Schlafende Hunde / I’m Walking the Cow.

FAKE RECORDS : FIKTIVES VINYL (Galerie Kungerkiez, Berlin-Treptow) © Kai von Kröcher, 2024

 

You ain’t nothing but a hound dog, cryin‘ all the time. +++ Ich hatte Ihnen irgendwann mal von dem Witz erzählt, den ich so witzig fang. Einem Cartoon, besser gesagt. Vom untergründigen Zeichner FiL. Mit Kurt Weill im Zentrum des Storyboards, vielleicht dämmert da was. Kurt Weill jedenfalls, nachdem er vor den Nationalsozialisten in die Vereinigten Staaten emigriert war. Meiner Meinung nach sind Nationalsozialisten Nazis, aber das darf man ja nicht mehr laut sagen. Jedenfalls, Kurt Weill war jetzt in New York im Exil, und sein amerikanischer Agent hatte eine Tournee oder so für ihn organisiert. Und da zeigt der ihm das Plakat, und da steht so in fetten Lettern: KURT BECAUSE. Und Kurt Weill, so er nicht Nichtraucher war – Kurt Weill fällt vor Erbostheit die Zigarre aus dem Mund und er schreit: „Was hat das hier zu bedeuten, you Schweinehunds?!“ +++ Vielleicht aber war alles ganz anders, zumindest habe ich mich jahrelang darüber totlachen können. Obwohl ja ein ernster Hintergrund – todernst, möchte man sagen. +++ Lange Rede, kurzer Sinn: Heute haben wir hier ja ebenfalls ein Plakat, und wenn mich nicht alles täuscht, steht da mein Name fett oben drauf. Und es kündet von einer Ausstellung im kommenden Frühjahr. Und überhaupt hält das Frühjahr gleich mehrere Highlights meinerseits in der Hinterhand, was mich natürlich sehr freut – dazu an selbiger Stelle irgendwann mehr. +++ Seit mein frühreifer Sohn neuerdings in die Schule geht, klingelt der Wecker bei uns jetzt immer um drei Minuten vor halb sechs Uhr morgens. „Krass“, werden Sie sagen, aber das Gegenteil ist der Fall! Auf meine alten Tage musste ich feststellen, dass das eine recht formidable Zeit ist, wenn man etwas hinkriegen will im Leben! Vielleicht deshalb die vielen Highlights im kommenden Frühjahr. Teilweise haben die aber weniger mit der Uhrzeit zu tun als vielmehr mit meinem neuen Agenten, bei dem ich mich hier kurz bedanken möchte. Kein einfacher Zeitgenosse, wenn es darum geht, unbequeme Wahrheiten unter oder nicht unter den Teppich zu kehren. Und so triezte er mich so lange, bis aus meinen ersten, irrlichternden Entwürfen nach und nach ein vernünftiges Ausstellungsplakat wurde. Zwischendurch dachte ich, ich werfe jetzt alles über den Haufen. Zwar immer noch nicht ganz auszuschließen, dass die Geheime Typo- und Fontspolizei bereits erste Ermittlungen aufnimmt. Doch irgendwann, denke ich, muss auch mal Schluss sein. Auf jeden Fall, auch wenn Du vielleicht noch immer nicht hundertprozentig glücklich damit bist: Danke, dass Du mich nicht geschont hast – Du kannst einem schon schön auf den Sack gehen, das zahlt sich am Ende aus! +++ 🙂 +++ Letzten Sommer, als ich mal wieder immer so oft nach Charlottenburg fuhr, da schlenderte ich eines Tages eine Straße vis-à-vis des gleichnamigen Schlosses entlang. An einem Hauseingang fiel ein bescheidenes Schild mir ins Auge: „In diesem Haus oder so komponierte Kurt Because Teile der Dreigroschenoper.“ +++ Die Vernissage zu obiger Ausstellung wird am besagten 7. Februar stattfinden, genauere Angaben dann im unmittelbareren Vorfeld. Das Plakatmotiv oben kann man sich übrigens gerne ausdrucken, ich habe es freundlicherweise in einer etwas besseren Auflösung hochgeladen…

 

Überschrift inspired by/Lyrics: Hound Dog © Elvis Presley, 1956 (Cover)

Überschrift also inspired by: Walking the Cow © Daniel Johnston, 1983

FiL (* 1. September 1966 in West-Berlin), dt. Cartoonist und Unterhalter

Kurt Weill (* 2. März 1900 in Dessau; † 3. April 1950 in New York), dt. und später US-amerikanischer Komponist

Peter Lorre (* 26. Juni 1904 als László Loewenstein in Rosenberg, Österreich-Ungarn, heute Slowakei; † 23. März 1964 in Los Angeles), Filmschauspieler, Drehbuchautor, Filmregisseur 

 

Take Prisoners / To Cut a Short Story Short.

