
Das individuelle Weihnachtsgeschenk: Warum nicht zum Beispiel mal Florence Przybylski unter dem Baum? © Kai von Kröcher, 2015/2022
It’s been a long, long time, yeah, since I got you on my mind. +++ Vor einer Weile habe ich meine Arbeitssituation, wie man so sagt, grundlegend verändert. Bis dahin saß ich im dämmerigen Zimmer zum Hof immer mit dem Gesicht vor der Wand, jetzt steht mein Laptop am Fenster nach vorne raus, mit Blick auf den Parkplatz des Urbankrankenhauses. Aktuell schaue ich auf einen herbstlich verfärbten Japanischen Schnurbaum aus der Unterfamilie der Schmetterlingsblütler, heute früh schlawinerte ein majestätischer Fuchs an der Schranke der Einfahrt vorbei. Normalerweise sieht man eher dort Wanderratten vorbeihuschen. Gelegentlich auch leicht Derangierte aus Station III oder IV, nicht despektierlich gemeint. Ich liebe den November da draußen, Hochnebel und Sprühregen. Durchaus auch Sonne statt Reagan, in Frieden leben. By the way: dürfte „November“ nicht in jeder Region dieser Erde eine andere Gemütslage bedeuten? +++ Wie Sie wissen, mache ich mir hin und wieder Gedanken: Neulich zum Beispiel war mir aufgefallen, dass was im Deutschen die Welt ist, auf Französisch merkwürdigerweise „le Monde“ heißt – der Mond! +++ Im Radio erzählten sie mal, Walking On the Moon habe Sting einst nachts in einem Hotelzimmer in München geschrieben. Und Child of the Moon war einer der wohl ganz ersten Songs der Rolling Stones, die ich in meinem jungen Leben damals gehört habe. Das Video dazu ist übrigens großartig, das hatte ich kürzlich erst entdeckt: die Band steht da unmotiviert auf einem Feldweg, der so britisch aussieht, wie ein Feldweg eben nur aussehen kann. Möglicherweise hatten sie kurz zuvor Drogen genommen. Keith Richards springt irgendwann ungelenk von einem Baum, und jederzeit könnten Emma Peel und John Steed durchs Bild gefahren kommen. In einem offenen englischen Sportwagen, mit leichtem Wind in ihrem Haar. Brian Jones war zu dem Dreh gar nicht erst erschienen, von dem haben sie nachträglich eine Einstellung hineingeschnitten: „Brian, stell dich mal hinter den Baum da. Okay, komm mal einen Schritt vor. Und jetzt wieder einen Schritt zurück – danke, aus!“ +++ Super. +++ Was ich aber eigentlich erzählen wollte, und damit kommen wir jetzt zum eigentlichen Punkt der Affäre: Gestern Abend stellte ich mich an die Bushaltestelle, der M41er machte seinem Namen alle Ehre und kam nicht. Da schoss mir ein revolutionärer Geistesblitz durch den Kopf: Warum nicht einfach mal auf den Zug mit dem Weihnachtsgeschäft aufspringen? Halte ich persönlich zwar für verwerflich, macht aber jeder. Und wenn man so bahnbrechende Ideen hat, sieht die Welt gleich schon ganz anders aus, das ist Fakt: Statt mich über den ausbleibenden Bus zu ärgern, verliebte ich mich stattdessen anschließend bei Karstadt direkt in die junge Verkäuferin in der Buchabteilung, obwohl ich eigentlich nur Sahne mit höherem Fettanteil in der Lebensmittelabteilung im Keller kaufen wollte. Mit meinem Sohn stelle neuerdings nämlich selbst Eis her, ganz klassisch Fürst Pückler – das ist relativ simpel und macht irgendwie glücklich. Der perfekten, um nicht zu sagen: der tödlichen Rezeptur sind wir bereits ganz dicht auf der Spur! +++ Das exakte Weihnachtsbestellszenario müsste man jetzt natürlich noch ein bisschen ausarbeiten, mit dem Internet stehe ich latent ja auf Kriegsfuß: Bis dann und dann dieses oder jenes Bild bestellen, … und es am Vierundzwanzigsten feierlich dann unter den Baum legen – besser ist doch kaum möglich!
Überschrift inspired by: Child Of The Moon © The Rolling Stones, 1968
Überschrift also inspired by: Station to Station © David Bowie, 1976
Lyrics: Stir It Up © Bob Marley & the Wailers, 1967
Fiktives Vinyl: Maschinentod © Florence Przybylski, 2022
Rattus Norvegicus © The Stranglers, 1977
Sonne statt Reagan © Joseph Beuys, 1982
Walking on the Moon © The Police, 1979
Child Of The Moon (Musikvideo feat. u.a. Dame Eileen June Atkins): Michael Lindsay-Hogg (Regie), Anthony B Richmond (Kamera)
The Ballad of Lucy Jordan © Marianne Faithful, 1979