau mit dem Hund. +++ Ich kriegte da kalte Füße, ich sagte: „Was soll ich der Frau mit dem Hund ihre Steuererklärung machen – ich habe das für mich selber ja nie auf die Reihe gekriegt!“

 

Überschrift inspired by: Becks letzter Sommer (Roman) © Benedict Wells, 2008 (Diogenes)

Überschrift also inspired by: Look Back in Anger © David Bowie, 1979

Überschrift also inspired by: Greetings from Dog Heaven © Rauli Kantas, 2022

Lyrics: Silver Moon © David Sylvian, 1986

Meret Becker (* 15. Januar 1969 in Bremen), dt. Schauspielerin