Fiktives Vinyl: Facility – Meine Gefühle damals waren diametral © Kai von Kröcher, 2019/2022

 

Check baby, check baby. One two three. That’s alright with me. +++ Ich schreibe jetzt Kurzgeschichten. Für einen Roman reicht meine Aufmerksamkeitsspanne nicht aus, das Feld überlasse ich anderen. Wenn einem bei „Aufmerksamkeitspanne“ ein Flüchtigkeitsfehler unterläuft, gibt es eine Panne. Eine Self-Fulfilling Prophecy, wie man so sagt. Mit der Suche nach einer Anstellung hier neulich, das war vielleicht etwas blauäugig. Berufseinstieg mit Ende Fünfzig ist dann wohl doch etwas hoch gepokert. Deshalb jetzt hier also die Kurzgeschichten. Bisher ist es ja nur die eine, und die sicherlich selbst für eine Kurzgeschichte etwas zu kurz. Aber Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut, wie man so sagt, selbst ein Fußballspiel dauert neunzig Minuten. Kurzgeschichten sind eine gute Idee, wobei ich natürlich gern vor mich hin fasele. Vielleicht könnte man mehrere von ihnen in einem Buch zusammenfassen, einem Novellen-Band, kurze Novellen: Novelle Vague. Finde ich super, wenn man auf Reisen ist. Irgendwann, das muss letztes Jahr schon gewesen sein. Mit meinem Sohn von München-Hauptbahnhof nach Berlin. Meistens ist er ein unfassbar geduldiger Begleiter, wir haben uns nicht eine Sekunde gelangweilt – und nicht ein einziges Mal hat er gefragt, wann sind wir da. Aber in Bamberg fiel mir was auf. Weil ich auf Bamberg gespannt war, im Zweiten Weltkrieg von Bomben angeblich verschont. Anders als Würzburg oder auch Braunschweig. Vielleicht alles relativ. Ich hatte mir mehr versprochen. Der Bahnhof zumindest, als wir da hielten, war eine reine Enttäuschung. Gelsenkirchen zum Beispiel ist auch ein Schlag ins Gesicht, aber das ist natürlich eine ganz andere Strecke, wer will da schon hin. Außer vielleicht auf dem Weg nach Paris. Ich hatte immer gedacht, über Paris habe Hitler seine schützende Hand gehabt seinerzeit. Weil er an einer verborgenen Stelle irgendwo doch eine entwaffnende Kultiviertheit besaß. Während er halb Europa in Schutt und Asche legt, verschont er die Stadt der Liebe, dachte ich immer. Die Geschichte aber ist eine andere. Meine Kurzgeschichte heute spielt ebenfalls auf Reisen. Sie ist aus der Perspektive einer jungen Ausländerin geschrieben. Ausländer sagt man ja eigentlich nicht, doch jeder Mensch ist Ausländer irgendwo. Und so ist auch diese Figur hier nicht näher definiert, das überlasse ich dem Auge des Betrachters. Aus Nairobi könnte sie sein, genau wie aus Albuquerque, das ist in Neu-Mexiko. Spielt keine Rolle. Die Frage ist eine andere: Es geht dabei, wie gesagt. Um eine junge Frau zu Besuch in Berlin. Vielleicht in Neukölln, aber trotz allem eher traditionell deutsch, das ist wichtig, sonst funktioniert die Geschichte nicht. Neukölln zum Beispiel im Saalbau. Heißt doch Saalbau, dieses – ja, ohne zu übertreiben könnte man(n) sagen: Kaffeehaus. Hinter dem Heimathafen, ich bin da so ewig nicht mehr gewesen. Nur draußen neulich vorbeigerannt. Sofort habe ich den Kellner vor Augen, der einem morgens das Frühstück serviert. Von der Seite schräg fällt das Sonnenlicht ein. Ich könnte nachher tatsächlich kurz dort vorbeischauen, muss eh zum Rathaus Neukölln. Blut abnehmen lassen. Gegenüber vom Rathaus natürlich, einfach Routine-Check. Da müsste ich langsam hier endlich mal hinmachen, die Geschichte geht so: „Es war ihr zweiter Tag in der Stadt, sie saß in dem halbdunklen Café ohne Musik und verzog eine Miene, als habe ein Zuhälter ihr Salzsäure direkt ins Gesicht gespritzt.“

 

Überschrift inspired by: Take No Prisoners © Lou Reed, 1978

Überschrift also inspired by: To Cut a Long Story Short © Spandau Ballet, 1980

Lyrics: Check Baby © Kurt Vile, 2018

Teenage Kicks © Nouvelle Vague, 2004

The King of Rock ’n‘ Roll © Prefab Sprout, 1988

Albuquerque: mit 564.559 Einwohnern die größte Stadt im US-Bundesstaat New Mexico